piwik no script img

UnterbringungErste Uferlage für Flüchtlinge

Um die NeuköllnerInnen vor Flüchtlingen zu beschützen, verlegt der Bezirk den Standort einer geplanten Flüchtlingsunterkunft auf ein unerschlossenes Gelände.

Schleuse am Teltowkanal Bild: DPA

Der Bezirk Neukölln will künftig Flüchtlingen einen Blick auf‘s Wasser verschaffen. Laut einem Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung soll ein neues Flüchtlingsheim nicht wie erst geplant am westlichen Rand eines Grundstücks an der Neuen Späthstraße in Britz gebaut werden. Statt dessen soll die Unterkunft am östlichen Grundstücksrand am Teltowkanal entstehen.

Durch diesen Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung aus der vergangenen Woche kommen Kosten in bislang nicht bekannter Höhe auf den Bezirk zu. Denn der östliche Teil des Grundstücks, das dem Möbelhandel Krieger gehört, der es dem Bezirk für drei Jahre befristet kostenfrei zur Verfügung stellen will, ist bislang infrastrukturell nicht erschlossen: Wasser-, Abwasser- und Stromleitungen müssen deshalb zunächst dorthin verlängert werden. Welche Baukosten dem Bezirk entstehen, ist unbekannt.

Das ist einer der Gründe, warum Grüne und Linke gegen den Beschluss stimmten. Von einer „Wundertüte“ spricht die Vorsitzende der achtköpfigen Grünen-Fraktion, Gabriele Vonnekold: „Der Bezirk erklärt sich bereit, Kosten zu übernehmen, von denen keiner weiß, wie hoch sie sind.“ Auch Linken-Fraktionschef Thomas Licher ärgert sich über den „Blankoscheck“: „Sonst drehen wir doch jeden Pfennig im Bezirk um.“

Noch mehr aber ärgert beide die Begründung der Planungsänderung. Das Flüchtlingsheim solle deshalb auf dem östlichen, von sonstiger Wohnbebauung weitmöglichst entfernten Teil des Grundstücks entstehen, um AnwohnerInnen durch „den Heimbetrieb nicht mehr als zwingend nötig zu beeinträchtigen und damit Ängste und Ressentiments zu verringern“, heißt es in dem Beschluss. Damit würden „Flüchtlinge als Problem beschrieben, das möglichst weit weg von den Anwohnern untergebracht werden soll“, schimpft Licher: „Das ist nicht unser Ansatz.“ Auch Vonnekold hält es „nicht für sinnvoll, die Flüchtlinge so in die Ecke zu drängen, dass sie möglichst keinen Kontakt zu Anwohnern haben“.

Mit ihrer absoluten Stimmenmehrheit konnten CDU und SPD den Beschluss dennoch durchsetzen, die Piraten enthielten sich. Eine schwierige Lage für den zuständigen Sozialstadtrat Bernd Szczepanski, den einzigen Grünen im Neuköllner Bezirksamt. Er muss nun umsetzen, was seine Partei für falsch hält. Und auch das für den Bau des Flüchtlingsheims zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) ist not amused: Es muss den Bau nun neu planen, das verzögert die Entstehung dringend benötigter Flüchtlingsunterkünfte.

Vielleicht deshalb wird das Lageso an einer für den kommenden Donnerstagabend angesetzten Informationsveranstaltung für die AnwohnerInnen des geplanten Flüchtlingsheims nicht teilnehmen. Zu der Veranstaltung, an der neben Stadtrat Szczepanski der Flüchtlingsrat, die Diakonie und eine Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus teilnehmen, lädt eine Bürgerinitiative ein, die vermuten lässt, dass keineswegs nur „Ängste und Ressentiments“ unter den AnwohnerInnen gedeihen. Die Britzer Initiative „Hufeisen gegen Rechts“ spricht sich in ihrer Einladung deutlich gegen die Diskriminierung von Flüchtlingen und für ein „gedeihliches Miteinander“ zu deren Nutzen aus.

Bereits an diesem Samstag will ein antifaschistisches Bündnis in Neukölln mit einer Aktions-Bustour zum Kampf gegen „rassistische Stimmungsmache“ unter anderem gegen das geplante Flüchtingsheim motivieren. Start ist um 9:30 Uhr am S-Bahnhof Neukölln.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Z
    zombie1969

    D ist nach wie vor in der Lage hundertausende Flüchtlinge aufzunehmen, wäre denn der humanitäre Wille dazu da. Die hiesigen Sozialwerke sind nach wie vor prall mit Geld gefüllt um Flüchtlinge reibungslos in den Sozialsystemen zu integrieren. Nötigenfalls sind die Steuern und Abgaben für die arbeitenden D-Bürger zu erhöhen, um die Sozialwerke weiter mit Geld zu speisen. Auch sollten bedürftige D-Bürger endlich lernen den Sozialkuchen mit willkommenen Flüchtlingen zu teilen, anstatt ständig mit rechtsradikalen Parolen aufzuwarten. Solidarität ist angesagt und nicht egoistisches Verhalten wenn es um die Verteilung des Sozialkuchen geht.

    • G
      gerstenmeyer
      @zombie1969:

      ironie - oder provokation?

  • AU
    Andreas Urstadt

    ????? Der Umgang mit Fluechtlingen ist nicht kooperativ partnerschaftlich, man geht mit den eigenen Leuten schon nicht so um. Eine ganze Reihe Unterkuenfte sind Mischnutzungen von Fluechtlingen, Obdachlosen bzw Wohnungslosen und Hartz IV Leuten, denen die Miete wg zu hoher Mieten nicht mehr bezahlt wird. Die scheitern doch schon, wenn s um ihre eigenen Leute geht.

     

    Die sehen sich nicht mit Klientel google street view an und suchen passende Fleckchen.

     

    Ich plaediere fuer Buergerraete. Stadtwerke etc und einen Umbau der Demokratie von unten und ohne Parteien, Parteien partialisieren. Partialisieren etc hat keine Nachhaltigkeit. Nichtwaehlerraten von 40% und drueber sind Systemkritik. Zu recht.

  • Man muss den Menschen leider schon wünschen, in unerschlossene Gegenden verleg zu werden. Zu ihrer eigenen Sicherheit, denn Neid (worauf bloß?) mach manche Leute aggressiv.

    • VI
      verständlich ist manches schon
      @vic:

      kann aber auch dazu führen, das dann keiner mitbekommt, wenn es Anschläge auf Heimeinrichtungen oder Attacken gegen die Flüchtlinge gibt.

       

      Wenn man so die Bilder im Fernsehen sieht, wie da Flüchtlinge aus den EU Armutsländern die Umgebebung verunstalten sage ich mal vorsichtig, das die Leute dann sagen, die wollen wir hier nicht haben.

       

      Ist aber auch ein Armutszeugnis der Länder, die nicht durchgreifen, das Ordnung herrscht.

  • B
    Ben

    Erschreckend. Nicht das der Rassismus inzwischen in der "Mitte" angekommen ist, sondern, das es der "Mitte" nicht mehr unangenehm ist, diesen zu zeigen..

  • MJ
    min jung

    »Bereits an diesem Samstag will ein antifaschistisches Bündnis in Neukölln mit einer Aktions-Bustour zum Kampf gegen „rassistische Stimmungsmache“ unter anderem gegen das geplante Flüchtingsheim motivieren.«

    Schau an.

    Mittlerweile ist also auch schon eine Standortentscheidung zum Bau eines Flüchtlingsheimes rassistisch.

    Wieder was dazugelernt.

    Wird’s den tapferen Kämpfern an der antifaschistischen Front nicht langsam selbst peinlich, jedes Handeln politischer Entscheidungsträger, Bürger oder vermeintlicher Gegner, das nicht ins kleine, enge, links-feministische No-Border-Weltbild passt, mit den beiden Begriffen „Rassismus“ oder „rassistisch“ zu belegen?

    Bekommt dort niemand mit, dass diese Wörter schon längst zu Kampfbegriffen entwertet sind?

    Den Menschen außerhalb ihres wabernden Paralleluniversums verschafft dieser inhaltslose Protest um des Protestes willen nur noch ein müdes Gähnen.

    • S
      Sarah
      @min jung:

      Ich würde Ihre Bücher kaufen,Ihren Blog lesen oder Ihre Zeitungsbeiträge aufsaugen.

       

      Danke!

      Starke Worte.