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Unterbringung von GeflüchtetenGrüne haben einen Plan

Der Senat agiert kopflos bei der Unterbringung von Geflüchteten, kritisieren die Grünen. Sie fordern mehr Kooperation und Anreize für Anwohner.

Die Notunterkunft am Ex-Flughafen Tegel soll geschlossen werden. Aber wohin mit den Flüchtlingen, die dort leben? Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Berlin taz | Die Berliner Grünen haben am Montag einen 5-Punkte-Plan zur dezentralen Unterbringung und Integration von Geflüchteten vorgelegt. Der schwarz-rote Senat „beschränkt sich weitgehend auf das Organisieren von Notunterkünften“, sagte die Fraktionsvorsitzende Bettina Jarasch. Dabei gäbe es gute Ansätze, wie dezentral in den Stadtteilen mehr Unterbringungsmöglichkeiten geschaffen werden könnten, so der flüchtlingspolitische Sprecher der Fraktion, Jian Omar, auf taz-Nachfrage. „Aber dazu braucht es den Willen der Politik.“ Der sei vor allem bei der CDU offensichtlich nicht vorhanden.

Konkret fordern die Grünen etwa die Einrichtung einer interdisziplinären Senatskommission, in der – analog zur Wohnungsbaukommission – alle relevanten Verwaltungen sowie die Bezirke vertreten sind. „Die Kooperation zwischen Senat und Bezirken oder auch zwischen den Senatsverwaltungen funktioniert oft schlecht“, so Omar. Viele Projekte für neue Unterkünfte scheiterten daran oder zögen sich in die Länge. Als Beispiel nannte er das seit Jahren leer stehende Parkhaus in der Triftstraße (Wedding), um dessen Nutzung als Standort für ein Flüchtlingsheim es schon länger Streit zwischen Wissenschafts- und Integrationsverwaltung sowie dem Bezirk Mitte gibt.

Im 5-Punkte-Plan heißt es, die Senatskommission solle „gemeinsam mit den jeweiligen Bezirken standortspezifische Verbesserungen für die lokale Instrastruktur identifizieren und umsetzen“, wozu auch der Ausbau von Kita- und Schulkapazitäten gehöre. Für das Gelingen von Integration sei es zentral, die soziale Infrastruktur vor Ort und die Menschen im Kiez zu unterstützen, erläuterte Omar der taz. Die Bezirke bräuchten dafür „ausreichende und verstetigte finanzielle Unterstützung“. Das wäre deutlich mehr als die einmalige Pro-Kopf-„Gemeinschaftspauschale“, die Integrationssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) kürzlich ins Spiel gebracht hatte als Anreiz für Bezirke, mehr Flüchtlinge aufzunehmen.

Berlin könne sich hier ein Beispiel an Hamburg nehmen, sagte Omar. Dort schließe der Senat „Bürgerverträge“ mit Bezirken und lokalen Initiativen, die verbindlich festlegten, welche Infrastruktur rings um eine neue Flüchtlingsunterkunft nötig ist. Laut Omar entsteht dadurch „ein echter Mehrwert für die Menschen vor Ort“, sodass einzelne Bezirke schon von sich aus auf den Hamburger Senat zukämen und weitere Unterkünfte anbieten, um auf diese Weise gewünschte Infrastrukturprojekte finanzieren zu können.

Als positives Beispiel nannte Omar das Projekt „ToM – Tolerantes Miteinander“ in Treptow-Köpenick. Dort hat der Internationale Bund zusammen mit der Degewo ein Wohnquartier mit 164 Wohnungen entwickelt, die zur Hälfte mit Geflüchteten belegt sind. Es gibt eine interkulturelle Kita, Gemeinschaftsräume und -flächen, Sozialberatung, einen Mieterbeirat, ein Anwohnercafé – und einen mehrsprachigen Hauswart als Ansprechpartner. „So ist ein tolles Miteinander entstanden, Vorurteile werden abgebaut“, sagt Omar. Die landeseigenen Wohnungsbauunternehmen würden gerne mehr solcher Projekte in Angriff nehmen, „aber dafür fehlt das Geld, das gleichzeitig in Notunterkünften wie Tegel verschwendet wird“.

Tatsächlich will Kiziltepe Deutschlands größte und teuerste Notunterkunft am ehemaligen Flughafen Tegel bis zum Jahresende „leerziehen“ und anschließend zum zentralen Ankunftszentrum mit 2.500 Plätzen in Containern umbauen. Zu Spitzenzeiten in den ersten beiden Jahren des Ukraine-Krieges lebten dort über 5.000 Menschen, aktuell sind es knapp 2.000. Auch die SPD-Politikerin betont immer wieder, dass sie mehr kleinere, dezentrale Unterbringungen möchte – nur blockiert die CDU neue Projekte immer wieder, ebenso wie die Verlängerung von Verträgen, etwa mit Hotels oder Hostels.

Daher sehen die Grünen die Gefahr, dass statt Tegel der Standort am früheren Flughafen Tempelhof zu einem „Tegel 2.0“ ausgebaut wird. Dort gibt es schon jetzt zwei Notunterkünfte mit rund 1.500 Plätzen in den Hangars 1–3 sowie auf dem Parkplatz, dazu die Gemeinschaftsunterkunft, bestehend aus Containern auf dem Vorfeld mit rund 1.000 Plätzen. Ab dem kommenden Jahr soll dort ein weiteres Containerdorf mit 1.000 Plätzen entstehen. Dieses soll zwar keine Notunterkunft, sondern eine Gemeinschaftsunterkunft werden. Dennoch treibt Omar die Sorge um, „dass einfach alles verlagert wird von Tegel nach Tempelhof. Das wäre die schlechteste Lösung.“

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