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Unruhen auf KubaStudentenproteste gegen neue Mobilfunktarife

Öffentliche Proteste in Kuba sind selten. Doch jetzt wüten Stu­den­t:in­nen wegen der massiven Telefonpreiserhöhungen des staatliche Monopolisten.

Hilfe holen per Handy kann teuer werden: Ku­ba­ne­r*in­nen leiden unter massiven Telefonpreiserhöhungen Foto: Jason Wells/imago

Berlin taz | Versammlungen, öffentliche Stellungnahmen und unbefristete Streiks: So etwas hat es an kubanischen Universitäten seit der Revolution von 1959 noch nicht gegeben. Anfang Juni war es aber soweit. Der Auslöser: ein neues Tarifmodell des staatlichen Telekommunikationsanbieters Etecsa, das am 30. Mai angekündigt worden war.

Es greift denen tief in die Tasche, die viel online sind, Filme über das Mobiltelefon konsumieren oder Daten herunterladen. Das trifft überproportional stark auf Stu­den­t:in­nen zu tun. Eine heißt Tania Kirenia. Sie ist 21 Jahre alt und Medizinstudentin aus Havanna und schaut liebend gern online Filme über Netflix. Dafür hat sie von ihrem Vater einen Etat von 1.500 Peso cubano, nach offiziellem Umrechnungskurs rund zwölf US-Dollar, erhalten.

Doch der reicht nach den Preiserhöhungen durch das kubanische Monopolunternehmen nicht mehr aus. Seit dem 1. Juni gilt der Grundtarif von 360 Peso cubano, laut offiziellem Wechselkurs rund drei US-Dollar. Dafür erhält die Kundin 6 Gigabyte Datenvolumen. Bei vielen Usern sind die schnell weg. Durchschnittlich verbrauchen laut offiziellen Daten Nut­ze­r:in­nen zehn Gigabyte im Monat.

Nach den ersten sechs Gigabyte wird es nun richtig teurer. Die Kosten für die zusätzlichen Angebote, die auf offiziellen Kanälen wie Cubadebate vorgestellt wurden, kosten teilweise mehr als ein Durchschnittseinkommen von etwa 6.000 Pesos cubano. Zusätzliche drei Gigabyte kosten 3.360, für sieben Gigabyte müssen 6.720 bezahlt werden und für 15 Gigabyte verlangt die Etecsa astronomische 11.760 Pesos cubano.

Polizeieinheiten auf dem Campus

Die vom kubanischen Monopolunternehmen aufgerufenen Preise hätten keinerlei Bezug zu den kubanischen Lebenshaltungskosten, kritisieren nicht nur Ökonomen wie Omar Everleny Pérez sondern auch Künstler und Intellektuelle.

In Holguín ganz im Osten der Insel kursierte ein offener Brief, unterzeichnet von einer ganzen Reihe von Intellektuellen, die sich mit den Protesten an 21 Universitäten des Landes solidarisierten. Dort wurden kritische Erklärungen verlesen und teilweise gestreikt. Daraufhin tauchten nicht nur in Santa Clara im Zentrum der Insel Polizeieinheiten auf dem Campus auf.

Allerdings hat der staatliche Konzern auch nachgebessert: Stu­den­t:in­nen dürfen jetzt zwei Pakete á 6 Gigabyte zum Preis von 720 Peso cubano, nach offiziellem Währungskurs sechs US-Dollar, erwerben. Das Angebot wurde von vielen Stu­den­t:in­nen zwar als unzureichend zurückgewiesen, aber mittlerweile ebben die Proteste ab. Nicht nur den Stu­den­t:in­nen ist klar, dass die massiven Preiserhöhungen mit staatlicher Billigung erfolgen, weil mit ausbleibenden Tourismus die Einnahmen schmilzen.

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7 Kommentare

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  • Überschrift und Bild suggerieren Kommunikation und Notrufe, tatsächlich geht es um hemmungsloses Glotzestarren auf Netflix. Mobilfunk ist keine Handarbeit, der kann auch in Billiglohnländern nicht günstiger sein. Von sechs Gigabyte für unter drei Euro im Monat können wir hier nur träumen.



    Bei einer Medizinstudentin würde mich eher der Zugang zu teurer Fachliteratur interessieren. In Deutschland liest jeder eingeschriebene Student fast jede Fachzeitschrift in der PDF-Ausgabe kostenlos und zahlreiche Bücher ebenso. Ist das auf Kuba auch so oder sind Studenten und Wissenschaftler dort benachteiligt? Das wäre interessanter zu wissen, zumindest für manche. Als langjähriger Tutor kenne ich genug deutsche "Studenten", für die Filmchenglotzen wichtiger ist als Lesen. Und dann sind einfachste Klausuren natürlich "viel zu schwer".

    • @Axel Berger:

      Waren Sie schonmal auf Kuba?



      Auf mich wirkt es, als würden sie doch ziemlich arg generalisieren. In einem Land, in welchem es an vielem mangelt, ist Zerstreuung vielleicht eine wichtigere Ressouce als wir uns hier in Europa vorstellen können. Es wäre auch vorstellbar, dass bei solchen Protesten gegen Preiserhöhungen andere Unzufriedenheiten eine Rolle spielen. Natürlich in anderem Maße, als sich in einem Kommentar unter einem Artikel über kubanische Studierende über die eigenen Studierenden aus dem eigenen Tutorium aufzuregen, aber sicherlich sind Übertragungsprozesse in beiden Fällen möglich. ;-)

      • @Aníbal Quijano:

        Die Technik stammt vom Weltmarkt. Sie kostet, was sie kostet. Wenn es für den Endverbraucher billiger wird, dann durch staatliche Subventionen aus den Steuern anderer Leute. Glauben Sie wirklich, in einem Land, in dem es an so vielem mangelt, fände der Staat keine besseren Zwecke für seine sehr begrenzten Mittel als ausgerechnet diesen?



        Wie der Artikel sagt, bleiben sehr großzügige 6 Gigabyte trotzdem billig. Teuer wird es nur für wirklich exzessive Binge Viewer. Auf was möchten Sie gern verzichten, um genau die zu bezuschussen?

    • @Axel Berger:

      " Von sechs Gigabyte für unter drei Euro im Monat können wir hier nur träumen". Und die Kubaner können von unseren Durchschnittslöhnen nur träumen. 6.000 Pesos cubano Durchschnittslohn sind 217,30 Euro. Unser ist fast 24 mal so hoch. Die bekommen nix geschenkt.

      • @Andreas J:

        Nicht ganz, der offizielle Kurs ist nicht der informelle Kurs, der liegt zwischen 300 und 400 peso pro Dollar. Damit können sie sich dann ausrechnen bzw. vorstellen, was es bedeutet dort zu leben. Das Land und die Menschen sind dennoch wunderbar! :)

      • @Andreas J:

        Und, starren Sie in Netflix? Ich nicht. Und ich möchte, daß der Staat, jeder Staat, die eingenommenen Steuern für sinnvolleres ausgibt, als so etwas zu subventionieren.

        • @Axel Berger:

          Entspannen Sie sich mal und lassen sich die Fakten und Argumente durch den Kopf gehen. Ist ja schlimm.