Umwelthilfe zieht vor Gericht: Mit Klagen zum Fahrverbot
Die Deutsche Umwelthilfe kündigt weitere Klagen an, um Fahrverbote durchzusetzen. 300.000 Dieselautos der Euro-5-Norm warten schon auf einen Käufer.
Zu den Bundesländern und Städten, die nun neu ins Visier der Umwelthilfe geraten, zählen unter anderem Hamburg, Schleswig-Holstein mit Kiel, Niedersachsen mit Hannover, Sachsen-Anhalt mit Halle (Saale) oder Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz). Die Organisation fordert saubere Luft bereits im Jahr 2018 für alle Städte, die aktuell die Stickstoffdioxid-Grenzwerte um 10 Prozent oder mehr überschreiten, sagte Resch. Derzeit liegen 61 Städte mindestens 10 Prozent über dem Grenzwert. Dieser Wert beträgt im Außenluftbereich 40 Mikrogramm pro Kubikmeter.
Die Umwelthilfe klagt bereits in 16 Fällen vor Gericht. Für Düsseldorf, München und Stuttgart hat die Organisation Gerichtsentscheidungen erwirkt, die Diesel-Fahrverbote ab 2018 als einzige wirksame Maßnahmen bewerten, damit die Grenzwerte eingehalten werden. Auch das Bundesumweltamt warnt, dass die Anfang August auf dem Dieselgipfel zwischen Industrie und Politik vereinbarten Maßnahmen die Stickoxidbelastung allenfalls um bis zu 6 Prozent reduzieren werde.
Die Autoindustrie lehnt Fahrverbote vehement ab. Die Stickoxidemissionen des Straßenverkehrs seien von 1990 bis 2015 um rund 70 Prozent zurückgegangen, argumentiert sie. Eine Ursache dafür dürften die Lkws und Fernbusse sein, bei denen – ganz im Unterschied zu vielen manipulierten Diesel-Pkws – die Abgasreinigung funktioniert. Solche Abgasreinigungssysteme überall einzubauen, weigert sich die Industrie. Dies sei vielfach technisch nicht umsetzbar, weil der Platz im Fahrzeug fehle.
300.000 Dieselautos auf Halde
Die drohenden Fahrverbote haben bereits ökonomische Folgen. Allein 300.000 Diesel-Pkws mit der Euro-5-Norm stehen bei Vertragshändlern in Deutschland auf den Höfen, ergab eine Hochrechnung des Zentralverbands des Kraftfahrzeuggewerbes. Bei einem Durchschnittspreis von 15.000 Euro bildeten diese Autos aktuell einen Gesamtwert von rund 4,5 Milliarden Euro ab. „Diese Fahrzeuge sind im Moment schwer verkäuflich, weil die Kunden verunsichert sind“, sagte Verbandsvize Thomas Peckruhn. „Wir brauchen klare Signale der Politik, wie es weitergeht.“
Auch der Verkauf neuer Dieselfahrzeuge könnte nach einer Warnung Barbara Hendricks (SPD) weiter ins Stocken geraten. Die Bundesumweltministerin hatte am Mittwoch vor dem Kauf neuer Euro-6-Modelle gewarnt, weil diese ihre Grenzwerte meist nur im Labor einhalten würden. Die schärfere Euro-6d-Norm tritt aber erst zum 1. Januar 2018 in Kraft.
Ein Signal sandte Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth (SPD) aus: „Alle unsere Bemühungen sind darauf gerichtet, dass wir Fahrverbote vermeiden.“ Auch der Bereich öffentlicher Fahrzeugflotten habe ein großes Potenzial, den Schadstoffausstoß zu reduzieren, da Busse und Taxis dauerhaft in den Innenstädten unterwegs seien.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei