Unmut über Real Madrid: Königliche Pechsträhne
Real Madrids schwache Leistungen sorgen für Unmut bei den Fans. Jedoch gilt nicht unbedingt Trainer Bernd Schuster als Verantwortlicher der Krise.
MADRID taz Es war das Ende eines turbulenten Wochenendes für den Vorsitzenden von Real Madrid, Ramón Calderón. "Rücktritt! Rücktritt!" schallte es dem 57-Jährigen, der seit 2006 dem spanischen Rekordmeisters vorsteht, im heimischen Stadion entgegen. Seine Königlichen verloren 3:4 gegen den FC Sevilla. Nach einer ganzen Reihe schwacher Leistungen gegen zweitrangigen Clubs wie Getafe, Valladolid oder Almeria muss sich die Elf aus der Hauptstadt mit Platz fünf der Tabelle zufrieden geben.
Real Madrid liegt damit nur eine Woche vor dem Spitzenspiel gegen den FC Barcelona neun Punkte hinter den Katalanen. Im Pokal sind die Weißen bereits im Achtelfinale gegen den Drittligisten Real Union Irún ausgeschieden. Und in der Champions League kann Real mit der bisher gezeigten Leistung nur durch ein Wunder die nächste Runde überstehen.
Der Unmut gegen Calderón machte sich lange vor dem Anpfiff Luft. Real Madrid hatte am Wochenende über 1 000 Wahlmänner zu einer Versammlung gerufen. Zwar erzielte der Vorstand eine knappe Mehrheit für die Entlastung des Kassenwarts und für den neuen Vereinshaushalt, doch die Spaltung innerhalb der Mitgliedschaft war deutlich spürbar. Der Vorstand Calderóns füllte die Zuschauerränge mit treuen Anhängern und radikalen Fanclubs. Jeder kritische Beitrag wurde niedergebrüllt, die Forderung nach einer Abstimmung an den Urnen statt mit erhobener Hand, wurde selbst dann noch abgelehnt, als sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Kritikern und Unterstützern abzeichnete. Nach Angaben des Vorstands hat der spanische Rekordmeister bei einem Umsatz von knapp 370 Millionen Euro einen Gewinn vor Steuern von 51 Millionen Euro. Der Kassenbericht sei geschönt, behauptet die Opposition.
"Das Geld gehört nicht auf die Bank, sondern aufs Spielfeld", lautete die Kritik eines der Delegierten, mit der er vielen der Madridistas aus der Seele spricht. In den Augen der Kritiker haben Calderón und sein Sportdirektor Petja Mijatovic im Sommer beim Einkauf sträflich versagt. Sie konzentrierten sich ganz auf den Portugiesen Cristiano Ronaldo. Doch dieser blieb am Ende bei Manchester United. Einen Plan B hatte Calderón nicht. Außerdem verließen wichtige Spieler wie der Brasilianer Robinho den Club. Das rächt sich jetzt. Trainer Bernd Schuster hat eine dünne Personaldecke. Ausfälle durch schwere Verletzungen, wie die des Torjägers Ruud van Nistelrooy, sind nicht zu kompensieren, zumal Calderón auch den Nachwuchs vernachlässigt. Anstatt die jungen Spieler an die erste Mannschaft heranzuführen, werden sie an andere Vereine verliehen. Dies ist ein Erbe aus der Zeit des Vorgängers Calderóns, Florentino Pérez. Er wollte eine "galaktische" Mannschaft voller großer Namen.
Schuster soll sich, so die Sportpresse, wegen dieser Personalpolitik wiederholt mit Mijatovic gestritten haben. Vergebens. Auch der Neuzugang des niederländischen Nationalspielers Jan Huntelaar von Ajax Amsterdam, der vergangene Woche der Presse vorgestellt wurde, dürfte das Dilemma kaum beheben. Zumal der ehemalige Ajax-Stürmer noch einen Bänderriss am linken Fußgelenk auskuriert. "Was für ein Tag", stöhnte gestern die spanische Sportzeitung AS. El País sieht gar ein "Madrid im freien Fall". Keiner traut Schuster und den Seinen zu, die Pechsträhne von Real Madrid zu beenden. Es liegen Welten zwischen dem unkoordinierten Spiel der Königlichen und dem brillanten Fußball von Tabellenführer FC Barcelona. "Keine Mannschaft spielt so gut, keine hat diese Präzision, diesen Vorwärtsdrang und diesen Siegeshunger", schreibt das ansonsten Real-Madrid-treue Sportblatt Marca. Und auch Trainer Bernd Schuster scheint die Ehrfurcht vor dem nächsten Gegner gepackt zu haben. "Es ist unmöglich gegen Barcelona zu gewinnen. Wir werden versuchen einen guten Eindruck abzugeben. Mehr ist nicht drin", erklärte der Real-Coach.
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