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Unfälle im Berliner StraßenverkehrDas Kreuz mit den Kreuzungen

2013 gab es zwar so wenige Tote wie lange nicht mehr auf Berliner Straßen – für Radler, Fußgänger, Kinder und Alte bleibt der Verkehr trotzdem weiterhin riskant.

Radfahren bleibt gefährlich, nicht nur in Berlin. Bild: dpa

Wer im Berliner Verkehr auf Nummer sicher gehen will, sollte Kreuzungen meiden: Die mit Abstand häufigste Unfallursache heißt „Fehler beim Abbiegen“, an zweiter Stelle folgt „Nichtbeachten der Vorfahrt“. Das geht aus der Verkehrssicherheitsbilanz für 2013 hervor, die die Polizei am Donnerstag vorgestellt hat.

Aber natürlich ist kreuzungsfreies Fahren keine Lösung, und auch sonst lauern genügend Gefahren auf dem Asphalt. Geführt hat das im vergangenen Jahr zu 130.930 registrierten Unfällen mit 16.353 Verunglückten, Ersteres ein hauchdünner Anstieg gegenüber dem Vorjahr, Letzteres ein Rückgang um immerhin 3,2 Prozent. Sogar um 11,9 Prozent gesunken, von 42 auf 37 nämlich, ist die Zahl der Unfalltoten. Es ist der niedrigste Stand seit der Wende.

Erfreuliches Schlusslicht

Im Ländervergleich bildet Berlin damit das Schlusslicht: 9 Verkehrstote kamen hier auf eine Million Einwohner, im Bundesdurchschnitt waren es 37. Ausgerechnet Brandenburg führt das traurige Ranking an: Hier starben 64 Menschen pro Million auf oder am Rande der Straße. Ein wichtiger Grund für das Abschneiden der Hauptstadt ist freilich, dass es hier keine Landstraßen zum experimentellen Rasen gibt. Trotzdem ist „jeder Verkehrstote einer zu viel“, wie Polizeipräsident Klaus Kandt sowie die ebenfalls anwesenden Staatssekretäre für Inneres, Bernd Krömer (CDU), und Verkehr, Christian Gaebler (SPD), immer wieder betonten.

Was die Statistik ebenfalls belegt: Längst nicht alle Verkehrsteilnehmer sind gleichermaßen gefährdet. Neben Kindern und jungen Erwachsenen laufen vor allem ältere Menschen häufiger Gefahr, Gesundheit oder Leben im Verkehr zu verlieren. Die Zahl der Unfälle unter Beteiligung dieser Risikogruppe ist bis 2009 stark und seitdem etwas flacher gestiegen, im Jahr 2013 wurden 13.960 Fälle aufgenommen. Jeder 8. Schwerverletzte und sogar jeder 4. Tote war älter als 64.

Riskant unterwegs bezüglich des Verkehrsmittels sind die Radfahrer. Ihr Anteil an der Gesamtunfallzahl stagniert seit Jahren bei mehr oder weniger 7.000, das sind lediglich 3,8 Prozent. Aber abgesehen von der Dunkelziffer nicht angezeigter Unfälle ist hier die Zahl der Verletzten überproportional hoch. Immerhin: „Nur“ 6 Radfahrer kamen 2013 zu Tode. Diese Zahl pendelt seit vielen Jahren um eine bedauerliche Konstante von rund 10 Fällen.

Was tun, um neben dem menschlichen auch den volkswirtschaftlichen Schaden zu minimieren? Der betrug laut Polizei 1,22 Milliarden Euro, „das ist eine Zahl mit ganz vielen Nullen“, so Bernd Krömer. Während der Polizeichef auf die Präventionsarbeit seiner Behörde verwies, gab der Innenstaatssekretär zu Protokoll, er persönlich finde die Bußgelder gerade im internationalen Vergleich viel zu niedrig. Es gebe überhaupt keinen Grund, so Krömer, bei der Kontrolle nachzulassen. Kandt sekundierte, die gefürchteten „Blitzermarathons“ etwa seien durchaus erzieherisch gemeint: „Es muss in den Köpfen hängen bleiben, dass man eben auch langsamer zum Ziel kommt.“ Verkehrs-Staatssekretär Gaebler verwies auf den Stadtentwicklungsplan (StEP) Verkehr, in dem Sicherheit eine große Rolle spiele – mit der Fuß- und Radverkehrsstrategie auch in Bezug auf die Risikogruppen. Man investiere weiter in Rad- und Zebrastreifen, so Gaebler, beides vergleichsweise billige, aber effektive Maßnahmen für mehr Sicherheit.

Die Opposition sieht das Szenario erwartungsgemäß kritischer. Wo Polizei und Senat Stagnation sehen wollen, schauen die Grünen genauer hin und erkennen einen leichten Anstieg der Unfallzahlen „im dritten Jahr in Folge“. Vor allem die Zahl der Schwerverletzten verharre auf hohem Niveau, so die verkehrspolitischen Fraktionssprecher Stefan Gelbhaar und Harald Moritz. Der Senat müsse „seine Prioritäten ernsthaft überprüfen“, so die beiden. Knappe Mittel seien kein Argument, für Straßenneubau wie bei der Tangentialverbindung (TVO) Ost sei genug Geld vorhanden.

STAATSSEKRETÄR BERND KRÖMER (CDU) ZUM VOLKSWIRTSCHAFTLICHEN SCHADEN DURCH UNFÄLLE: 1,22 MILLIARDEN

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4 Kommentare

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  • HG
    Hugh Grease

    Ein Kommentar zum Kommentar von icke

    Lieber icke, mit dem Rad bin ich seit 44 Jahren unfallfrei unterwegs. Ich trage keinen Helm. Das Helmtragen sollte meiner Meinung freigestellt sein. In Berlin erlebe ich es im Schnitt jede Woche zwei Mal, dass ein Auto mich beim Rechtsabbiegen nicht beachtet und fast übermangelt. Ich bremse meistens an grünen Ampeln, obwohl ich Vorfahrt habe. Da bleiben meine Knochen heil. Gehöre ich domestiziert? Verdiene ich eine Tracht Prügel? Solche Kommentare wie der Ihre gehen in Ihrer Primitivität am Thema vorbei. Ich erlebe es sehr selten, dass Autofahrer Rücksicht nehmen. Ich fahre allerdings auch mindestens 100 km pro Woche mit dem Rad. Bei Schnee werde ich regelmäßig aus fahrenden Autos angepöbelt. Dabei fahre ich Spikes und bin sicher unterwegs. "Fahrradfahrer in Berlin" pauschal als rücksichtslose Spezies zu Brandmarken geht wieder voll am Thema vorbei. Eine Fahrerlaubnis besitze ich ebenfalls. Sogar für Autos bis 7 Tonnen, Motorräder ohne Beschränkung der Leistung und Sportboote unter Segel und Motor. Da bin ich wohl fast überqualifiziert zum Radfahren. Trotz der ganzen Stänkerei gegen "Die Radfahrer" fahre ich immer noch am liebsten Rad, weil es einfach mehr Spaß macht, als in einer Blechwanne zu hocken. Wenn ich Auto fahre, dann fahre ich vorsichtig, weil ich weiß, wie es sich z.B. auf dem Rad anfühlt, eng überholt zu werden! Das kenne ich von vielen Radfahrern so.

    Wir brauchen Radwege so breit wie Staßen. Damit es noch mehr Spaß macht, mit dem Rad zu fahren. Damit es sicherer wird. Viele meiner Bekannten fahren nicht Rad in Berlin, weil sie Angst haben vor dem Autoverkehr.

    Vom Fahrrad aus ist die Welt in der Tat schön übersichtlich. Da Stimme ich Ihnen zu. Das ist doch super. Detjefälltmaso!

    Viele Grüße und immer schön in die Pedale treten. Weil's einfach am schönsten ist. Macht doch nix, wenn alle meckern.

  • AO
    Aleksandr Orlov

    Die anerkannte und übliche Bezugsgröße ist nicht der Verkehrstote pro Million Einwohner, sondern pro Milliarde gefahrener Kilometer.

    Dann sieht Berlin mit seinem vorwiegenden Kurzstreckenverkehr aber nicht mehr so toll aus, und das darf bei der taz ja nicht sein.

  • I
    *icke*

    "Vor allem die Zahl der Schwerverletzten verharre auf hohem Niveau, so die verkehrspolitischen Fraktionssprecher Stefan Gelbhaar und Harald Moritz. Der Senat müsse „seine Prioritäten ernsthaft überprüfen“, so die beiden. Knappe Mittel seien kein Argument, für Straßenneubau wie bei der Tangentialverbindung (TVO) Ost sei genug Geld vorhanden."

     

    Das die TVO weitergebaut wird ist nur richtig. Wer etwas gegen dieses Straßenbauprojekt hat stelle sich täglich in den Stau und erkläre dann, es mache garnichts, wertvolle Lebenszeit im Stau zu verbringen weil irgendwo ein Fahrradfahrer mal wieder stürzte.

     

    Wenn ich mit dem Rad in Berlin unterwegs bin, behelmt, beleuchtet, an den FahrradfahrerAmpeln warte ernte ich erstaunlich viele verwunderte bis mitleidige Blicke. Fahrradfahrer in Berlin ist eine egomane, rücksichtslose Spezies, welche drakonisch domestiziert gehört. Wer mit einem Geschwindigkeitsüberschuß vom Faktor 2-4 (wenn Kinder auf Radwegen sind schnell erreicht) überholt gilt in Autofahrerkreisen als MPU tauglich. Nicht zu unrecht. Es werden nicht einmal Signale gegeben, die gute alte Klingel kommt nur zum Einsatz um sich gegen einen abbiegenden LKW die Vorfahrt zu erkämpfen. Vom Fahrrad aus ist die Welt schön übersichtlich, aus Autos heraus nicht so.

     

    Sind sich die "verkehrspolitischen Fraktionssprecher" eigendlich darüber im Klaren, dass es auf Berlins nicht mehr Tote und Verletzte gibt, weil viele Autofahrer sehr viel Rücksicht auf die "schwächeren" Verkehrsteilnehmer nehmen? Bekäme der Eine oder die Andere die verdiente Tracht Prügel sähe das evtl. anders aus.

    p.s. wer straft eigendlich jene ab, welche teure Radwege mit untauglichen Materialien pflastern lassen oder Kanten zwischen Rad- und Fußweg einbauen lassen, weil Radfahrer da nichts zu suchen haben?

    Weniger piefige Kleinbürgerlichkeit auf unseren Straßen und es geht lockerer voran.

  • B
    Brigitte

    Ein "Gutachten" vom ADAC, ein paar Stimmen von CDU, CSU und SPD, Drohungen von der Auto-Industrie und schon wird alles gut.