Unternehmen in der EU: Gabriel will mehr Investorenschutz
Ein neues Schiedsgericht soll europäische Firmen vor Willkür schützen, wenn sie in anderen EU-Staaten investieren.
Wenn ein französisches Unternehmen in Deutschland investiert und sich vom deutschen Staat schlecht behandelt fühlt, dann müsste es nach diesem Vorschlag künftig nicht mehr bei deutschen Gerichten klagen, sondern könnte sich direkt an ein neues EU-Schiedsgericht wenden. Hinter diesem Vorschlag stehen neben Deutschland auch Frankreich, Österreich, Finnland und die Niederlande. Federführend in Deutschland ist Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der zugleich SPD-Vorsitzender ist.
Bisher gibt es rund 200 bilaterale Verträge zum Investorenschutz zwischen EU-Staaten. Sie entstanden nach 1990, als osteuropäische Staaten die Marktwirtschaft einführten und Investoren aus den EU-Staaten anlocken wollten. Inzwischen sind aber die osteuropäischen Staaten längst selbst in der Union, weshalb die EU-Kommission die alten Abkommen abschaffen will. Es sei eine Diskriminierung, wenn sich in den neuen EU-Staaten nur Unternehmen aus manchen alten Mitgliedsländern auf speziellen Investorenschutz berufen können.
Deutschland und seine vier Partner haben nun aber eine andere Lösung vorgelegt. Statt die bilateralen Vereinbarungen abzuschaffen, sollen sie in ein neues großes Abkommen eingebracht werden, in dem sich alle 28 EU-Staaten gegenseitig Investorenschutz versprechen.
Zur Begründung heißt es in dem Vorschlag, die Abschaffung des EU-internen Investorenschutzes mache die Union unglaubwürdig, wenn sie gegenüber Staaten wie Kanada und den USA auf speziellem Investorenschutz bestehe. Europäische Firmen dürften gegenüber kanadischen und US-Firmen auch nicht benachteiligt werden, wenn diese in Europa Investorenschutz erhalten. Außerdem könnten europäische Firmen sogar ihre Investments aus der EU abziehen, wenn es dort keinen speziellen Investorenschutz gebe.
Gericht mit 100 Richtern
Wie in solchen Verträgen üblich, soll Investoren eine faire rechtsstaatliche Behandlung garantiert und Schutz vor entschädigungsloser Enteignung gewährt werden. Umgekehrt soll auch das Recht der EU-Staaten, die Investitionsbedingungen festzulegen und zu ändern („right to regulate“), festgeschrieben werden.
Das neue EU-Schiedsgericht soll am Ständigen Schiedshof in Den Haag angesiedelt sein, der von 119 Staaten getragen wird. Die Richter, die von den 28 EU-Staaten benannt wurden, sollen zusammen das neue Gericht bilden. Deutschland hat derzeit vier Völkerrechtsprofessoren benannt: Doris König, Stefan Oeter, Eibe Riedel und Andreas Zimmermann. Doris König ist inzwischen auch Richterin am Bundesverfassungsgericht, auf Vorschlag der SPD. Da jeder EU-Staat bis zu vier Richter benennen könnte, wäre das ein Schiedsgericht mit rund 100 Richtern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag