Unruhen in Kasachstan: Truppen nach Almaty
Kasachstan ruft den Bündnisfall aus. Und die ODKB schickt promt russische „Friedenstruppen“. Das hat es zuvor nicht gegeben.
Das Hilfsgesuch des kasachischen Präsidenten Kassym-Schomart Tokajew, dessen Land seit Tagen von schweren Protesten erschüttert wird, ging am Mittwochabend bei seinen Verbündeten ein.
Die positive Antwort erfolgte postwendend: „Angesichts dessen, dass die nationale Sicherheit und Souveränität der Republik Kasachstan, auch durch eine Einmischung von außen, bedroht sind, stimmt die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (ODKB) zu, Friedenstruppen für einen begrenzten Zeitraum und zwecks Stabilisierung und Normalisierung nach Kasachstan zu entsenden“, schrieb Armeniens Regierungschef Nikol Paschinjan auf Facebook.
Am Donnerstag meldeten verschiedene Nachrichtenagenturen, dass Russland Fallschirmjäger in das zentralasiatische Land verlegt habe.
Die ODKB wurde vor 30 Jahren gegründet. Neben Russland als Führungsmacht gehören dem Bündnis auch noch Belarus, Armenien, Kasachstan, Kirgistan und Tadschikistan an. Derzeit hat Armenien den Vorsitz inne. Eine erste gemeinsame Militärübung fand 2021 statt. Seitdem gab es mehrere Manöver – vor allem unter dem Label von Anti-Terror-Bekämpfung.
ODKB macht sich rar
Grundlage des Einsatzes in Kasachstan, des ersten in der Geschichte der ODKB überhaupt, ist der Artikel 4. Dieser sieht vor, dass im Falle eines Angriffs auf eines der Mitglieder, der die Sicherheit, Stabilität, territoriale Integrität und Souveränität bedroht, Truppen entsandt werden können. Offiziellen Angaben zufolge beläuft sich die Anzahl der Friedenstruppen auf 3.600 Mann. Daneben gibt es auch noch eine schnelle Eingreiftruppe. Die Hauptaufgaben sind, Waffenstillstände zu überwachen und zur Konfliktentschärfung beizutragen.
Bereits zweimal hat die ODKB ein Eingreifen abgelehnt. So geschehen im Falle Kirgistans 2010. Im Juni war es im Süden des Landes zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Kirgisen und Angehörigen der usbekischen Minderheit gekommen. Dabei kamen, Schätzungen zufolge, bis zu 2.500 Menschen ums Leben.
Auch im Zuge der Nachwirkungen des Krieges zwischen den Südkaukasusrepubliken Armenien und Aserbaidschan 2020 glänzte die ODKB durch vornehme Zurückhaltung. Das Bündnis könne nur im Falle eines Angriffs tätig werden, sagte der ODKB-Generalsekretär Stanislav Zas im August 2021 vor Journalisten.
Erste Kritik an dem Einsatz wurde bereits am Mittwoch laut: „Eine absolut falsche Entscheidung, das Militär in ein Nachbarland zu holen, zitiert eurasianet.org den Chef der unabhängigen Medienplattform Vlast.kz, Wjatschewslaw Abramow. „Die letztendlichen Konsequenzen dieses Fehlers kann man sich derzeit überhaupt nicht ausmalen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen