Universität Bremen will Storim nicht mehr: Linkes Seminar abgewickelt

Studierende protestieren, weil das Institut für Politikwissenschaft den Lehrauftrag von Fritz Storim nicht verlängert hat. Das klagt über mangelnde Wissenschaftlichkeit.

Fritz Storim in Aktion: Wenigstens der Marktplatz kann ihm nicht verwehrt werden. Bild: Archiv

BRENEN taz | Seit 1992 bietet der Physiker Fritz Storim an der Bremer Universität sein Seminar an, das zuletzt „(Neue) Technologien, Menschenbild und Ethik vor dem Hintergrund der Liberalisierungs- und Globalisierungs-Offensive“ hieß. Nachdem sich fast alle der alten linken Professoren und Professorinnen in den Ruhestand verabschiedet haben, ist Storims Veranstaltung eine der letzten ihrer Art.

Es geht um „Wissen als Ware“, „Leben und Sterben als Ware“, „Kommunikation als Sabotage an den herrschenden Verhältnissen“, um „Gen- und Reproduktionstechnologien“, um „die totale Überwachung“, um „patriarchale Macht in der Körpersprache des HipHop“ und um „Versuche, ’selbstbestimmte‘ Kommunikations-/Lebensformen zu entwickeln/zu leben, soziale Räume einzurichten und zu verteidigen“, wie es in der Beschreibung des Seminars heißt.

Der Leiter des Instituts für Politikwissenschaft, Philip Manow, nennt diese Sammlung von Stichworten „wirr“, sie nähren seinen Zweifel an der Qualität der Lehrveranstaltung, schreibt Manow. Deshalb habe sein Institut entschieden, Storim ab dem Sommersemester nicht mehr zu beschäftigen.

Um Geld geht es nicht. Es ist schon lange her, dass die Uni Storim für seine Arbeit bezahlt hat. Das Seminar war immer fachübergreifend, offen für alle, die den Ansatz einer „kritischen Wissenschaft“ interessant fanden, der früher von vielen Lehrenden verfolgt wurde. Die Behindertenpädagogik hat Storim unterstützt, bis sie in ihrer alten Form abgewickelt wurde, oder die Erziehungswissenschaft – die es so auch nicht mehr gibt.

Zuletzt also die Politikwissenschaft, der der Lehrauftrag Semester für Semester „durchgerutscht“ sei, wie die Geschäftsführerin des Instituts, Betina da Rocha, sagt. „Wir dachten, das sei ein Seminar, das für unsere Studierenden offen sei“, nicht aber vom Institut selbst veranstaltet werde. Als nun auffiel, dass das der Fall ist, sei Schluss gewesen. „Solche Seminare passen nicht nur nicht zur Bremer Uni, sondern zu keiner, die ihren wissenschaftlichen Anspruch ernst nimmt“, sagt Manow.

Rocha glaubt, es sei nur von einer „festen Gruppe von Leuten“ besucht worden, einem „fast sektenmäßigen Kreis“. Überprüft haben die beiden ihren Verdacht nicht. Sie waren weder im Seminar, noch haben sie mit Storim ausführlich über die Vorwürfe gesprochen. Dafür haben sie ihm einen E-Mail-Wechsel weitergeleitet, in dem sich eine Studentin über seine Seminarführung beklagt – und Manow ihr ohne Nachfragen zustimmt. Sie kritisiert ein beliebiges Sammelsurium von Themen, fehlende Strukturierung durch den Seminarleiter und eine schlichte Argumentation.

Tatsächlich wird es nicht die intellektuelle Schärfe sein, die jedes Semester wieder 20 bis 30 Studierende verschiedener Fächer anzieht. „Wir bekommen Denkanstöße“, sagt der 20-jährige Student Lukas, der im Wintersemester daran teilgenommen hat und seinen Nachnamen nicht öffentlich machen möchte. Und: „Wir Studierenden können die Inhalte mitbestimmen, da steht nicht einer vorne, der uns sagt, wo es langgeht.“ Sie würden viel diskutieren, auch kontrovers. Das sei in fünf Semestern Politikwissenschaft viel zu kurz gekommen. „Da käuen wir Texte wieder und wenn man was Kritisches über den Staat sagt, dann heißt es, ’der Theorieansatz passt hier jetzt nicht‘.“

Eine andere Studentin, die sich wie Lukas dafür einsetzt, dass das Seminar weiter stattfinden kann, schätzt den Austausch mit Studierenden anderer Disziplinen. In ihrem Master-Studium der Transkulturellen Studien könnten Studierende auch die Inhalte mitbestimmen, sagt die 27-jährige Milena. Aber bei Storim ginge es noch stärker um Fragen, wie Gesellschaft verändert werden kann. „Wir fragen, warum der Wohlstand nicht anders verteilt wird.“

Storim ist wütend über die Art, wie das Institut ihn abgefertigt hat. Das Seminar will er fortsetzen. Ohne zu benoten, denn das widerspricht seiner Vorstellung von exzellenter Lehre.

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