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Untersuchungsausschuss zu Stuttgart 21Mappus ein bisschen schuld

Aus Sicht der Opposition hat Ministerpräsident Mappus auf den Polizeieinsatz im Schlossgarten Einfluss genommen. Zunächst aber müsse der Polizeipräsident abberufen werden.

Nach dem Einsatz im Schlossgarten für die Opposition unhaltbar: Polizepräsident Siegfried Stumpf. Bild: dpa

STUTTGART taz | Als Konsequenz aus dem Untersuchungsausschuss zum Polizeieinsatz im Stuttgarter Schlossgarten fordern SPD und Grüne die baden-württembergische Landesregierung auf, den Stuttgarter Polizeipräsidenten Siegfried Stumpf abzuberufen. "Er hat schwerwiegende Fehler bei der Organisation und Durchführung des Einsatzes gemacht", sagte der innenpolitische Sprecher der Grünen, Uli Sckerl. Die Regierungsfraktionen CDU und FDP lehnten diese Forderung umgehend ab. "Ich halte davon nichts", sagte der Obmann der CDU im Untersuchungsausschuss, Ulrich Müller.

Am 30. September war die Polizei mit Wasserwerfern und Schlagstöcken gegen überwiegend friedliche Demonstranten vorgegangen. Der Einsatz diente dazu, einen Teil des Schlossgartens abzusperren, um die ersten Bäume für das Bahnprojekt Stuttgart 21 zu fällen. Der Untersuchungsausschuss sollte vor allem eine mögliche politische Einflussnahme auf diesen Einsatz klären. Am Mittwoch wurden die Abschlussvoten vorgestellt.

Die Opposition sieht die politische Einflussnahme als erwiesen an. Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) habe die Polizei durch öffentliche Äußerungen und in internen Gesprächen unter Handlungsdruck gesetzt und den Einsatz von Wasserwerfern gebilligt. Anders aber als vielleicht von Anhängern der Bürgerbewegung gegen Stuttgart 21 erwartet, fordert die Opposition keine personellen Konsequenzen auf der politischen Ebene.

Zwar wären diese "gerechtfertigt", sagte der SPD-Obmann Andreas Stoch. "Doch aufgrund der Nähe zur Landtagswahl sollte es Aufgabe des Souveräns sein, ob dieser Ministerpräsident im Amt bleiben kann." Dies kann als Pendant zur Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verstanden werden, die die Wahl zur Abstimmung über Stuttgart 21 erklärt hatte.

CDU und FDP halten in ihren Abschlussvoten dagegen, dass kein einziger Zeuge von einer politischen Einflussnahme gesprochen habe. Außerdem sei der Polizeieinsatz insgesamt rechtmäßig gewesen. "Wenn es unverhältnismäßiges Handeln seitens einzelner Polizeibeamter gegeben haben sollte, wird das die Justiz prüfen", sagte der FDP-Obmann Hagen Kluck.

Gleichzeitig führte er die Eskalation im Schlossgarten auf ein "etwas merkwürdiges Rechtsempfinden mancher Demonstranten" zurück, die kein Widerstandsrecht gehabt hätten. Die einzigen kritischen Worte, die CDU und FDP fanden, waren, dass die Umsetzung des Einsatzes "nicht optimal" gewesen sei. "Wir empfehlen daher der Polizeiführung, dass sie dieses Ereignis aufarbeitet", sagte Kluck.

Interessant ist der Vergleich der sachlichen Konsequenzen, die gefordert werden. Es spiegelt wider, wo beide Seiten die Ursachen für die Eskalation sehen. Während die Opposition unter anderem das Versammlungsrecht neu regeln will, will die Regierung die Bereitstellung von Schutzausrüstungen verbessern sowie die politische Bildung stärken, "damit die [Jugendlichen, die Red.] wissen, was ihre Rechte und Pflichten sind", so Kluck.

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6 Kommentare

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  • SA
    Sark Asmus

    Diese bösen Demonstranten allesamt Gefährder, gefährden das Kapital und eine Menge Arbeitsplätze, vor allem aber das Einkommen der Leistungselite.

     

    Dieses Kapital-Verbrechen hätte nicht geduldet werden dürfen und gehörte gemäß dem Vertrag von Lissabon als Aufstand deklariert niedergeschoSSen.

     

    Dieses Bling-Bling-Objekt ist wichtig für Europa!

  • S
    Stuttgart_ist_nicht_Kairo

    "Merkel ruft zu Gewalt- und Meinungsfreiheit in Ägypten auf"

     

    ...Sie rufe alle Beteiligten, vor allem auch die ägyptische Regierung auf, dass sie friedliche Demonstrationen genehmige, dass die Meinungsfreiheit eine Chance habe."

     

    http://www.mainzer-rhein-zeitung.de/mainz_artikel,-Merkel-ruft-zu-Gewalt-und-Meinungsfreiheit-in-Aegypten-auf-_arid,196403.html

     

    Stuttgart ist nicht Kairo und so kann bei uns auf Demonstranten (Grosseltern, Eltern, Kinder, Jugendliche) geprügelt werden.

    Merkel hat sich zwar an das Schicksal der BW-CDU

    geknüpft aber mal ehrlich: Sie wird auch das aussitzen und sehnt das Ende der konzeptions- und ziellosen Koalition herbei um dann das Pöstchen bei der Atomlobby anzutreten.

  • A
    Anna

    Wo leben wir hier denn? Tunesien, Ägypten ..., sind wir auch schon so eine Psyeudo-Demokratie, wo demonstrierende Menschen, wenn sie ´zu viele werden und im Weg stehen abgeschossen und verletzt werden dürfen ohne Konsequenzen? Sieht denn keiner was hier los ist? Menschen wegtragen ist in Ordnung, wenn es aber so viele sind, dass sie nicht mehr weggetragen werden können, hat die Regierung versagt und nicht das Volk, denn viele haben eine Grund dazu und machen das nicht aus Spaß. Es kann ja wohl auch keiner behaupten, dass ein paar Kastanien gegen gepanzerte Polizisten ein Angriff gegen die Polizei gewesen sind. Ich darf doch auch nicht, wenn Menschen sich in meinen Garten setzen, ihnen einfach die Augen ausschießen, wenn sie nicht weggehen. Das darf niemand, niemals? Das Menschenleben steht über allen Besitz. Warum wird hier so lange so unsinnig diskutiert?

  • TK
    Tanja Krause

    Nur mal so,

     

    liebe Taz, nach euren Reaktionen am 30.09 hab ich ein wenig mehr erwartet.

     

    Die Frage ist doch, hätte die Politik nicht zwingend Einfluss nehmen müssen, nachdem Kinder und Jugendliche verletzt wurden und ziemlich schnell klar wurde, das zu wenig Polizei im Schlosspark war?? Ausserdem hatte Mappus, der nebenher gesagt, Bier trinkend, auf dem Wasen zu der Zeit war und sich feiern liess, 6 Stunden Zeit sich der Lage anzunehmen und die Lage in Augenschein zu nehmen.

    Also genug Zeit um zu sagen, Moment Mal: So nicht. Hat ein Ministerpräsident nicht auch die Aufgabe seine Bürger zu schützen?? Und wie kann hier einfach das Widerstandrecht abgesprochen werden. Wenn das so weiter geht verfallen wir zurück und DAS IST KEIN FORTSCHRITT!!! In demokratischer Hinsicht! Und habt ihr euch den Abschlussbericht der CDU überhaupt angeguckt? Da wird mir Angst und Bange. Und was ist mit den "Spitzeln", die eingesetzt wurden. Wo leben wir eigentlich?! Rech sagte selbst, es konnte im Juni 2010 keine linksradikale Szene festgestellt werden und dann werden "verdeckte Ermittler" eingesetzt. Wer weiss, was die noch alles "beleuchten". Nun gut...

     

    Und nach den Zeugenaussagen im UA war sich Mappus absolut klar über die Komplexität des Einsatzes. Und im Juni wusste man schon, dass am 30.09 der Einsatz stattfinden sollte. Das ergab der UA!!!

     

    Und warum geht niemand auf das unverschämte, eigentlich peinliche Verhalten, der CDU/FDP Mitglieder im Ausschuss ein?? Gibts nur Pressearbeit, wenn jemand verletzt wird??

     

    Und was ist mit dem EBA Schreiben ? Ging es nur darum um jeden Preis die Bäume zu fällen um dem Fällverbot zuvor zu kommen?? Ist Artenschutz also doch kein Thema wenn der Steuerzahler halt 700000 € Strafe zahlt??

  • K
    Kerzenlicht

    Aha, die Bürger sollen also auf die eine oder andere Art in Zukunft davon abgehalten werden, ihren Willen den abgehobenen Politikern deutlicher zum Ausdruck zu bringen, wenn diese ihn missachten. Die Grünen haben doch die Proteste mitorganisiert, wieso wollen die jetzt das Versammlungsrecht ändern? Kommt man da noch mit? War der ganze Ziehauf um S21 nur ein wahltaktisches Manöver der Grünen? Zuzutrauen ist es ihnen, wenn man so mit bekommt, was im Bundestag abgeht.

  • T
    Tom

    Zu Recht sagt die Opposition, dass sie jetzt keine personellen Konsequenzen wünscht. Ansonsten geht das Feindbild und deren Chancen bei der Wahl sinken.

     

    Die politische Bildung zu stärken ist gar nicht schlecht. Sollte man nicht zu negativ sehen. So lernt man auch besser dagegen vor zu gehen. Die Schüler sind in unseren Zeiten ja hoffentlich informiert genug um selbst zu recherchieren, ob denen etwas gefärbt gelehrt wird.