Unruhen in Frankreich: 150 Angriffe auf Rathäuser

Angesichts zahlreicher Angriffe auf Rathäuser seit Beginn der Unruhen rufen Bürgermeister zu Solidarität auf. Die Nacht zu Montag verlief vergleichsweise ruhig.

Krawalle in Frankreich

Ausschreitungen in Nanterre Ende Juni Foto: Christophe Ena/AP/dpa

NANTERRE afp | Nach den tagelangen Krawallen in Frankreich infolge des tödlichen Schusses eines Polizisten auf einen 17-Jährigen hat sich die Lage in der Nacht zum Montag offenbar etwas beruhigt. Nach Angaben des Innenministeriums wurden keine größeren Vorfälle gemeldet, bis 01.30 Uhr wurden landesweit 78 Festnahmen gezählt. Präsident Emmanuel Macron will sich wegen der Ereignisse mit den Parlamentspräsidenten beraten. Angesichts Dutzender Angriffe auf Rathäuser sowie mindestens ein Wohnhaus eines Bürgermeisters rief die Vereinigung der Bürgermeister derweil zu Solidaritätskundgebungen auf.

Nach Angaben des Elysée-Palasts wird Macron am Montag die Präsidentin der Nationalversammlung, Yaël Braun-Pivet, und den Präsidenten des Senats, Gérard Larcher, empfangen. Am Dienstag sei dann ein Treffen mit den Bürgermeistern von mehr als 220 Gemeinden geplant, in denen es Ausschreitungen gegeben habe. Macron habe zudem Premierministerin Elisabeth Borne gebeten, am Montag die Vorsitzenden der Fraktionen im Parlament zu empfangen.

Macron wolle mit einer „sorgfältigen und längerfristigen Arbeit beginnen, um die Gründe, die zu diesen Ereignissen geführt haben, gründlich zu verstehen“, erklärte das Präsidialamt. Die Regierung wolle erst die Ereignisse analysieren und dann Schlussfolgerungen ziehen. Neben Macron und Borne nahmen sieben Ministerinnen und Minister an dem Krisentreffen am Sonntagabend teil. Binnen 48 Stunden soll die nächste Krisensitzung stattfinden.

Die Vereinigung der Bürgermeister Frankreichs rief für Montagmittag zu Solidaritätskundgebungen vor allen Rathäusern des Landes auf. Seit Dienstag seien 150 Rathäuser oder Gemeindegebäude angegriffen worden, sagte der Verbandsvorsitzende David Lisnard.

Schüsse auf Polizisten

Die dritte Nacht in Folge waren landesweit 45.000 Sicherheitskräfte im Einsatz. In den fünf vorhergehenden Nächten wurden laut Innenministerium insgesamt rund 5000 brennende Autos, 10.000 brennende Mülleimer, fast 1000 in Brand gesetzte oder beschädigte Gebäude sowie 250 Angriffe auf Polizeiwachen gezählt.

Mehr als 700 Sicherheitskräfte wurden verletzt. In Paris wurden zwei Polizisten von „Bleikugeln ähnelnden“ Geschossen getroffen, wie aus Polizeikreisen verlautete. Im südfranzösischen Nîmes überlebte ein Polizist einen Schusswaffenangriff in der Nacht zum Samstag nur dank seiner kugelsicheren Weste.

Der 17-jährige Nahel M. war am Dienstag von einem Polizisten bei einer Verkehrskontrolle in der Pariser Vorstadt Nanterre erschossen worden. Der Jugendliche, dessen Familie aus Algerien stammt, wurde am Samstag in seiner Heimatstadt Nanterre beigesetzt. Der mutmaßliche Schütze befindet sich in Untersuchungshaft, die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Totschlags gegen ihn.

Seit Nahels Tod kam es vor allem in Pariser Vorstädten, aber auch in vielen anderen Städten und Gemeinden zu gewaltsamen Protesten, die zuletzt etwas nachließen. Die Großmutter des Opfers hatte am Sonntag zur Beendigung der gewaltsamen Proteste aufgerufen.

Für Entsetzen sorgte am Sonntag ein nächtlicher Anschlag auf das Haus des Bürgermeisters der im Großraum Paris liegenden Gemeinde L'Haÿ-les-Roses, Vincent Jeanbrun. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen „Mordversuchs“. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft drang ein brennendes Fahrzeug auf das Grundstück vor. Offenbar sollte es das Haus in Brand setzen, doch wurde es laut dem Staatsanwalt von einer kleinen Mauer gestoppt.

Am Sonntagabend teilte das Rathaus der Gemeinde Charly südlich von Lyon mit, dass am Morgen am Haus des Bürgermeisters etwas gefunden worden sei, das „zweifellos“ dazu bestimmt gewesen sei, einen Brand auszulösen.

Die anhaltenden Unruhen haben Macrons Regierung nach den Protesten der Gelbwesten und gegen seine Rentenreform in eine weitere schwere Krise gestürzt. Am Samstag sah sich der Präsident gezwungen, seinen ab Sonntag geplanten Staatsbesuch in Deutschland abzusagen.

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