: Unter Olivenbäumen wächst die Freiheit
Die Produktion von Olivenöl im Rif-Gebirge Marokkos bringt 300 Bäuerinnen Einkommen und Selbstbestimmung. Jetzt bedroht der Klimawandel ihre Ernte. Wie sie ihm trotzen
Aus Harrara Stefanie Ludwig und Augustin Campos (Text und Fotos)
Wann immer Hanane Lachehad ihren dunkelblauen SUV durch die engen Straßen des kleinen Ortes Harrara manövrierte, sorgte das noch bis vor ein paar Jahren für argwöhnische Blicke und Gerede – vor allem bei den Männern im Dorf. „Sie verdirbt unsere Frauen“, hieß es dann, wenn Lachehad mal wieder Frauen einsammelte, um sie zur Arbeit mitzunehmen. „Manche dachten, es handele sich um eine Verschwörung“, sagt die 46-Jährige, die Hände fest am Steuer, das runde Gesicht offen lachend. Auf der Rückbank sitzt Zohra, groß, elegant, im olivgrünen Overall. Gerade noch stand sie vor ihrem Haus weiter oben im Ort – jetzt wirft sie Lachehad im Rückspiegel einen wissenden Blick zu. Dann muss auch sie lachen – bei der Erinnerung an die Anfangszeit der Kooperative Alhouda, als sie begannen, Bio-Olivenöl zu produzieren – und die Männer sprachlos zurückblieben.
Heute wundert es niemanden mehr, wenn die Präsidentin der GIE Femmes du Rif, der wirtschaftlichen Interessenvereinigung der Rif-Frauen, in dem kleinen Douar auftaucht. „Und wie läuft es mit den Oliven?“, ruft ein älterer Mann mit faltigem, sonnengegerbtem Gesicht einen Esel auf der Straße vor sich hertreibend, durchs offene Autofenster. Inzwischen weiß hier jeder: Es geht für die Frauen dann dorfabwärts, vorbei an Äckern und Olivenbäume. Unten, in den 2013 entstandenen Räumlichkeiten der Genossenschaft mit ihrer eigenen Ölmühle, wird gearbeitet. Heute steht das Herstellen von Seifen aus verschiedenen Ölen und selbst gepflückten Heilpflanzen auf dem Programm. „Seit der Klimawandel vor allem in den letzten sieben Jahren zu Ernteausfällen führt, versuchen wir das fehlende Einkommen zu kompensieren“, sagt Zohra, als der Wagen vor den Mauern der Genossenschaft zum Stehen kommt.
Im gekachelten Empfangsraum der Genossenschaft ist es kühl, ein Regal gefüllt mit verschiedensten Produkten zieht den Blick auf sich: ätherische Öle, getrocknete Kräuter in Plastikpäckchen und Seifen in verschiedenen Pastellfarben sind darauf angerichtet. Im Zentrum steht eine Reihe von Olivenölflaschen mit IGP-Siegel – einer geschützten Herkunftsbezeichnung für regionale Qualitätsprodukte – und Biozertifizierung. Trotz aller Entwicklungen der letzten Jahre ist es auch heute noch das Herzstück der Vereinigung. „Mit der Produktion unseres eigenen nativen biozertifizierten Olivenöl extra hat sich alles verändert“, sagt Lachehad und nimmt andächtig eine Flasche aus dem Regal. „Es hat den Frauen ein eigenes Einkommen gebracht, Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit.“ Zohra und Sanae, ein weiteres Mitglied der Kooperative Alhouda, eine der insgesamt acht Kooperativen, die der Vereinigung Femmes du Rif angehören, nicken. „Hätte ich ohne all das jemals nach Deutschland reisen können?“, sagt Zohra und ihre großen braunen Augen leuchten bei der Erinnerung an die Landwirtschaftsmesse in Berlin, die sie damals für die Vereinigung begleiten durfte. Die 40-Jährige bewirtschaftet zusammen mit ihren beiden Schwestern acht Hektar Land mit über 600 Olivenbäumen. Für eine Familie im Rif-Gebirge ist das eine große Fläche – ungefähr so viel wie elf Fußballfelder. Zohra ist damit eine von 300 Frauen aus acht Dörfern, die der Vereinigung der Rif-Frauen angehören und zusammen 400 Hektar Land bewirtschaften. Die meisten von ihnen besitzen deutlich kleinere Flächen mit unter 5 Hektar.
Im Rif-Gebirge, nördlich von Ouezzane, sind es seit jeher die Frauen, die sich um die Olivenernte kümmern. In dieser armen, von der Regierung lange vernachlässigten Region war das einst vor allem eine Frage der Notwendigkeit: Während die Männer im Herbst die Felder pflügten, sammelten die Frauen die Oliven. Lachehad, deren Elternhaus nur wenige Autominuten nördlich von Harrara liegt, erinnert sich gut an diese Zeit. Schon als junges Mädchen fuhr sie mit dem Traktor ihres Vaters über die Felder – ein ungewöhnlicher Anblick in dieser konservativen Gegend. „Die meisten Oliven nahmen die Frauen mit nach Hause.Es wurde in den umliegenden Souks nur wenig verkauft und auch nicht immer“, sagt sie.
Noch keine 20 Jahre alt, gründete Lachehad damals eine Frauen-Kooperative zur Kaninchenzucht. Etwas später suchte die Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (Unido) nach bereits existierenden Kooperativen, um Entwicklungsarbeit zu leisten. Das war im Jahr 2001. In der bergigen Region im Norden Marokkos sah man wegen der Bekanntheit der Oliven großes Potenzial und so fiel die Wahl auf drei Frauen-Kooperativen der Gegend, die zu diesem Zeitpunkt bereits als gut organisiert galten. „Besser als die der Männer“, lachen die Frauen, die jetzt an einem kleinen Tisch Platz genommen haben. Später kamen fünf weitere Frauen-Genossenschaften aus der Gegend hinzu, die neben den Oliven aber noch anderen Tätigkeiten nachgingen, wie Kaninchenzucht oder der Herstellung von Couscous zum Beispiel.
„Die Qualität der Oliven stimmte nicht. Es wurde zum Beispiel kein Wert darauf gelegt, sie zu sortieren. Es wurden auch keine Netze ausgelegt und Plastiktüten für den Transport verwendet“, sagt Lachehad über die Zeit Anfang 2000, in der es auch keinerlei Hygienekonzept bei der Weiterverarbeitung der Oliven gab. Das Ziel des Projekts war deshalb: Die Arbeitsschritte so zu verändern, dass die Qualität der Frucht deutlich besser wird – und hochwertiges Bio-Olivenöl herstellen. Die neue Rigorosität bei der Ernte und Verarbeitung, die von Lachehad, die den Prozess überwachte, an den Tag gelegt wurde, sei nicht einfach gewesen für die Frauen, die vorher keinerlei Richtlinien verfolgten. „Sie ist streng, aber gerecht“, sagt eine der Frauen später über die „Chefin“, die immer mal wieder Olivenlieferungen abwies, wenn die Qualität nicht stimmte oder das Zeitfenster für Oliven an der frischen Luft nicht eingehalten wurden. Regelmäßige Schulungen halfen den Bäuerinnen dabei, die neue, akribische Arbeitsweise zu verstehen und anzuwenden. Manche Frauen seien durch die Fortbildungen das erste Mal aus ihren Dörfern herausgekommen, erzählt Lachehad, die nach dem Biologiestudium in ihre Heimat zurückkehrte.
„Unser Weg war von Anfang an: Qualität nicht Quantität“, berichtet die Mittvierzigerin über die Anfänge des Projekts, das sie ab 2006 als Gründerin der Wirtschaftsvereinigung Femmes du Rif begleitete. Ein Plan, der funktionierte. An den Wänden der Empfangsräume erzählen die Auszeichnungen und Fotografien, besonders prominent die vom Besuch des marokkanischen Königs Mohammed VI. in der Genossenschaft Alhouda, vom Erfolg der ersten Jahre. In den frühen 00-er Jahren bis 2010 floriert das Geschäft, die Frauen fahren auf Landwirtschaftsmessen in die Hauptstädte Europas, um ihr Öl zu bewerben. 2006 erhält das Öl der Femmes du Rif die Biozertifizierung – das erste Bio-Olivenöl Marokkos. Die französische Marke Alter Eco, die nachhaltige Lebensmittel vertreibt, nimmt es bis 2010 in seinen Bestand auf. „30 bis 50 Tonnen produzierten wir in unseren besten Zeiten pro Jahr“, erzählt Lachehad.
Inzwischen wird das Öl nicht mehr im Ausland, dafür aber in Marokko verkauft, manchmal kommen auch kleine Busse mit Touristen oder Großabnehmer zu der Kooperative, unweit der Schnellstraße zwischen Ouezzane und Chefchaouen, und erwerben das Öl für Hotels und Restaurants. Das Ende der Kooperation mit Alter Eco im Jahr 2011 habe auch daran gelegen, dass Verbraucher verstärkt auf Olivenöl aus Palästina zurückgriffen, um dortige Projekte zu unterstützen, erklärt Lachehad die Entwicklungen. Das Produkt anschließend zum ersten Mal auch national zu vermarkten und zu verkaufen, sei nicht leicht gewesen, weil viele Marokkaner mit Olivenöl in Flaschen nichts anfangen konnten, das Grundnahrungsmittel eher kanisterweise für die ganze Familie erworben und generell weniger Wert auf Qualität setzten. „Ist das ein Schutzmittel für Olivenbäume?,“ seien sie gerade am Anfang häufiger gefragt worden.
Einer der großen Erfolge für die Frauen: Unter den Männern in den Dörfern habe ein „Wandel der Mentalität“ stattgefunden, so bezeichnet es Lachehad. „Früher wollten sie ihre Frauen nicht zu Schulungen lassen oder wenigstens dabei sein, um die Kontrolle zu behalten. Heute fragen sie uns, ob ihre Töchter nicht bei uns mitarbeiten dürfen.“ Den Frauen habe die Arbeit mit dem Olivenöl einen neuen Status in der Familie eingebracht. Am Tisch hätten sie heute etwas zu sagen. Noch vor 20 Jahren sei das nicht so gewesen. Die Vereinigung achtet darauf den Frauen ihr verdientes Geld direkt auszuzahlen und nicht etwa den Männern zu geben. So haben sie Handlungsfreiheit – und manchmal sogar etwas Geld für sich selbst übrig. „Manche haben entschieden, ihr Haus zu vergrößern oder ihre Kinder zum Studium zu schicken“, sagt Lachehad.
Sanae erzählt, dass sie einen Goldbarren hat, den sie sich als Anlage angeschafft hat. Aber auch soziale Projekte konnten mit dem Geld umgesetzt werden: In dem Dorf Nefzi, dem entlegensten Dorf der Vereinigung – 3 Stunden braucht es von dort bis zur nächsten Landstraße – haben Frauen gemeinsam eine Straße bauen lassen, um den Zugang zum Ort zu erleichtern.
Hanane Lachehad, Kooperative Alhouda
In anderen Regionen Marokkos ist diese Entwicklung hin zu mehr Selbstbestimmung und Anerkennung für die Arbeit von Frauen, wenn überhaupt, noch ganz am Anfang. „In den Oasen im Südosten Marokkos nennen sich Frauen nur selten Chefin. Nach außen hin gilt meistens der Mann als der Chef. Innerhalb der Familie oder des Betriebs treffen Männer und Frauen die Entscheidungen aber oft gemeinsam“, analysiert Lisa Bossenbroek vom Forschungs- und Studienzentrum für zeitgenössische Gesellschaften (CRESC-Rabat) und Mitarbeiterin am Forschungslabor Ladsis der Universität Hassan II in Casablanca.
Bei all den Freiheiten, die die Olivenölproduktion den Frauen gebracht hat, ist da seit einiger Zeit aber auch die leise Angst davor, dass ihnen diese wieder abhanden gehen könnte. Grund dafür ist der Klimawandel, der die Ernte in den vergangenen Jahren unvorhersehbar gemacht hat. „In den letzten vor allem sechs, sieben Jahren ging die Ernte drastisch zurück. Inzwischen liegt sie nur noch bei unter fünf Tonnen“, so die Präsidentin der GIE-Vereinigung. Das ist ungefähr zehnmal weniger als noch in den frühen 2010er Jahren. Neben der zunehmenden Trockenheit, sind auch extreme Wetterphänomene wie Starkregen eine Herausforderung für die Landwirtinnen.
2022 führten in der Kooperative Alhouda ungewöhnlich starke Regenfälle schon im Mai dazu, dass die Olivenblüten abfielen und sich keine Früchte bildeten. Die Ernte im November viel dann aus. Auch wenn es nur wenige offen aussprechen, sorgen solche Ereignisse bei den Frauen für Verunsicherung. „Bevor die Ernte im November beginnt, trauen wir uns nicht mehr zu sagen, dass es ein gutes Jahr wird“, sagt Sanae leise. Laut dem aktuellen Bericht der marokkanischen Wetterbehörde war 2024 das heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen: Die Durchschnittstemperatur lag um 1,49 Grad Celsius über dem Referenzwert für den Zeitraum 1991 bis 2020 – mehr als doppelt so hoch wie der weltweite Durchschnitt von +0,67 Grad. Neben der extremen Hitze registrierte die Behörde auch eine Zunahme extremer Wetterereignisse, darunter Überschwemmungen, Sturzfluten und Rekordtemperaturen von bis zu 47,7 Grad Celsius. Besonders besorgniserregend ist die anhaltende Dürre: Bereits im sechsten Jahr in Folge leidet Marokko unter einem gravierenden Wassermangel. Landesweit liegt das Wasserdefizit bei fast 25 Prozent – mit spürbaren Folgen für den Alltag vieler Menschen.
Für viele Familien auf dem Land, die von der Landwirtschaft leben, wird die Lage zunehmend existenzbedrohend. Besonders regenabhängige Kleinbäuerinnen und -bauern kämpfen damit, unter diesen extremen Bedingungen ihre Felder zu bestellen. Ausgetrocknete Böden, Ernteausfälle und mitunter Landflucht sind die Konsequenz. Weil Olivenöl aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels weniger verfügbar ist, sind die Preise gestiegen: Vor der Coronapandemie kostete ein Liter zwischen 60 und 75 Dirham, danach 80 bis 90 – heute rund 100 Dirham (ca. 23 Euro). Ursache dafür sind die anhaltende Dürre und die schlechten Ernten, durch die es immer weniger Olivenöl gibt, während die Nachfrage gleich bleibt.
„Man könnte meinen, dass es gut ist, dass die Preise höher sind. Aber es ist nicht gut. Vor allem für den Verbraucher“, sagt Lachehad und schüttelt den Kopf. Ein Liter koste inzwischen mehr als das Dreifache im Vergleich zu früher, als das Öl noch für 30 Dirham zu haben war. Doch trotz des höheren Preises verdiene sie nicht mehr. Im Gegenteil: Die Kunden bestellten häufig weniger, sobald sie den Preis hören. Wer früher 200 Liter kaufte, nehme heute manchmal nur noch 150. Dabei ist nicht nur der Verkauf schwieriger geworden, auch die Produktion hat sich verändert. Früher brauchte man für einen Liter Olivenöl etwa sechs bis sieben Kilogramm Oliven. Heute seien es bis zu fünfzehn. Die Früchte seien kleiner und weniger ergiebig – auch eine Folge der zunehmenden Dürreperioden.
Hoffnungslos sind die Frauen trotz der Entwicklungen nicht. Im Gegenteil. Mit derselben Energie, mit der sie auch ihr eigenes Olivenöl zuerst international, dann erst national bekannt machten, begab man sich auf die Suche nach Alternativen. Vor vier Jahren hat man in der Genossenschaft Alhouda damit begonnen, Heilkräuter zu pflücken und diese zu verschiedenen Kosmetikprodukten zu verarbeiten. Diese seien gerade im Süden Marokkos sehr gefragt. „Der Vorteil ist, dass die Kräuter wenig Investitionen erfordern und sie quasi kostenlos sind. Wir suchen sie in den Wäldern, trocknen und verarbeiten sie“, so Sanae, die dann noch ergänzt, dass sie ein wenig Geld für ein kleines Distillationsgerät in die Hand nehmen mussten. Ein großes Gerät konnten sie im letzten Jahr dank einer staatlichen Förderung anschaffen. Mehrere Tausend Dirham würden sie im Jahr durch die Produkte auf Heilkräuterbasis dazuverdienen. Das helfe besonders in den Jahren, wo die Oliven gerade so für den eigenen Haushalt genügten. Selbst die Kräuter bleiben aber nicht verschont: Im vergangenen Jahr fiel kaum Regen, in den Wäldern wuchsen nur wenige Heilpflanzen.
Von den acht Kooperativen der Vereinigung haben sich inzwischen zwei auf Heilkräuter spezialisiert. Eine davon gibt es schon seit 10 Jahren – die Genossenschaft Azhar in Asjen. Ihre Präsidentin, Rabia, hat heute viel zu tun. Ihre Tochter hat ihr die lang ersehnte Pilgerreise nach Mekka finanziert – und die 65-Jährige steht schon seit frühem Morgen in der Küche, um für die Abfahrt am nächsten Morgen verschiedene Speisen vorzubereiten. Trotzdem findet Rabia Zeit, in der Ecke ihres großen Wohnraums, zwischen bunten Kissen und Holzbänken, Oliven, Öl und Brot auf dem kleinen Tisch zu servieren. Als die Olivenernte kaum noch Ertrag brachte, suchte Rabia nach Alternativen – und war die erste in der Provinz, die mit Heilkräutern arbeitete: Tees, Öle, Seifen. Rabia befüllt mit ihren von der Arbeit gezeichneten Fingern eine Tüte mit getrocknetem Thymian. „Als wir angefangen haben, nicht nur Heilpflanzen zu ernten, sondern diese gezielt anzubauen, wurden wir von den Männern ausgelacht“, erzählt die Frohnatur, deren Genossenschaft 15 Frauen zählt. „Sie sagten: Jetzt sind die Frauen komplett verrückt geworden, jetzt bauen sie schon Thymian an.“ Heute bauen auch Männer in der Gegend Thymian an.
Ihr eigener Mann habe sie zwar immer machen lassen, vor allem aber oft auf der faulen Haut gelegen, deshalb habe sie selbst das Geld für die Familie aufgetrieben, erzählt Rabia. „Arbeit, Arbeit, Arbeit“, ruft die Frau mit den freundlichen Gesichtszügen und dunklen Augen und schlägt dabei die Hände vor sich zusammen. Sie begann so wie Lachehad in jungen Jahren mit der Kaninchenzucht, später wurde die Genossenschaft in das Projekt von Onudi und nochmal später in die Vereinigung mit aufgenommen, so kam das Bio-Öl. „Ich wollte, dass es meine Kinder einmal besser haben“, sagt sie, die mit 15 ihr erstes Kind bekam und lange Jahre in ärmlichsten Verhältnissen lebte. Ein paar ihrer Kinder konnte sie viele Jahre später ein Studium finanzieren und das eigene Haus stetig vergrößern. Erst zuletzt sei wieder ein neuer Anbau dazugekommen – inzwischen allerdings nur dank der Hilfe ihrer Kinder. Seit drei Jahren bringt die Olivenernte nichts mehr ein, sie reicht gerade noch für den Eigenbedarf. 400 Liter Öl, in einem Jahr, die sie an die Familie verteile. Vorher waren es 1.000 Liter allein für den Verkauf, also 50.000 Dirham im Jahr – ein gutes Einkommen. Mit den Heilkräutern aus der Agroforstwirtschaft verdiene sie jetzt manchen Monat 3.000 Dirham, manchmal 1.000, manchmal aber auch gar nichts. Es ist ein knappes Auskommen. „Zum Glück arbeitet meine Tochter als Ärztin, sonst wäre es schwer“, sagt sie und ergänzt nach ein paar Sekunden: „Wir sind sehr unglücklich mit dem, was der Klimawandel mit unserer Natur macht.“
Aufgeben ist keine Option. Die Mutter und Großmutter macht einfach weiter: Neben dem Anbau von Thymian auf einer Fläche von einem Hektar, sammelt sie wilde Kamille in den Wäldern. „Meine Kinder sagen immer ‚Mama, du kannst jetzt ausruhen‘, aber ich kann nicht einfach rumsitzen. Wenn es irgendwo auch nur einen Dirham zu verdienen gibt, geh ich los“, sagt Rabia, und zeigt nebenbei noch einen selbst geflochtenen Teppich, den sie verkaufen will. Keine fünf Minuten später schiebt sie ihren Besuch aus der Tür. Sie will sich jetzt in Ruhe auf ihre Reise vorbereiten. „Wenn es ganz schlimm kommt, muss ich halt zurück an den Anfang und Kaninchen züchten“, sagt sie noch.
Es scheint als vertrauten die Frauen hier vor allem in eines: die eigene Widerstandskraft.
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