Unruhen in eSwatini: Aufstand gegen den König
In eSwatini, dem früheren Swaziland, schlägt der Staat nach Massenprotesten gegen König Mswati III brutal zurück. Die Opposition meldet viele Tote.
Die Sicherheitskräfte antworten mit tödlicher Gewalt. Seit Mittwoch schwärmt die Armee auf den Straßen aus und eröffnet das Feuer. Das Internet ist gesperrt. Zwischen 18 und 5 Uhr gilt eine komplette Ausgangssperre. „Dies ist eine bewusste Entscheidung, um die Rechtsstaatlichkeit zu bewahren und die Spannungen zu deeskalieren“, sagte Premierminister Thema Masuku.
Der oppositionelle Swaziland Youth Congress (SWAYOCO) berichtet von mindestens 21 Toten. Die Oppositionspartei People's United Democratic Movement (PUDEMO) meldete am Donnerstagnachmittag aufgrund gesammelter Angaben aus Krankenhäusern über 40 Tote, dazu 150 mit Schusswunden eingelieferte Patienten.
„Hunderte“ von Menschen seien von ihren Familien als vermisst gemeldet worden. „Das ist eindeutig inakzeptabel“, sagte PUDEMO-Präsident Mlungisi Makhanya. „Wer diese Akte des Völkermords angeordnet und umgesetzt hat, muss verhaftet, angeklagt und bestraft werden.“
Konkubine des Königs – ein Ausweg aus der Armut
Die Kritiker verlangen, dass der König seinen Platz zugunsten einer demokratisch gewählten Regierung räumt. Eswatini ist die letzte absolute Monarchie Afrikas. Makhosetive Dlamini, wie König Mswati III mit bürgerlichem Namen heißt, regiert eSwatini seit seiner Thronbesteigung im Jahr 1986 als sein Privateigentum. Es gibt keine gewählte Regierung, die Opposition darf sich nicht politisch betätigen, und die Verfassung der ehemaligen britischen Kolonie, die 1968 unabhängig wurde, ist seit 1973 suspendiert.
Die riesige Großfamilie des Königs ist eine Insel des Wohlstands in einem Meer der Armut, geprägt von hoher Jugendarbeitslosigkeit, Hunger und einer der welthöchsten HIV-Infektionsraten – 27 Prozent der erwachsenen Bevölkerung sind HIV-positiv. Mitten in der jüngsten Wirtschaftskrise kaufte der König für 24 Millionen US-Dollar 19 Rolls-Royce-Luxuslimousinen für seine Familie, darunter seine 15 Ehefrauen. Er hat schon eine Reihe von Mercedes- und BMW-Oldtimern und mehrere Privatjets auf einem Privatflughafen. Das Fotografieren der königlichen Wagenflotte ist verboten.
Die sehr traditionell geprägte Swazi-Gesellschaft nahm das lange hin. Jedes Jahr standen junge Mädchen zu Hunderten Schlange bei der jährlichen Zeremonie, bei der sich der König seine jeweils neue Konkubine aussucht – es ist der einzig sichere Weg aus der Armut.
Doch die Tötung des 25-jährigen Jurastudenten Thabani Nkomonye im Mai hat nun das Land in eine beispiellose Krise gestoßen. Die Proteste sind die größten in der Geschichte des unabhängigen Staates. Bei den Unruhen der 1990er Jahre, als Studenten und Gewerkschaften für politische Reformen eintraten, oder bei Wirtschaftsprotesten vor zehn Jahren brachten die Sicherheitskräfte die Lage unter Kontrolle. Heute ist das vorherrschende Gefühl „Genug ist genug“.
Viele Gerüchte um den Aufenthalt des Königs
„Wir sind nicht unsere Eltern, die zum Schweigen eingeschüchtert wurden“, sagt die 26-jährige Sandile Mambe in Mbabane. „Wir haben das Recht auf ein genauso schönes Leben wie die Kinder des Königs. Wir bitten bloß um Arbeit, damit wir unsere Zukunft gestalten können.“
Ein Universitätsstudent, der seinen Namen nicht genannt sehen will, ist optimistisch, dass die Regierung einknicken wird, aber er fürchtet auch ein Blutbad. „Die Grausamkeit der Soldaten ist wie die Tritte eines sterbenden Pferdes“, meint er. „Der König ist am Ende seiner Kräfte.“
Die Unklarheit der Lage wird dadurch genährt, dass der König durch Schweigen und Abwesenheit glänzt. „Der König muss sprechen und auf die Forderungen aus dem Volk eingehen“, sagt die Aktivistin Kiki Dlamini. „Die emaSwati haben unter seiner Diktatur zu lange gelitten. Was wir jetzt an Gewalt erleben, ist die Folge von jahrelanger Unterdrückung.“
Gerüchte gehen um, dass der König aus dem Land „geflohen“ ist. Die Opposition behauptete bereits Anfang der Woche, Mswati III halte sich in Südafrika auf. Dort hat er familiäre Bindungen zum traditionellen Zulu-Königtum, das zufällig gerade nach dem Tod von König Goodwill Zwelithini und Königin Mantfombi Dlamini-Zulu in inneren Machtkämpfen steckt. Die verstorbene Zulu-Königin war die Schwester des Swazi-Königs Mswati III; sie sind beide Kinder des ersten Königs von Swaziland nach der Unabhängigkeit 1968.
Am Mittwoch wurde dann behauptet, Mswati III halte sich in Mosambik „versteckt“. Wieder andere Gerüchte behaupteten, er habe sich in einer Edelvilla in Simbabwes Hauptstadt Harare niedergelassen.
Südafrikas oppositionelle Democratic Alliance (DA) hat die Regierung und die Regionalorganisation SADC (Southern African Development Community) zum politischen Eingreifen in eSwatini aufgefordert. „Es ist von kritischer Bedeutung, dass Südafrikas Regierung und SADC Vermittlung zwischen der Monarchie und den Protestführern anbieten“, sagte DA-Schattenaußenminister Darren Bergman. Ein Sprecher des südafrikanischen Außenministeriums rief die Sicherheitskräfte eSwatinis zu „völliger Zurückhaltung und Schutz von Leben und Eigentum“ auf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau