Umweltkatastrophe am Bodo Creek: Shell muss zahlen
Tausende Fischer und ihre Familien im Nigerdelta verloren 2008 ihre Existenz. Der Konzern bietet jedem Fischer 1000 Pfund. Deren Anwälte weisen das als zurück.
LAGOS ap | Ein britisches Gericht hat den niederländischen Ölkonzern Shell für eine der größten Ölkatastrophen in Nigeria verantwortlich gemacht, den Öllecks 2008 und 2009 im Nigerdelta. Shell bot den 30.000 betroffenen Einwohnern am Freitag daraufhin 30 Millionen Pfund (37 Millionen Euro) Entschädigung an, was deren britischen Anwälte als lachhaft zurückwiesen.
Amnesty International wertete das Urteil des Londoner High Courts dennoch als „Schuss vor den Bug für Shell“, da es „den Weg ebnet, Shell letztendlich für die verheerende Ölverschmutzung im Nigerdelta zur Rechenschaft zu ziehen.“ Shell spielte die Bedeutung des Urteils herunter. Der Schadenersatz sollte „auf eine Bewertung des tatsächlich entstandenen Schadens“ begrenzt werden.
Shell hatte in dem Prozess darauf beharrt, dass „Pipeline-Betreiber nicht für Schäden verantwortlich sind, die durch Öldiebstahl verursacht werden“. Richter Robert Akenhead vom Londoner Gericht für Technologie und Bau entschied aber, dass Shell verpflichtet sei, angemessene Vorkehrungen zum Schutz seiner Infrastruktur zu treffen. Dazu gehöre die Installation von Systemen zur Entdeckung von Lecks, Überwachungstechnologie und Maßnahmen gegen Manipulationen. Shell hat all das nicht in seinen nigerianischen Ölfeldern. Diese Ausstattung gilt aber in der entwickelten Welt als zwingend.
Es war der erste Prozess gegen Shell wegen der Umweltkatastrophe im Nildelta vor einem britischen Gericht. In Nigeria sind Tausende von Schadensersatzverfahren anhängig. Sie ziehen sich in den oft korrupten Gerichten Jahre hin und enden oft damit, dass die Opfer eine minimale Entschädigung zugesprochen bekommen.
Öldiebstahl hat in Nigeria industrielle Ausmaße angenommen, täglich wird nach Angaben der nigerianischen Nationalkonferenz Öl im Wert von 25 Millionen Euro gestohlen.
Shell hat bis heute nicht die Umweltverschmutzung am Bodo Creek im Nigerdelta beseitigt. Die Bodo-Bevölkerung habe dem Konzern den Zugang verweigert, sagt Shell. Einer der britischen Anwälte der nigerianischen Fischer, Martyn Day, sagte, Shells Angebot von 30 Millionen Pfund würde für jeden Einwohner bedeuten, eine Entschädigung von 1000 Pfund (1250 Euro) zu bekommen. Das sei lachhaft.
Bodo Creek ist eine der größten Umweltkatastrophen Nigeria. Shell-Dokumenten zufolge begann das Leck am 5. Oktober 2008, insgesamt 1640 Barrel Öl seien ausgelaufen. Dokumente der nigerianischen Regierung und der örtlichen Verwaltungen sagen, das Leck habe am 28. August begonnen. Industrie-Experten schätzen in den Bodo-Flussarm seien 72 Tage lang täglich bis zu 4320 Barrel Öl geflossen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“
Krise der Ampel
Lindner spielt das Angsthasenspiel