Uni Lübeck will Schavan auszeichnen: Ehrung mit Geschmäckle
Lübecks Uni will die Bundesbildungsministerin auszeichnen. SPD-Politiker erkennen darin Wahlkampf. Die Geehrte selbst will nun ein Jahr warten.
HAMBURG taz | Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) steht vor ihrem vierten Doktortitel - und es ist wohl der mit dem größten politischen Aufreger-Potential: Die Universität zu Lübeck möchte der CDU-Ministerin den Titel ehrenhalber verleihen. Geplant war das für Anfang April - wenige Wochen vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein. Darüber ereifern sich SPD-Politiker im Land, aber auch auf Bundesebene. Schavan reagiert auf diese Kritik: Sie will die Ehrung erst ein Jahr später entgegennehmen.
Der Doktortitel hat auch deshalb politische Sprengkraft, weil er an den Kampf der Hochschule um ihre Existenz erinnert. Denn der Kern der Uni, der Medizinstudiengang, stand 2010 auf einer Streichliste des schwarz-gelben Kieler Kabinetts. Schavan verhinderte die Schließung: Über Umwege ließ sie Schleswig-Holstein zusätzliche Bundesmittel zukommen. So erreichte die Landesregierung ihr Sparziel, aber die Uni konnte trotzdem weiter bestehen. Unter anderem wurde das Kieler Geomar-Zentrum für Meeresforschung umgewandelt: Zuvor ein Leibniz-Institut, zählt es heute zur Helmholtz-Gesellschaft. Der Clou: Nun trägt das Bundesland nur noch nur zehn Prozent der Kosten, bei einem Leibniz-Institut wären es 50 Prozent gewesen.
Noch recht verhalten reagierte am Dienstagabend der bildungspolitischer Sprecher Kieler SPD-Landtagsfraktion, Martin Habersaat, auf die geplante Auszeichnung: Das sei "ein interessanter Zeitpunkt, der aus Sicht des Wahlkämpfers zu kritisieren sein könnte", schrieb er in einer Mitteilung. Wenn der Preis für die Rettung der Lübecker Uni ein Ehrendoktorhut für Frau Schavan sei, so Habersaat, "sei er ihr gegönnt".
Annette Schavan (CDU), Bundesbildungsministerin, studierte Theologie, Philosophie und Erziehungswissenschaften.
Den wissenschaftlichen Doktortitel erwirbt Schavan 1980 für ihre Dissertation an der Uni Düsseldorf im Fach Theologie. Thema: "Person und Gewissen. Studien zu Voraussetzung, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung".
Den ersten Dr. h.c. erhielt Schavan 2009 von der Universität Kairo für ihre "Verdienste um die ägyptisch-deutsche Zusammenarbeit".
Den zweiten Dr. h.c. verlieh ihr die Hebräische Universität Jerusalem im Jahr 2011 für "ihre Leistungen für die deutsch-israelische Zusammenarbeit".
Den dritten Dr. h.c. verleiht ihr die Universität zu Lübeck 2013.
Als Honorarprofessorin für Katholische Theologie an der FU Berlin darf sie auch den Titel "Professor" führen.
Die Zeitungen im Land berichteten über Habersaats Kritik. Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter äußerten sich auch SPD-Landeschef Ralf Stegner: Er schrieb von "Amigos im Norden" und mutmaßte: "wetten, de Jager steht daneben und strahlt". Jost de Jager ist Wissenschaftsminister und CDU-Spitzenkandidat bei der anstehenden Wahl im Mai. In Anspielung auf den umstrittenen Bundespräsidenten Christian Wulff sah Stegner gar den "neuen Zeitgeist von Bellevue" auch durch Schleswig-Holstein wehen.
De Jagers Sprecher sagte auf taz-Anfrage, dass der Minister nicht selbst am Jahresempfang der Universität teilnehmen werde - allerdings sei eine Visite von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) geplant.
Deutlicher noch als Stegner wurde der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann: "Es ist nicht statthaft, wenn die amtierende Ministerin für Bildung von einer deutschen Universität einen Ehrendoktor erhält." Das erwecke den Anschein, die Universität wolle sich das Wohlwollen Schavans erkaufen.
Derweil erklärte sich der Sprecher der Universität, Rüdiger Labahn: Die Verleihung von Ehrendoktor würden sei stets an den Jahresempfang gekoppelt worden. Und der finde traditionell zum Beginn des Sommersemesters statt, also Mitte April. Den Ehrendoktor erhalte Schavan auch, weil sie Gesundheits-Forschungszentren ins Leben gerufen habe und sich für den Wissenschaftscampus Lübeck "BioMedTec" engagiere, so Labahn. Auf die SPD-Vorwürfe wollte er nicht eingehen: "Twitternachrichten von Politikern im Wahlkampf lassen wir grundsätzlich unkommentiert."
Ganz so locker wie die Uni-Leitung sah Schavans Ministerium den Fall wohl nicht: Die Ministerin Schavan werde die ihr von der Universität Lübeck angetragene Ehrendoktorwürde annehmen, teilte ihr Haus am Nachmittag mit - allerdings nicht am 13. April. "Sie hat mit der Universität Lübeck vereinbart, dass die Verleihung auf die Jahrestagung im nächsten Jahr verschoben wird", teilte ein Sprecher mit. Warum? "Es wäre schade, wenn die Verleihung einer akademischen Auszeichnung zu Wahlkampfzwecken instrumentalisiert würde."
SPD-Mann Habersaat freut sich über Schavans Terminentscheidung: 2013, sagt er, sei die Verleihung halb so wild.
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