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Uni Hannover schließt StudiengangKunst nur im Pendel-Studium

Wer in Hannover Kunst als Teilfach studiert, soll dafür nun nach Braunschweig pendeln. Studierende wollen aber wenigstens noch zu Ende studieren.

In Braunschweig Kunst studiert: Sven-Julien Kanclerskis Skulptur „Skywalker“ im Kunstverein Hannover Foto: Mathias Völzk

Hannover taz | Die Stimmung sei zickig gewesen. So beschreibt Johanna Winter, Masterstudentin im Fach Lehramt für Sonderpädagogik an der Leibniz Universität Hannover (LUH), ein entscheidendes Gespräch mit der Studiendekanin der Philosophischen Fakultät und der Vizepräsidentin für Lehre und Studium vor Weihnachten. Es ging um die Zukunft des Teilstudiengangs Kunst.

Studierenden wurde erklärt, dass Verantwortliche der LUH und der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig (HBK) ihre Köpfe zusammengesteckt hätten. Dabei sei eine Kooperation zwischen den Lehrstätten in der Kunst herausgekommen. In der Praxis heißt das, dass das Fach in Hannover dichtgemacht werden soll, wenn es nach dem Präsidium der LUH geht, schon zum kommenden Wintersemester. Diejenigen, die aktuell in Hannover studieren, müssten nach Braunschweig pendeln.

Johanna Winter ist Teil der Fachschaft Sonderpädagogik und ärgert sich, dass der Termin so kurzfristig angekündigt war. So fühlten sich die Studierenden umso mehr vor Tatsachen gestellt, sagt sie. Dabei hätten sie ahnen können, was auf sie zukommt: Auf taz-Anfrage erklärt die LUH, dass das Teilfach Kunst seit vielen Jahren zu den „unterausgelasteten Fächern“ gehöre. Es sei „genau zu prüfen, ob eine professorale Besetzung eines solchen Feldes zu rechtfertigen ist“.

Im Klartext: Seit mehreren Jahren wird das Fach über insgesamt drei Dozierende abgedeckt, aber über keine Professur. Gemeinsam mit dem Ministerium für Wissenschaft und Kultur halte die Uni in Hannover schon lange Ausschau nach einer Lösung für die Kunst. Im Wintersemester 2019/20 sei die Neuaufnahme von Studierenden pausiert worden, „um an einem Konzept zu arbeiten, welches dem Bereich gerecht wird“, heißt es von der Pressestelle der Uni.

Kunst ist Mangelfach

Von der Verlagerung sind vor allem Masterstudierende betroffen. Zehn an der Zahl sind es, die mit ihrem Studium in Hannover bis dahin nicht fertig sein werden und eine Handvoll Weiterer, die außerhalb der Regelstudienzeit sind und betroffen sein könnten. „Wenn man weiß, dass einzelne Personen ihr Studium nicht beenden können, ist die Menge von Betroffenen groß“, so Winter.

Nicht wenige Studierende seien auf Nebenjobs angewiesen, andere hätten Kinder – all das müssten sie unter einen Hut bekommen. „Man muss sich nur vorstellen, was das für die eigene Biografie bedeutet, wenn man sein Studium wegen des Zweitfachs nicht beenden kann.“

Kunst – vor allem mit einem sonderpädagogischen Schwerpunkt – ist ein Mangelfach. Anna Frauendorf, Vorsitzende des Kunstpädagogik-Dachverbands BDK, sieht die Kunst an der LUH als „kleines Orchideenfach“. Es brauche eine Aufstockung, statt das Studium an eine andere Uni „outzusourcen“. Der taz gegenüber erklärt die LUH, dass die HBK an einer neuen Struktur im Lehramt Kunst arbeite. Es soll ein „hoch attraktives Studienangebot“ entstehen, bei dem von der Expertise beider Standorte profitiert werde.

Frauenhof bezweifelt das. Zwar sei das Lehrangebot in Braunschweig gut, Sonderpädagogik lässt sich dort aber nicht studieren. Sonderpädagogik-Studierende, die vom Angebot der Kunsthochschule Gebrauch machen wollen, müssten sich aufteilen: Im Hauptfach wären sie in Hannover, für das Zweitfach müssten sie pendeln. Für Frauenhof ist das ein „unattraktives Pendel-Fach“. Sie glaubt, dass das Vorgehen eine bestehende Mangelsituation in dem Gebiet befördert.

„Ausreichend Substanz“ für Professur

Die Uni hält dagegen. Durch die Verlagerung soll es „ausreichend Substanz“ für eine Fachprofessur geben. Es heißt, dass Studierende den „Mehrwert des Angebots“ schätzen und „sehr bewusst wählen“. Selbst wenn das bedeute, sich in der Region bewegen zu müssen.

Die Zugfahrten von und nach Braunschweig seien über das Semesterticket abgedeckt. Mit Blick auf das Gespräch vor Weihnachten erinnert sich eine Studentin gegenüber der taz jedoch, dass nicht geklärt werden konnte, ob die Kosten für den Nahverkehr in Braunschweig individuell getragen werden müssten.

Winter sagt, dass das Gespräch vor Weihnachten „frontenmäßig“ gewesen sei, teilweise sei auf Fragen nicht kooperativ geantwortet worden.

Von Studierendenseite ist die Stimmung aktivistisch. Sie fordern die Verlegung auf das Wintersemester 2024/25 zu setzen. So hätten alle die Chance, ihren Abschluss in Hannover zu machen. Laut Winter sei es „ein schlechtes Zeichen für eine Uni, wenn sie es nicht möglich machen kann, dass ein Studium unter denselben Konditionen beendet werden kann, wie es begonnen wurde.“

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