Unfreiwilliger Exhibitionist: Digital ist die Rache
Ein Mann fotografiert mit einem gestohlenen Handy. Er weiß nicht, dass die Bilder im Netz hochgeladen werden. Ein Triumph für die Bestohlene.
Hafid aus Dubai ist jetzt berühmt. Er weiß es nur nicht. Seit Tagen kursiert der Link zu einem Blog, der hauptsächlich Fotos zeigt, im Netz: Selbstporträts, Hafid und seine Kumpels am Strand, wie sie vor Autos posieren, vor Moscheen, beim Teetrinken. Unter den Bildern wird Hafid in ein paar Zeilen fertiggemacht. Titel des Blogs: „Das Leben eines Fremden, der mein Telefon gestohlen hat“.
Wie dieser Name schon andeutet, geht die Geschichte laut der anonymen Betreiberin des Blogs so: Fünf Stunden nachdem sie auf Ibiza gelandet ist und sich erst einmal gepflegt betrunken hat, wurde ihr das Telefon gestohlen. Offenbar von Hafid. Was die beklaute Autorin daher weiß, dass Hafid das Gerät munter weiternutzt – und nicht bedacht hat, dass jedes Foto, dass er damit schießt, direkt in einen Cloudspeicher hochgeladen wird, einen, auf den die Bestohlene weiter Zugriff hat.
„Darum werden wir uns an tiefen Einblicken in sein Leben erfreuen“, frohlockt sie. Und erklärt auch, woher sie eigentlich Hafids Namen kennen will. Der nämlich habe kurz nach dem Verschwinden des Handys auf seinen Facebook-Account zugegriffen und ihr eine persönliche Nachricht von seinem eigenen Account zukommen lassen.
Süß ist die Rache im Digitalzeitalter. Auch wenn die eigentliche Besitzerin ihr Telefon niemals wiedersehen wird – ganz hilflos ist sie nicht. Ihr bleibt immer noch, diesen Typen, den mutmaßlichen Dieb, bloßzustellen, peinliche Bildunterzeilen unter grauenvoll ungelenk gestellte Fotos zu posten. Und all das, ohne dass Hafid es bisher erfahren hat.
Schadenfreude – die gehässigste Form des Humors. Selbst wenn diese ganze Geschichte ein Fake ist, dann ist sie doch so nah an der möglichen Wirklichkeit, dass Tausende darüber lachen. Über diesen mittelmäßigen Fotografen, dessen Leben zur Comedy gerät, weil er zu dumm war, seine Spuren zu verwischen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland