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Ungarische Minderheit in der UkraineUschhorods Bewährungsprobe

Gut 100.000 Menschen in der Westukraine gehören zur ungarischen Minderheit. Sie sehen sich nun mit neuen Gesetzen zu Bildung und Sprache konfrontiert.

Blick aus dem Zug auf dem Weg von Kiew nach Uschhorod Foto: Bernhard Classen

Uschhorod taz | Wer im Nachtzug von Kiew nach Uschhorod kurz vor dem Sonnenaufgang einen Blick aus dem Fenster wirft, wird für sein frühes Aufstehen belohnt. Bäche, die sich im Morgennebel durch bewaldete Täler schlängeln, kleine Dörfer mit Holzhäuschen und gepflegten Gemüsegärten, ab und zu mal ein Auto, das sich über eine mit Schlaglöchern übersäte enge Straße plagt, und dann nur Wald und Wald und Wald. Kein Wunder, dass es viele Menschen in der Ukraine in ihrem Urlaub in die Karpaten zieht.

Ein Hauch von Österreich empfängt den Besucher beim Gang durch Uschhorod. Schuhmacherwerkstätten, Blumengeschäfte, eine „Kramnitza“, also ein Kramladen, in dem es billige Kugelschreiber, „Papir“ und Plastikspielzeug gibt, säumen die engen Gassen. Uschhorod ist inzwischen eine der beliebtesten Städte der Ukraine. Zwar heulen auch hier täglich die Sirenen, doch eingeschlagen hat eine russische Rakete während des Krieges nur ein einziges Mal.

Über hundert Firmen aus der Ostukraine haben sich inzwischen im relativ sicheren Uschhorod angesiedelt. Doch diese neue Popularität der Stadt hat ihren Preis. Seit Kriegsbeginn sind die Mieten auf dem Wohnungsmarkt beträchtlich angestiegen. Eine Dreizimmerwohnung kostet inzwischen 1.000 Dollar. Und wer im Zentrum der Stadt am Ufer des Usch schlendert, bezahlt für eine Kugel Eis zwischen 1 und 2 Euro. Und so kann hier nur gut leben, wer Geld und einen Job hat.

Wer das nicht vorweisen kann, muss mit Hunderten in einer der Massenunterkünfte in Sporthallen und Schulen leben. Bis zu 50.000 Binnenflüchtlinge waren zeitweise in dieser 100.000-Einwohner-Stadt, berichtet Josif Borto, Abgeordneter im Bezirksrat von Uschhorod, der taz.

Unterkunft in der Universität

Auf einem großen Platz vor dem Institut für Wirtschaft und Handel der Universität Uschhorod tollen Kinder. Sie haben in der Universität erst mal eine Bleibe gefunden. Vorerst. Wie es nach dem 1. September, wenn die Universität wieder ihren Lehrbetrieb aufnimmt, weitergehen wird, wird sich zeigen. Alle sind sie ganz aufgeregt, scharen sich um eine Frau, Julia Dub, die mit ihnen Spiele macht – mal wird gesungen, mal ein Ball geworfen, mal wird über ein Rätsel nachgedacht. Keines dieser Kinder ist freiwillig nach Uschhorod gekommen. Der Krieg hat sie ihrer Wohnungen beraubt, sie alle sind mit ihren Eltern geflohen.

Foto: Serhii Hudak/NurPhoto/imago

Mit mehreren Dutzend Freiwilligen hat Julia Dub angefangen, sich um Flüchtlinge und vor allem deren Kinder in Uschhorod zu kümmern. Am Sonntag hatten sie ein großes Fest veranstaltet, zu dem die Stadtbevölkerung und die Flüchtlinge eingeladen waren. Gemeinsam wurden in Workshops praktische Fragen des alltäglichen Lebens besprochen.

Die Anbindung der Binnenflüchtlinge an die einheimische Bevölkerung von Uschhorod ist Julia Dub wichtig. Denn die erste Begeisterung, mit der man die Flüchtlinge aufgenommen hat, ist vorbei. Und auch die Freiwilligen, die Julia Dub unterstützen, werden weniger. Waren sie vor einigen Monaten noch 40 Freiwillige, sind sie jetzt nur noch 10, sagt Julia Dub.

Auf Dauer könne man in einer teuren Stadt eben nicht kostenlos arbeiten, sagt sie und zeigt Verständnis für die Kolleginnen, die inzwischen wieder gegangen sind. Dabei werden die Probleme eher mehr werden. Neben der offenen Unterbringungsfrage ab Anfang September werden spätestens mit Einbruch des Winters auch wieder neue Flüchtlinge aus dem Osten kommen.

Ungarn erhält zusätzliches Gas aus Russland

Russland hat nach Angaben des ungarischen Außenministeriums mit zusätzlichen Gaslieferungen an das EU-Mitgliedsland begonnen. Nach Verhandlungen zwischen Moskau und dem ungarischen Außenminister Peter Szijjarto im vergangenen Monat habe der russische Konzern Gazprom am Freitag begonnen, mehr Gas als „bereits vertraglich vereinbart“ zu liefern, teilte der Ministeriumsvertreter Tamas Menczer mit. Nach seinen Angaben werden bis Ende August zusätzlich 2,6 Millionen Kubikmeter pro Tag durch die TurkStream-Pipeline nach Ungarn kommen. Über die weiteren Lieferungen im September werde noch verhandelt, erklärte Menczer weiter. Er betonte, es sei „die Pflicht der ungarischen Regierung, die sichere Versorgung des Landes mit Erdgas zu gewährleisten“. Der Erwerb von derart großen Mengen Gas sei angesichts der derzeitigen „europäischen Marktbedingungen“ ohne russische Quellen „unmöglich“, erklärte Menczer. In der EU ist seit Dienstag ein Gas-Notfallplan in Kraft. Die Verordnung sieht freiwillige Erdgaseinsparungen im Winter in Höhe von 15 Prozent pro Land vor, doch lässt sie zahlreiche Ausnahmen zu. (afp)

meinung + diskussion12

Wenige hundert Meter weiter verteilt Margarita Artjuchowa Mittagessen. Artjuchowa lebt vegan, sie koordiniert im ganzen Land das Projekt „Die vegane Küche der Ukraine“. In acht ukrainischen Städten haben inzwischen Privatleute ihre Küchen zur Verfügung gestellt, in denen täglich für das Projekt gekocht wird. Jeden Tag geben sie einmal vor der Philharmonie von Uschhorod Essen aus, veganes und vegetarisches. Und sie beliefern Soldaten und Binnenflüchtlinge mit veganer Nahrung. Daneben halten sie Vorträge und geben Kochkurse.

Zwischen 200 und 400 Mahlzeiten verteilen sie täglich landesweit. „Es ist nicht leicht, in der Stresssituation des Krieges für eine vegane Lebensweise zu werben“, sagt Artjuchowa. „Aber wir machen weiter unsere Angebote. Und so kommen immer wieder neue Leute zu uns.“ Finanziert werde ihre Arbeit von Stiftungen.

Wieder einige hundert Meter weiter startet die Aktivistin Galina Jarzewa die Aktion „Big City Ride“. Mit Rockmusik, einer Radtour, dem Verkauf von Getränken und Speisen und mit Spenden wird für die Armee und die aus Transkarpatien stammenden Einheiten gesammelt. Mehrere hundert Bür­ge­r:in­nen der Stadt begleiten die Aktion.

Warten auf Kochtöpfe und Pfannen

Auch am Schupanatska-Platz versammeln sich mehrere hundert Menschen neben der reformierten Kirche von Uschhorod. Die Gottesdienstzeiten sind in ungarischer und ukrainischer Sprache angeschrieben. Geduldig warten die Menschen in der Hitze, bis sie an der Reihe sind. Die Wartenden sind fast ausschließlich Frauen. und sie wollen zur Ausgabestelle des Roten Kreuzes. Jede erhält hier zwei Kochtöpfe, eine Pfanne, eine Kochplatte und zwei Decken. Hier wird nur Russisch gesprochen.

Gut 100.000 Ein­woh­ne­r:in­nen von Transkarpatien gehören zur ungarischen Minderheit, berichtet Josif Borto der taz. Er ist der Chef der KMKS, der Partei der Ungarn der Ukraine, im Gebiet Transkarpatien, stellvertretender Vorsitzender der Gesellschaft für ungarische Kultur im Gebiet Transkarpatien und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Partei der Ungarn der Ukraine im Bezirksrat Transkarpatien.

Immer wieder fällt der Name Uschhorod, wenn es um die ungarisch-ukrainischen Beziehungen geht. So sorgten ein Sprachen- und Bildungsgesetz, das die ungarische Sprache im öffentlichen Raum zurückdrängt, zwei Brandanschläge auf das ungarische Kulturzentrum in Uschhorod im Februar 2018 und die Ausgabe ungarischer Pässe an ungarischstämmige ukrainische Staatsbürger für Konfliktstoff. Ebenso wie der ungarische Premierminister Viktor Orbán, der sich gegen die antirussischen Sanktionen ausspricht und keinen Hehl aus seinem guten Verhältnis zu Putin macht und der mit seiner Rhetorik einer „Rassenvermischung“ polarisiert. Für viele Ukrai­ne­r:in­nen ist das ein rotes Tuch.

Einem, dem es nicht gefällt, dass man beim Gespräch über die ungarisch-ukrainischen Beziehungen immer wieder sofort auf Viktor Orbán zu sprechen kommt, ist Dmytro Tuzhanskyj vom Uschhoroder Institute for Central European Strategy. Wenn man über die ungarisch-ukrainischen Beziehungen rede, so Tuzhanskyj, müsse man die Beziehungen der Ukrainer zu den Ungarn in der Ukraine, der ungarischen Gesellschaft in Ungarn und der ungarischen Regierung getrennt behandeln.

Wir hatten das Recht, Ungarisch in allen Bereichen des öffentlichen Lebens zu sprechen

Josif Borto, Abgeordneter im Bezirksrat Uschhorod

Es sei nicht richtig, so Tuzhanskyj, dass mit dem neuen Schulgesetz, das im Herbst 2023 in Kraft treten soll, die ungarische Sprache aus den Schulen der ungarischen Minderheit verschwinde. Von der ersten bis zur vierten Klasse können alle Kinder in den Schulen der ungarischen Minderheit weiterhin alle Fächer in ungarischer Sprache lernen. Ab der fünften Klasse soll dann der Anteil des Unterrichts in Ukrainisch von 20 Prozent auf 40 Prozent steigen. Und von der sechsten bis zur neunten Klasse auf einen Anteil von 60 Prozent.

Bilungualer Unterricht wäre gut

Tuzhanskyj sieht die Probleme bei der Umsetzung des Gesetzes. Er fragt sich, wie das in der Praxis funktionieren solle, dass zwischen 20 und 40 Prozent des Unterrichts in ukrainischer Sprache gehalten werden sollen. „Heißt das, dass pro Unterrichtseinheit von 45 Minuten 9 beziehungsweise 18 Minuten auf Ukrainisch gehalten werden und der Rest auf Ungarisch (oder Slowakisch, Rumänisch et cetera)?“ Letztendlich werde es in der Praxis so ablaufen, dass der Unterricht bilingual abgehalten werde, glaubt er. „Und Bilingualität ist eine gute Sache.“

Gleichzeitig bedauert Tuzhanskyj, dass es nicht genügend Kontakte zwischen ukrainischer und ungarischer Zivilgesellschaft gebe. Regelmäßige Treffen von Journalist:innen, verschiedenen Berufsgruppen beider Länder und Ak­ti­vis­t:in­nen würden erheblich zur Entspannung der Lage beitragen.

Am schwierigsten sei sicherlich der Kontakt auf höchster Ebene, übernehme Orbán doch in vielen Fragen das russische Narrativ. Aber auch da gebe es erfreuliche Entwicklungen. So hat die ungarische Regierung erklärt, sie werde für die Dauer des Krieges die Sprachenfrage nicht mehr ansprechen. Außerdem hat Ungarn sich in jüngster Zeit, das heißt nach dem 24. Februar, nicht mehr gegen eine Zusammenarbeit von Ukraine und Nato ausgesprochen.

Noch einmal zurück zu Josif Borto, dem Abgeordneten aus Uschhorods Bezirksrat. Im Gespräch mit der taz legt er dar, dass die transkarpatischen Ungarn auf eine tausendjährige Tradition des friedlichen Zusammenlebens mit den anderen fast hundert Nationalitäten zurückblicken können. „Und dieses Zusammenleben war und ist von Toleranz geprägt.“

Gleichzeitig bedauert er gewisse Einschränkungen für die Minderheitensprachen. „Ja, wir hatten das Recht, Ungarisch zu lernen und Ungarisch in allen Bereichen des öffentlichen Lebens zu sprechen – nicht nur zu Hause, sondern überall. Dieses Recht galt früher, die Ukraine hat es garantiert, die Verfassung garantiert es. Die neuen Gesetze der Ukraine zu Bildung und Sprache schränken dieses Recht ein.“

Kritik steht hintan wegen des Krieges

Doch mit dem russischen Angriffskrieg habe man sich entschieden, Kritik hintanzustellen. „Russland ist der Aggressor, wir verteidigen die Ukraine“, sagt er fest entschlossen. Die karpatischen Ungarn unterstützen die ukrainische Armee, einige Ungarn kämpften in der ukrainischen Armee, die ungarische Community in den Karpaten helfe den Binnenflüchtlingen aus dem Osten des Landes.

Gleichzeitig lobt er die Zusammenarbeit mit Ungarn. So hätten die regionalen ukrainischen Behörden mit ungarischen Behörden vereinbart, dass ukrainische Binnenflüchtlinge in Ungarn arbeiten können, aber die Steuern nach Transkarpatien gehen. Außerdem helfe Ungarn der Ukraine beim Export von Getreide. So gebe es jetzt Transporte über Ungarn in den Hafen von Split.

Am nächsten Abend geht es wieder mit dem Nachtzug zurück nach Kiew. „Ich darf mal kurz um Ihre Aufmerksamkeit bitten“, wendet sich der Zugbegleiter mit lauter Stimme an seine Fahrgäste. „Bitte werfen Sie keine Gegenstände in die Toiletten. Sollte der Zug beschossen werden, legen Sie sich sofort auf den Boden. Sollte der Zug evakuiert werden, dürfen Sie nur Ihre Wertsachen mitnehmen. Die Koffer bleiben im Zug. Angenehme Fahrt.“

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7 Kommentare

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  • Von Ushgorod ist es auch nicht mehr weit bis in die Slovakei und von dort nach Westen oder nach Polen. Die natürliche Reiseroute in die Ukraine aus Süddeutschland.

  • Nationalismus mit Nationalismus bekämpfen geht nicht.



    So ist das nun Mal. Eine inzwischen universelle Wahrheit der Menschheitsgeschichte.

    Hilft leider kein "zurückstellen"

    Nationalismus tötet. Immer. Ohne Unterschied.



    Mit Glück ist er bloß Quelle tiefgreifender, zerstörerischer Ungerechtigkeit und Unrechts.

    Wenn irgendetwas an den europäischen Kriegen aus Gründen des Nationalismus, mehr als der nun deregulierte, grenzenlose Marktplatz des Kapitalismus war,



    dann doch bitte diese Erkenntnis: Nationalismus spaltet, schafft Unrecht und Ungerechtigkeit. Tötet.



    Es kann deshalb auf falschem Weg nichts zurückgestellt werden.

  • Man muss verstehen (so schwer es auch fällt), dass die ukrainische Regierung nach der Übernahme der Krim andere Seiten aufgezogen hat und mit Toleranz gegenüber ethnischen Minderheiten erst mal Schluss ist.

    - Ca. 500.000 Ukrainer haben eine doppelte Staatsbürgerschaft, die wurde verboten: Wer mit "Doppelpass" in öffentlichen Ämtern arbeitet wird entlassen und bestraft.



    - Fremdsprachige Zeitungen müssen zusätzlich in gleicher Auflage auf ukrainisch erscheinen.



    - In Schulen wird, wie im Artikel beschrieben, verstärkt die ukrainische Sprache durchgesetzt. Das betrifft knapp 1/3 aller Ukrainer, die nicht Ukrainisch als Muttersprache sprechen.

    Europa ist Waffenlieferant und wird wohl beim Wiederaufbau Kreditgeber sein.



    Ich hoffe dass wir darauf bestehen, dass diese Gesetzgebung, die unseren Werten komplett zuwider läuft, revidiert wird.

    • @Bernd Berndner:

      Das stimmt in der Absolutheit nicht, wie Sie es hier darstellen:



      Viele Ukrainer haben eine Doppelstaatsbürgerschaft, z.B. noch die rumänsiche. Dies rührt aus der Zeit vor dem Assoziationsabkommen her. Niemand aber wird mit mit einem Doppelpass in Ämtern arbeiten. Nein, ganz praktisch hat man den in der Hinterhand.

      Fremdsprachige Zeitungen werden mehrsprachig gedruckt. In einem Blatt, z.B. die Ukrainian Press Group in Kiew, die Den, Der Tag, herausgibt. Dass sie das müssen, ist dem sogenannten Patriotischen Journalismus nach der Annexion zuzuschreiben. Sie haben das aber auch schon vor dem Maidan gemacht. Zielgruppe sind Expats.

      Angesichts der Propagandamaschine Russlands habe ich Verständnis für die Reaktionen, und es hat in den vergangenen Jahren einige unschöne Maßnahmen gegeben. Gleichzeitig wuchs aber der investigative Journalismus im Land und die Bildung eines öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems nach Vorbild der BBD und ARD wurde angestoßen - das gehörte zur Einschränkung der Oligarchenmacht.

      Gleichwohl gebe ich Ihnen recht, dass die Gesetzgebung bei Grundrechten in der Ukraine mehr als früher durch die EU-Brille beurteilen muss. Auch mehr als bei Ungarn und Polen früher.

      Mit freundlichen Grüßen

  • Im NMAI, dem National Museum of the American Indian, in Washington DC in den USA, war 2005 bei einem der Exponate zu lesen, dass in Kanada eine Regelung zum Minderheitenschutz eingeführt worden war, dass nämlich neben der englischen die französische Sprache gestärkt und in bestimmten Bereichen etabliert wurde. Für indigene Gruppen hieß dies, dass sie schlechter gestellt waren, weil das neue Gesetz eben nur englisch und französisch vorsah, kein kanienheka zum Beispiel.

  • Natürlich werden in ersten Gesprächen 1.000 Dollar für eine Wohnung aufgerufen. Das gehört zum Posing des Lokoalkolorits dazu. Doch diese Spitzen sind natürlich Urban Legend. Tatsächlich zahlt niemand der Transkarpaten so viel für eine Wohnung, auch in Uschgorod nicht.

    Und ehrlich gesagt geht eine vegane Lebensweise den meisten Transkarpaten auch am Allerwertesten vorbei; dieser Eindruck entsteht nur, wenn man sich im Zentrum aufhält und sich bewusst von dieser Blase einvernehmen lässt.

    Schwerer wiegt da schon das Orban-Diktat. Es ist common sense, dass ungarische Nationalisten sich diesen Landesteil gerne einverleiben würden. Das passt als Zutat zur russischen Karte Ungarns.

    Es ist aber auch common sense, dass die Ukraine gerade mehr demokratische Standards erfüllt als Ungarn. Insofern ist das ukrainische Gefühl der Selbstständigkeit sogar durch die Realität gedeckt.

    • @rakader:

      Ergänzend: Es ist bekannt, dass die ukrainische Regierung nicht mit Empathie gesegnet ist, wenn es um Sprache geht. Der Sprachenstreit teilte das Land schon vor dem Maidan. Nach dem Maidan wurde dann das Russische in vielen Regionen als zweite Amtssprache verbannt, wenn der Anteil Russischsprachiger unter 10% lag; ein Umstand, der die Separatisten im ukrainischen Osten bestärkte und viele rein Russischsprachige im Alltag vor Probleme stellte.

      Umgekehrt ist es in Transkarpatien aber so, dass die ungarische Minderheit eine Art Sonderstatus für sich reklamiert. Dies rührt vom Visaregime der EU her, als ethnische Ungarn ohne Einschränkungen in die EU reisen konnten, Ukrainer aber langwierig um ein Visum betteln mussten. Seit dem Assoziationsabkommen ist es damit vorbei.

      Orbans Einfluss ist sicher hinderlich, was das Miteinander der ungarischen Minderheit mit der ukrainischen Mehrheit anlangt. Auch wenn die - durch Orban alimentierten - Minderheitenvertreter ein Bild der Eintracht zeichnen.

      Dies ließ sich kürzlich auch bei ungarischen Minderheit in Rumänien beobachten, als Orban ungeschminkt wie nie zuvor seine nationalistische Ideologie unter die ungarische Minderheit im Kreis Harghita schleuderte. Die dortige Ungarnpartei spricht sich schon lange für ein Loslösung von Rumänien aus. Keine gute Grundlage für das Zusammenleben.

      Die von den ungarischen Minderheiten betonte Eigenständigkeit ist oft nur ein Lippenbekenntnis, denn tatsächlich geben die Orbans Gelder den Ton an. Das ist seine Politik.