Unicef-Provisionsskandal: Bessermenschen in Not
Nach den Vorwürfen über Misswirtschaft steckt Unicef in einer Vertrauenskrise. Tausende Dauerspender haben ihr Geld zurückgezogen. Wohin jetzt damit?
Spenden ist eine Tugend, die bester christlicher Weltanschauung entstammt. Eine milde Gabe für die Armen, Almosen für die Mühseligen und Beladenen im Namen der Nächstenliebe. Amen? Wer Geld spendet, wie die Psychologie weiß, tut das für sich selbst. Wer gegeben hat, weiß sich nicht mehr ganz so egoistisch - mehr noch: Wer gibt, der überreicht einem Bedürftigen etwas, was er selbst nicht akut benötigt, und festigt obendrein die gesellschaftliche Stellung. Denn in jeder Gabe steckt auch die Botschaft: Ich habe - du hast nicht.
Jede Hilfsorganisation, auch und gerade die seit Tagen anrüchig wirkende Organisation Unicef, weiß um diese Seelenpein: Menschen in unseren Kulturkreisen schämen sich stets ein wenig dafür, mehr zu haben als andere und wollen dies aber zugleich auch nicht anders haben. Also spenden sie lieber, als dass sie sich für egalitäre Chancen im gesellschaftlichen Mustopf engagieren.
Der Spendermarkt ist ein beinhart umkämpfter. Um Mitleid, Mitgefühl und Solidarität kämpfen viele - das weiß das alternative Milieu sehr genau, und die taz selbstverständlich auch. Denn Geld wollen alle, weil mit Geld eben alle Mühe leichter fällt.
Unicef hat seit den von der Expolitikerin Heide Simonis publik gemachten Schummeleien 5.000 seiner insgesamt 200.000 Dauerspender verloren. Eine alarmierende Verlustquote von 2,5 Prozent, die sich die Zentrale dieses Vereins, beheimatet in Genf, nicht weiter bieten lassen möchte.
Hinter dieser Quote steckt freilich auch ein Trend, der wenig mit den Querelen bei Unicef zu tun hat. Mehr und mehr Menschen möchten ihr Geld keinem karitativ tätigen Multi anvertrauen, sondern lieber zweckgebunden Vereinen und Organisationen, denen sie zutrauen, dass die Spendengelder auch garantiert bei Hilfsbedürftigen wirksam ankommen. Die Oderflut 1997 hat tatsächlich ein gigantisches Spendenaufkommen generiert - viele der Gutwilligen mokierten sich allerdings hernach, dass manche Summe Richtung Polen oder Tschechien sinnvollerweise umgeleitet wurde. Andererseits war dieser nationalistisch aufgeheizte Ärger nur eine Bagatelle: Deutsche spenden gern, unabhängig von Klasse und politischer Selbsteinschätzung. Die einen geben Bettlern und Zeitungsverkäufern, andere U-Bahn-Musikern nur dann, wenn sie lieblich Blockflöte spielen, auf jeden Fall kein enervierendes Akkordeon. Die einen fühlen sich von "Ein Herz für Kinder" der Bild-Zeitung animiert, andere durch Kampagnen alternativer Medien wie "Waffen für El Salvador".
Tatsächlich wirken sich die - zutreffenden oder irrigerweise beanstandeten - Unzuverlässigkeiten bei Unicef langfristig verheerend aus. Denn wer spendet, will dies ja nicht für Geschäftsführergehälter oder Honorare tun, sondern eben den Bedürftigen direkt helfen - auch wenn ein durchschnittlicher Verstand wissen kann, dass jeder im Sinne der Güte tätige Verein auf Werbung angewiesen ist und obendrein auf einen Verwaltungsapparat, der die eingesammelten Gelder sinnvoll verteilt.
Der soll ja auch die Spendenquittungen ausstellen, welche die Geber gerne haben möchten. Denn ohne Garantie, die Spende bei der Steuer abzugsfähig geltend zu machen, gibt in Deutschland fast niemand gern.
Jackpot geknackt?
Blöd war nur, dass die Milliarden, die weltweit nach der Tsumamikatastrophe gespendet worden waren, oft nicht ankamen. Oder wiederum die Empfänger an den Säumen des Indischen Ozeans belohnten, als hätten sie in einer Lotterie den Jackpot geknackt. Es wurde quasi zu viel Leidempfinden in Geld ausgedrückt als es konkretes Unglück gab.
Probleme, die allenfalls verstören, aber grundsätzlich einen Aspekt ungelöst lassen: Wäre es nicht besser, ganz unchristlich die Bettler nicht mit Almosen zu bedenken, sondern von der Annahme auszugehen, dass sie eigentlich nicht von Spenden abhängig sein wollen? Allein: In der christlichen Idee des Mitgefühls für Bedürftige liegt nicht geborgen, dass ein Armer immer ein wenig um seine Würde gebracht wird, schenkt man ihm auch nur Krümel, geschweige denn eine ganze Bäckerei.
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