Unfaire Arbeit bei Fairtrade-Firma Corsicana: Angst vor den schwarzen Listen
Corsicana ist die größte Bio-Ananasfarm Costa Ricas mit Fair-Trade-Zertifizierung. Auch nach Europa wird geliefert. Fair ist die Behandlung von Gewerkschaftern nicht.
PUERTO VIEJO DER SARAPIQUI taz | "Wir Gewerkschafter werden von den anderen Arbeitern separiert, werden diskriminiert und unsere Arbeitsbedingungen sind schlecht", erklärt Héctor Giraldo Vásquez ärgerlich. Dann schwenkt er den Arm über das riesige Ananasfeld und sagt: "Schauen Sie sich doch um".
Mit rund vierzig Kollegen, darunter einigen wenigen Frauen, arbeitet er heute auf dem Feld. Die Arbeiter sind damit beschäftigt die überzähligen Schösslinge der Pflanzen aus dem Boden zu reißen. Das ist notwendig, um eine gute zweite Ernte einzufahren. Dreimal wird in aller Regel pro Pflanze geerntet. "Dann beginnt ein neuer Anbauzyklus", so Giraldo Vásquez.
Vasquez gehört zu den wenigen costa-ricanischen Arbeitern auf der Plantage und ist sauer, dass die Schösslinge mit rund zwei Kilogramm unerhört schwer sind. "Vor vier Wochen hätte man die Arbeit machen müssen – da haben sie rund ein Drittel gewogen. Nun müssen wir Gewerkschafter als Lückenbüßer wieder ran", klagt der 36-Jährige.
Er gehört zu den 65 gewerkschaftlich organisierten Arbeitern auf der Ananasplantage Corsicana des US-Unternehmens Collins Street Bakery. Die befindet sich im Zentrum Costa Ricas, rund zwei Stunden Fahrtzeit von der Hauptstadt San José und nur ein paar Kilometer von der Provinzstadt Puerto Viejo de Sarapiquí entfernt. Hier bauen rund 400 Arbeiter auf mehr als 1.300 Hektar Bio-Ananas in bester Qualität an.
"Gewerkschaftliches Organisationsrecht verletzt"
Das Gros der Produktion, die auch Fair-Trade-zertifiziert ist, gehe in die USA, aber auch nach Europa werde geliefert, berichtet Ramón Barrantes. Der 53-Jährige ist der Generalsekretär der Gewerkschaft der Plantagenarbeiter der Region Heredia (Sitagah) und besucht regelmäßig die Plantagen. Oft erst nach dem offiziellen Arbeitsende um 15 Uhr, wenn die Arbeiter die Plantagen verlassen, manchmal aber auch wie heute zur Mittagspause.
"Collin Street Bakery ist ein Unternehmen, das wiederholt das gewerkschaftliche Organisationsrecht verletzt hat. Wir haben bereits 2005 geklagt, und die nationalen Institutionen haben bestätigt, dass gewerkschaftliche Aktivitäten vom Unternehmen verfolgt werden", sagt Barrantes. Der Sachverhalt wurde vom Arbeitsministerium bestätigt.
Doch Grundlegendes scheint sich nicht geändert zu haben, wie die neuerlichen Beschwerden der Arbeiter belegen. "Wir Gewerkschaftler werden übergangen, wenn es zusätzliche Arbeiten zu verteilen gibt, erhalten aber nur den Mindestlohn. Von den Fair-Trade-Zuschlägen kommt bei uns nichts an, und auf dem Feld gibt es weder einen schattigen Unterstand noch sanitäre Anlagen", kritisiert William Ortega.
Der 34-jährige Erntearbeiter aus Nicaragua lebt seit 16 Jahren in Costa Rica, arbeitet seit zehn Jahren auf der Plantage Corsicana und kündigt nur nicht, weil er fürchtet, dann nie wieder Arbeit in der Region zu bekommen. "Es kursieren schwarze Listen", behauptet er.
"Wir haben mobile Sanitäranlagen"
Vorwürfe, die von Alejandro Batalla, dem Anwalt der Plantage, entschieden zurückgewiesen werden. "Wir haben mobile Sanitäranlagen, wir halten uns an die Arbeitsgesetze unseres Landes, zahlen den Mindestlohn und weisen die Anschuldigungen entschieden zurück", so der Firmenvertreter erbost. Laut Website sollen die Fair-Trade-Zuschläge für einen eigenen Kindergarten auf der Plantage verwendet werden.
Dass die Klagen der Arbeiter allerdings alles andere als haltlos sind, weiß auch Theresa Glammert-Kuhr von Flo-Cert. "Wir haben die Farm Corsicana bereits vor einigen Jahren nach den ersten Klagen suspendiert." Flo-Cert zertifiziert für Fairtrade International die Plantagen. Theresa Glammert-Kuhr ist für das Beschwerdeverfahren zuständig und hält angesichts der gravierenden Klagen eine unangekündigte Inspektion für durchaus realistisch. "Eine neuerliche Suspendierung der Farm ist nur aufgrund eines eigenen Audits möglich."
Ein Verfahren, das den Unternehmen die Chance geben soll, sich zu bessern und Missstände zu korrigieren – davon hält Gewerkschaftssekretär Ramón Barrantes nach Jahren der Klagen und Kritik nicht allzu viel. Das Unternehmen habe für den Tag, als die Arbeiter auf dem Feld besuchten, prompt deren Löhne gekürzt. Dies sei "kein positives Signal an die Gewerkschaften".
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