Umweltkatastrophe in Uganda: Wasser bis zum Hals
Eine schwimmende Insel im Victoriasee hat sich gelöst und verstopft zwei Dämme. Das führt zu massivem Stromausfall. Auch Kenia ist betroffen.
![Drei Menschen transportieren auf einem Boot ihr Hab und Gut über einen über die Ufer getretenen Fluss Drei Menschen transportieren auf einem Boot ihr Hab und Gut über einen über die Ufer getretenen Fluss](https://taz.de/picture/4134235/14/25206915-1_Victoriasee_Kenia_Uganda_Flut-1.jpeg)
Der Grund: Eine neun Fußballfelder große, schwimmende Insel war vom Festland abgebrochen und war auf dem Victoriasee herum getrieben. Letztlich wurde sie durch die Strömung in den Abfluss des Nils geschwemmt und verstopfte dort zwei Dämme, die zur Stromgewinnung dienen.
Die Turbinen des Nalubaale-Damms direkt am Nilabfluss, des daneben liegenden Kiira-Damns sowie des acht Kilometer flussabwärts gelegenen Bujagali-Damms stehen bis heute aufgrund von Überhitzung teilweise still.
Das Land wird nun zum Großteil über Notstromaggregate versorgt, doch auch diese sind überlastet. Regelmäßig kommt es in verschiedenen Bezirken zu Stromausfällen oder gezielten Abschaltungen durch den Stromanbieter. Auch der Westen Kenias ist betroffen, weil Uganda Strom ins Nachbarland exportiert.
Schwimmende Wasserhyazinthen
Seitdem bemüht sich ein ganzes Bataillon von Soldaten und Ingenieurens mit Baggern, Baukränen und Hebeanlagen den schwimmenden Morast aus den Dammmauern zu säubern. Dabei handelt es sich zum Großteil um schwimmende Wasserhyazinthen, die den See und dessen Ufer seit Jahrzehnten wie eine Plage besiedeln.
Wasserhyazinthen kennt man in Europa als Gartenteichblumen. Im Victoriasee, dem größten Süßwassersee Afrikas und zweitgrößten See weltweit, richten sie seit Jahrzehnten eine gewaltige Umweltkatastrophe an.
2005 wurde der See vom Globalen Naturfund zum meist gefährdeten See erklärt. Laut einem 2018 erschienenen Bericht der Weltnaturschutzunion (IUCN) ist ein Fünftel der 651 untersuchten Arten im Viktoriaseebecken vom Aussterben bedroht.
Die Wasserhyazinthe ist keine heimische Pflanzenart, sie wurde eingeschleppt. Seit den 1990er Jahren sind 90 Prozent der ugandischen Küstenufer davon bedeckt. Sie raubt dem See und den darin lebenden Tierarten den Sauerstoff, verwandelt das Wasser in eine grün-schleimige Brühe, die übel riecht und den über 30 Millionen Menschen, die rund um den See leben, das Leben zur Hölle macht. Krankheiten wie Malaria, sinkende Fischbestände, mangelnde Trinkwasserreserven und Parasiten sind die Folge.
Starke Regenfälle
Und jetzt kommt auch noch der Stromausfall hinzu. Durch die Verstopfung der Dämme steigt nun der Wasserstand des Sees. Mittlerweile erreicht er ein Rekordhoch von 13 Meter über dem Normalstand, so hoch wie seit 1964 nicht mehr.
Hinzu kommen seit rund einem Jahr starke Regenfälle in der ganzen Region des Victoria-Beckens, auch in Ugandas Nachbarländern Ruanda, Kenia und Burundi. Von dort fließen zahlreiche Flüsse in den Victoriasee.
Dies führt nun zu einem Teufelskreis: Denn der See überschwemmt immer mehr Marschland und Sumpfgebiete entlang der Ufer. Dort brechen immer weitere Landstriche ab, die aufgrund der Ströme Richtung Nilabfluss treiben.
So geschah es, dass Ende April, kaum war der Großteil der ersten schwimmenden Insel auf den Dämmen entfernt, eine zweite Insel auf den Nil zutrieb. Schlepper mit Kränen mussten diese umleiten, doch sie zerbricht nun stetig in kleinere Teile, die nun eine weitere Blockade erzeugen können. Hellen Adoa, Staatsministerin für Fischerei, warnt mittlerweile von „mehreren weiteren Inseln“, die sich auf den Nilabfluss zubewegen werden.
Wasser im Wohnzimmer
Mittlerweile steht den Ugandern das Wasser buchstäblich bis zum Hals. In Munyonyo, dem schicken Vorstadtviertel der Hauptstadt Kampala, wo die reiche Schickeria am Seeufer lebt, fließt Wasser nun durch die Wohnzimmer der Superreichen. Betroffen ist auch das neu errichtete Victoria-Hotel, dessen Golfplatz unter Wasser steht.
In den übrigen Landesteilen sowie in den Nachbarländern verursachten starke Regenfälle in den vergangenen Wochen zahlreiche Erdrutsche. Es kam zu zahlreichen Toten.
Die genaue Zahl ist nach wie vor nicht bekannt, weil Menschen spurlos verschwanden und kaum Leichen geborgen wurden. Allein Ruandas Ministerium für Notfall- und Katastrophenschutz meldet 65 Tote, in Kenia wurden bis zu 200 Todesopfer und über 100.000 zerstörte Häuser gemeldet.
Das UN-Welternährungsprogramm (WFP) betrachtet die Überschwemmungen mit Sorge. Durch die Corona-Krise seien laut WFP-Angaben ohnehin über 20 Millionen Menschen in der Region von Hunger betroffen. Ernteausfälle durch Fluten könne diese Krise noch verschärfen. Hoffnung ist nicht in Sicht: Die meteorologischen Institute der Region kündigen für die nächsten Wochen weitere Regenfälle an.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!