Umweltschutz: Umweltsünde Einwegtüte
Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne) will sich auf Bundesebene für eine Steuer auf Plastiktüten einsetzen und sucht nach Mitstreitern.
HAMBURG taz | Er ist Thema auf Meereskonferenzen, bei Protestaktionen von Umweltverbänden und in Arbeitspapieren von Behörden: Der Plastikmüll im Meer, der das Ökosystem gefährdet und über Jahre und Jahrzehnte im Wasser bleibt. Konkret dauert es bis zu 20 Jahre, bis sich eine Plastiktüte im Meer zersetzt hat. Auf den Müll hat am Mittwoch auch eine Rekord-Aktion von Sealife in Niendorf aufmerksam gemacht: Dort wurden über 10.000 Tüten zu einer 4,2 Kilometer langen Kette verknotet.
Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne) will dem Problem mit den Plastiktüten etwas entgegensetzen. Sein Lösungsvorschlag: eine Plastiktütensteuer. „Alle Plastiktüten müssen an der Kasse spürbar Geld kosten, das kann dazu beitragen, diesen Müll zu vermeiden“, sagt der Minister. Er werde in anderen Ländern nach Bündnispartnern suchen, um auf Bundesebene einen Vorstoß zu machen. Sein Ziel: „Wir müssen die Plastikgesellschaft so weit wie irgend möglich hinter uns lassen.“ Eine konkrete Bundesratsinitiative aus Kiel hat Habeck noch nicht fertig, vorher muss das Projekt noch durch das Landeskabinett.
In Irland gibt es schon eine Plastiktütensteuer: Sie beträgt 44 Cent pro Tüte. Darüber, wie hoch sie in Deutschland sein könnte, diskutierten die Grünen auf einem Bundesparteitag: Sie forderten Ende 2011 eine Steuer von 22 Cent pro Tüte. Ob Habecks SPD-Ministerkollegen in Kiel das so mittragen, ist noch offen. Wer möglicher Bündnispartner auf Länderebene sein könnte, auch.
Auch in Hamburg haben die Grünen versucht, etwas gegen Plastiktüten zu unternehmen: Sie forderten den Senat auf, gemeinsam mit der Wirtschaft und Umweltverbänden für einen geringeren Verbrauch von Plastiktüten zu sorgen. Konkrete Folgen gab es bisher keine. „Es gibt keine direkte Initiative aus Niedersachsen für eine Plastiktütensteuer“, sagt Rudi Zimmeck, der Sprecher von Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel. Er glaubt, das Problem des Plastikmülls in den Meeren sei besser auf EU-Ebene anzugehen und macht auf die wichtige Rolle von Folien, etwa aus der Landwirtschaft, aufmerksam. Die würden durch eine Plastiktütensteuer gar nicht erfasst.
1833 wurde die erste Plastiktüte industriell hergestellt.
Heute bestehen Plastiktüten meist aus Polyethylen oder Polypropylen.
Eine Kunststofftüte wird in Deutschland im Schnitt 25 Minuten genutzt, jeder Deutsche verbraucht schätzungsweise 65 Tüten pro Jahr.
Der weltweite jährliche Plastiktütenverbrauch wird auf eine Billion Stück geschätzt.
Mehrere Länder haben die Plastiktüten verboten, darunter Australien, Frankreich und Italien.
Dass international etwas passieren muss, sieht auch Habeck so. „Das ist eine Mammutaufgabe“, sagt der Kieler Minister. „Tatsächlich lässt sich vieles nur bewegen, wenn Länder, Bund, EU – ja und auch der Rest der Welt – zusammenspielen. Meere machen ja nicht an Grenzen halt“, sagt er.
Das findet Heiner Rickers, der umweltpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Kieler Landtag auch – nur ist seine Schlussfolgerung eine ganz andere: „Wir wissen, dass sich dieses Problem allein auf deutscher Ebene nicht lösen lassen wird, zumal im europäischen Vergleich der Plastiktütenverbrauch in Deutschland gering ist.“ Er lehnt eine nationale Lösung ab und fordert: „Maßnahmen zur Plastikmüllvermeidung müssen deshalb auf europäischer Ebene ansetzen.“
Die FDP-Landtagsfraktion in Kiel kann all dem nichts abgewinnen. Deren umweltpolitischer Sprecher Oliver Kumbartzky beklagt „immer neue Steuern“ und „immer mehr staatliche Bevormundung“ durch Habeck und die Grünen.
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