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Umweltrechtlerin zu kürzeren Planungen„Nur nicht auf Kosten der Umwelt“

Die Ampelkoalition will Planungszeiten für Windräder oder Stromtrassen verkürzen. Eine gute Idee, findet die Umweltrechtlerin Louisa Hantsche.

Schnellere Planung soll möglich werden: Windrad mit Schwibbogen in Sachsen Foto: Jan Woitas/dpa
Christian Rath
Interview von Christian Rath

taz: Frau Hantsche, die Ampel-Koalition will Planungs- und Genehmigungsverfahren für Windräder oder Stromtrassen beschleunigen. Wie finden Sie das als Umweltrechtlerin?

Louisa Hantsche: Planungsbeschleunigung ist sehr sinnvoll. Sie darf nur nicht auf Kosten der Umwelt und der Rechtsschutzmöglichkeiten gehen.

Sind Sie deshalb so aufgeschlossen, weil heute keine Atomkraftwerke mehr geplant werden, sondern Bahnstrecken, Windräder und Trassen für Öko-Strom?

Nein, das ist nicht der Grund. Ich bin schon immer davon ausgegangen, dass es möglich ist, Planung zu beschleunigen, ohne den Rechtsschutz zu beschneiden.

Im Koalitionsvertrag wird angestrebt, die Verfahrensdauer zu halbieren. Ist das ohne problematische Folgen zu realisieren?

Darüber will ich jetzt noch nicht spekulieren. Die Ankündigungen im Koalitionsvertrag sind teils sehr vage. Hier müssen wir auf konkrete Gesetzentwürfe warten.

Die Koalition will mit dem Instrument der Legalplanung arbeiten, das heißt wichtige Bahnstrecken und Stromtrassen sollen per Gesetz genehmigt werden und nicht per Verwaltungsakt. Wie finden Sie das?

Bei einer Legalplanung besteht die Gefahr, dass sie den Rechtsschutz verkürzt. Wenn ein Vorhaben per Gesetz des Bundestags genehmigt wird, ist eigentlich nur noch eine Verfassungsbeschwerde möglich. Doch die Koalition scheint das Problem erkannt zu haben und sieht nun zumindest eine Instanz beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig vor. Das ist erfreulich. Allerdings könnte die Legalplanung kontraproduktiv sein, weil die Planungsfachleute in den zuständigen Behörden sitzen und nicht in den Ministerien.

Die Koalition plant eine „Mitwirkungspflicht für Umweltverbände“. Was halten Sie davon?

Das ist ein seltsamer und potentiell problematischer Vorschlag. Die Umweltverbände haben ein Mitwirkungsrecht im Verfahren, keine Pflicht. Möglicherweise geht es darum, dass Verbände, die im Verwaltungsverfahren nicht teilgenommen haben, dann auch nicht gegen die Genehmigung klagen können. Das würde aber gegen EU-Recht verstoßen.

Im Interview: Louisa Hantsche

31, ist Projektleiterin am Unabhängigen Institut für Umweltfragen (UfU) in Berlin.

Die Koalition will wieder eine Form der Präklusion einführen. Das heißt, Kläger dürfen vor Gericht nichts vorbringen, was sie nicht bereits im Verwaltungsverfahren gerügt haben....

Die Präklusion hat der Europäische Gerichtshof bereits 2015 beanstandet. Danach wurde sie weitgehend abgeschafft. Ich sehe nicht, wie sie jetzt wieder eingeführt werden könnte, ohne EU-Recht zu verletzen.

Der Klimaschutz soll gegenüber dem Artenschutz gestärkt werden. Ist das gut?

Ich bin natürlich dagegen, Klimaschutz und Artenschutz gegeneinander auszuspielen. Beide Ziele sind wichtig. Grundsätzlich ist der Ansatz der Koalition vertretbar, künftig beim Artenschutz mehr auf den Schutz von Populationen zu achten. Hier kommt es jedoch auf die konkrete Ausgestaltung an und da ist der Koalitionsvertrag noch unklar. Vor allem ist eine gute Koordination zwingend erforderlich. Es wäre fatal, wenn überall einzelne Tiere geopfert werden und am Ende doch die Population gefährdet ist.

Sehen Sie Beschleunigungsmöglichkeiten, die im Koalitionsvertrag fehlen?

Das größte Beschleunigungspotenzial sehe ich bei der Verwaltung. Die Behörden benötigen mehr Ressourcen und sollten selbst Fristen einhalten müssen, damit die Projekte zügig vorangehen. Es hat keinen Sinn, wenn nur für Kritiker einer Maßnahme strenge Fristen gelten.

Oft fehlt den Behörden schlicht das Personal…

Das ist ein grundsätzliches Problem und wird im Koalitionsvertrag der Ampel auch so gesehen. Ich befürchte jedoch, dass dafür aktuell nicht ausreichend Fachkräfte zur Verfügung stehen, um die Beschleunigungsziele der Koalition zu erreichen. Schuld sind dann aber sicher nicht die Umwelt- und Naturschutzverbände.

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5 Kommentare

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  • Sach mal so -



    www.ufu.de/ueber-u...m/louisa-hantsche/



    &



    Christian Rath - mal was mit Europarecht -

    Es ist ja immer wieder spannend ein zwei Theoretikern ohne jegliche praktischeErfahrungen im Gespräch zu erleben.



    Liggers. Herr Rath versucht sich in kritischen Anmerkungen. But.

    Mal in praxi - gabs alles schon mal -



    🥬Zeit - Remember? Der Dicke gab dem - “dauert alles viel zu langeRamentern“ des WirtschaftsIndustriellenBanken Kommplex nach. Rollte den roten Teppich aus => Großverfahren - Überlandleitungen 100Tsd KV - Autobahnen etc - AKWs etc



    Beschleunigung durch ? na klar -



    Weg von den unsicheren Kantonisten der 1. Instanz (vgl VG Freiburg - zum Berstschutzerfodernis für AKWs - Tschernobyl remember)



    Hin an die Obergerichte (OVG /VGH)!



    (Als ich das a Tagung kommentierte:“Na da werden die Herren Oberrichter aber einiges zu lernen haben!“ - unterband der Senatsvorsitzende oberrichterlichen Unmut so: “Er ist ja für seine freche Klappe bekannt. Aber recht hat er!“

    Aber - “Legalplanung … sieht nun zumindest eine Instanz beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig vor.“ Ach was! © Vagel Bülow



    Da war der Dicke doch schon fassungslos machender “Vorkämpfer“



    Ausgerechnet für AtomRecht - knallte er die 1. & 2. Instanz &!!! das sind beides! TATSACHENINSTANZEN - WEG!



    & machte KOMPLETT SYSTEMWIDRIG - EIN REINES REVISIONSGERICHT zur



    Eingangs & Endinstanz! & Geht‘s noch!



    Genau das soll also als abgefeierte Beschleunigung in Kombination mit - noch son Hirnriß - Legalplanung!



    Die tolle SCHLAMPELLÖSUNG werden!

    Na Mahlzeit —— servíce —



    Es sei nicht verschwiegen - daß “och nö. Die kochen auch nur mit Wasser. Das ist aber kalkhaltiger!“ - nur sehr bedingt -



    Ein Aperçu vs Obergerichte ist.

    • @Lowandorder:

      Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - wirft ein:

      “Abstand

      Ich hab Visionen, da wird mir schlecht:



      Ökodiktatur und Recht



      moderiert von R.D. Precht.“

      kurz - & Fjutscher2 dazu - huhu - 🤮🤮🤑

      Na Mahlzeit

  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Das deutsche Rechtssystem optimiert sich immer mehr dahin, dass die streitenden Parteien sich eigentlich in einem Wirtschaftskrieg befinden: Es gewinnt der, der länger durchhält, nicht der mit den besseren Argumenten. Verzögerungen sind die zentrale Waffe in diesem Krieg.

    Und da inbesondere staatliche Einrichtung stets mit unbegrenzten Ressourcen ausgestattet sind, ziehen sich insbesondere die Verfahren, in denen schließlich der argumentativ unterlegende dennoch gewinnt, brutal in die Länge. Andere Kandidaten für diese Strategie sind Versicherungen, Patent-Trolle, generell Konzerne...

    Allerdings kann eine Initiative von Zahnärzten, Handwerkern und Lehrern im Ruhestand gegen ein Windrad auch eine erhebliche Standfähigkeit aufweisen.

    Deswegen halte ich es für eine Illusion, dass man diese Verfahren verkürzen kann ohne am System etwas zu ändern.

    Noch ein Problem ist, dass im Wirtschaftsleben Fahrlässigkeit überhaupt keine Konsequenzen hat. Das führt dazu, dass hier Unternehmen mit mangelhaften Daten in Genehmigungsverfahren gehen, weil sie wissen, dass die Vollständigkeit der Daten das Vorhaben gefährden könnte. Man sollte eigentlich einen Weg finden, wie derlei vermeintliche Fahrlässigkeiten sofort zum Abbruch des (Genehmigungs-)Verfahrens führen, so dass es einen starken Anreiz gibt, von Anfang an mit offenen Karten zu spielen.

    Steuerbescheide werden auch fehlerhaft nach 4 Wochen wirksam, wenn man keinen Einspruch einlegt - warum diese Nachgiebigkeit gegenüber "Investoren"? Antrag unvollständig - Ablehnung, nächster Antrag in 24 Monaten.

    Stattdessen wird wieder ein systemisches Problem instrumentalisiert, um Rechtswege zu beschränken und Demokratie abzubauen.

    Nicht der Rechtsweg ist das Problem, sondern der Missbrauch desselben. Und dem könnten Richter mit Hoden und Zeit auch durchaus einen Riegel vorschieben.

    • @05989 (Profil gelöscht):

      “… Stattdessen wird wieder ein systemisches Problem instrumentalisiert, um Rechtswege zu beschränken und Demokratie abzubauen.



      Nicht der Rechtsweg ist das Problem,…“

      anschließe mich & zahnlose staatstragende Fragen - machen das in keiner Weise deutlich. Peinlich •

  • Beim Artenschutz soll also mehr auf Populationen geachtet werden. Das ist ja gut und schön, aber der individuenbezogene Artenschutz existiert ja nicht aus Jux und Dollerei in der aktuellen Form: Müssten wir die Populationen schützen, wäre die Voraussetzung, diese zu kennen. Das ist natürlich utopisch, da ja nicht einmal das Populationsmonitoring im Rahmen der Verpflichtungen aus der FFH - Richtlinie anständig funktioniert. Als Tipp für die Betreiberverbände: Setzt Euch nicht dafür ein - Ihr habt vermutlich keine Vorstellung davon, was ein richtig durchgeführter Populationsansatz kosten würde (sofern die Kosten nach wie vor beim Vorhabenträger bleiben). Möglicherweise gibt es aber im künftigen Recht einfach die ein- oder andere Mogelpackung - mal sehen.