daumenkino: Under Suspicion
Schaler Aufguss
Exakt 20 Jahre ist es nun her, dass „Das Verhör“ von Claude Miller in die Kinos kam. Lino Ventura und Michel Serrault lieferten sich damals als Inspektor und Verdächtiger ein mittlerweile klassisches Darstellerduell. In irgendeinem Kinosaal saß auch Gene Hackman und war schwer beeindruckt. Seitdem hat er versucht, ein Remake des Films zu organisieren. Schließlich schob er eines Tages „Das Verhör“ in den Videorekorder und zwang Morgan Freeman zuzusehen. Zusammen haben die beiden dann als Produzenten das Projekt „Under Suspicion – Mörderisches Spiel“ auf die Beine gestellt.
Nun dürfen sie sich nahezu zwei Stunden lang beschuldigen und beschimpfen, sie dürfen kuschen und kungeln. Während Hackman als reicher Steueranwalt überraschend vom Zeugen zum Hauptverdächtigen mutiert, will Kommissar Freeman ihn um jeden Preis des Lustmordes an zwei minderjährigen Mädchen überführen. Beide geben das ganze Spektrum vom kalt kalkulierenden Machtmenschen bis zum Speichellecker, vom an sich selbst zweifelnden Psychowrack bis zum hysterisch drohenden Choleriker. Dabei enthüllen sie zwar menschliche Abgründe, aber die bedrohliche Stimmung des Originals wird niemals erreicht. Schließlich wurde ausgerechnet der Horror- und Science-Fiction-Spezialist Stephen Hopkins verpflichtet.
Statt sich der klaustrophobischen Kammerspielatmosphäre von Millers Film anzuvertrauen, lässt er die Kamera in einem unwirklich großen Verhörzimmer Amok laufen oder rückt den Protagonisten so zu Leibe, dass eher Schweißtropfen sichtbar werden als das Mienenspiel der mimischen Schwergewichte. Ansonsten nutzt Hopkins jede Gelegenheit, die Innenräume zu verlassen und sich in den farbenfrohen Karneval von Puerto Rico (!) zu stürzen. In den USA wurde der Film nach seinem Start sofort wieder aus den Verkehr gezogen und landete trotz seiner Starpower direkt in den Videotheken.
THOMAS WINKLER
„Under Suspicion – Mörderisches Spiel“. Regie: Stephen Jopkins. Mit Gene Hackman, Morgan Freeman u. a. USA 2000, 110 Min
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