Undercover in Behinderten-Einrichtungen: Ziemlich furchtbarste Betreuer
Die RTL-Sendung „Team Wallraff“ zeigt Misshandlungen von Behinderten durch ihre Betreuer. Die Einrichtungen entschuldigen sich.
Die TV-Szene schockiert, obwohl die Aufnahmequalität nicht gut ist und alle Gesichter unkenntlich gemacht sind. Die RTL-Reporterin Caro Lobig hat sie heimlich gefilmt. Für die Sendung „Team Wallraff“ absolvierte Lobig undercover drei kurze Praktika bei Einrichtungen für Menschen mit Behinderung. Die Ergebnisse der Recherchen strahlte das RTL vor wenigen Tagen aus.
Der Verein Lebenshilfe betreibt zwei der drei Einrichtungen und gibt an, von den Problemen nichts gewusst zu haben. „Die Enthüllungen kamen für die Lebenshilfen überraschend“, versicherte Bundesgeschäftsführerin Jeanne Nicklas-Faust der taz. Erst als RTL sich im Januar meldete, habe sie von Problemen erfahren.
Die Bundesvereinigung und die beiden Einrichtungen selbst haben die Vorkommnisse öffentlich bedauert. „Wir entschuldigen uns, dass es dies bei uns gab: bei unseren behinderten Mitmenschen, bei ihren Eltern und Angehörigen“, so schreibt die Lebenshilfe Speyer-Schifferstadt.
Sie rufen die Beschäftigte, als wäre sie ein Hund
Sowohl betroffene Behinderte als auch Betreuer*innen sollen sich direkt ans Fernsehen gewandt haben, statt sich intern zu beschweren. „Mich erreichen regelmäßig Zuschriften mit teils drastischen Schilderungen von Missständen in Werkstätten und Wohnheimen“, leitet Günter Wallraff die Sendung ein. Die Schilderungen sind keineswegs übertrieben, das zeigt der Rest der Sendung.
In den Rurtalwerkstätten Düren müssen die Beschäftigten eintönige Industrieaufträge abarbeiten. Caro Lobig saß als Undercover-Praktikantin in der Abteilung, die die Arbeitsagentur finanziert, mit psychisch Kranken zusammen. Offiziell werden sie hier geschult. Tatsächlich müssen sie für eine Firma Bördel-Scheiben zusammenbauen. „Das bedeutet: Gummischeiben in Deckel drücken“, erklärt Lobig trocken.
Eine weitere Filmsequenz zeigt, wie in einer Lebenshilfe-Werkstatt in Leverkusen Mitarbeiter*innen eine Beschäftigte schikanieren. Sie setzen sich ihr nicht nur auf den Schoß, sondern verbinden ihr die Augen und rufen sie, als wäre sie ein Hund. Beim Frühstück hat die junge Frau Joghurt um den Mund. Wie Sperma sehe das aus, insinuiert eine Betreuerin. Die Konsistenz passe auch, meint ihr Kollege, ebenso die Farbe: „Es ist kein ganz durchgängiges Weiß, ne.“
Hätte das Team Wallraff früher handeln sollen?
In einem Speyrer Wohnheim, das ebenfalls der Verein Lebenshilfe betreibt, sitzen die Pfleger*innen beim Rauchen auf der Terrasse, während drinnen ein geistiger behinderter Mann minutenlang schreit, weil er dringend muss.
Lebenshilfe-Chefin Nicklas-Faust gab der taz gegenüber an, dass die Betreuer*innen freigestellt sind und arbeitsrechtliche Schritte erwarten. In Speyer arbeitet eine Prüfbehörde mit dem Verein zusammen, in Leverkusen ermittelt die Staatsanwaltschaft.
Die ersten Aufnahmen, in denen Werkstatt-Betreuer*innen eine junge Frau schikanieren, hat Lobig vor über einem Jahr gemacht. Hätte das Team Wallraff früher die Lebenshilfe informieren oder Anzeige erstatten sollen? „Natürlich wünschen wir uns, dass bei solchen Vorfällen schnellstmöglich informiert wird, um für die Menschen mit Behinderung schnellstmöglich Abhilfe zu schaffen“, antwortet Nicklas-Faust.
Die Recherchen hätten nicht weitergehen können, wenn man aufgeflogen wäre, begründet Günter Wallraff sein Vorgehen in der Sendung.
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