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Umwelt-SiegelNeue Chancen für Genfrei-Label

Die Kriterien für die Kennzeichnung "ohne Gentechnik" bei Lebensmitteln sollen gelockert werden. Vielleicht bekommt man sie dann auch mal zu sehen.

So wird jedenfalls eher nicht aussehen, das Genfrei-Siegel Bild: dpa

BERLIN taz | Auf manchen Verpackungen von Schokolade, Pizza oder Sauren Gurken könnte bald ein neuer Aufdruck prangen - "ohne Gentechnik". Bundesverbraucherminister Horst Seehofer (CSU) hat dazu Erleichterungen bei den Kennzeichnungsvorschriften angekündigt.

Action-Weekend

Die Initiative "Gendreck weg!" lädt zu einem Gentechnikfreien Wochenende im Oderbruch ein. In Neuwustrow, etwa anderthalb Stunden östlich von Berlin, werden am heutigen Freitag und am Samstag Workshops und Aktionstrainings für eine "freiwillige Feldbefreiung" angeboten. Diese soll am Sonntag auf den Genmaisfeldern um den Ort Altreetz herum statt finden. Ab dem Bahnhof Wriezen gibt's Busse, aber auch ein Shuttle zum Camp und den Aktionen. http://www.gendreck-weg.de/

Spendenkonto: Gendreck-weg. Kto. 2003983401 bei der GLS Gemeinschaftsbank, BLZ 43060967

Die derzeit gültige Neue Lebensmittelverordnung (NLV), in der die Kriterien für die Kennzeichnung "ohne Gentechnik" festgelegt sind, ist so streng, dass kaum eine Lebensmittelhersteller hierzulande wagt, seine Waren damit auszuzeichnen. Die 1998 vom damaligen Gesundheitsminister Seehofer erlassene Verordnung wurde daher auch als "Verhinderungsgesetz" bezeichnet.

Seehofer will jetzt einem Teil seiner Kritiker entgegenkommen. In Umfragen verschmähen gut 70 Prozent der Verbraucher die Gentechnik, über 90 Prozent wollen wissen, ob ihre Lebensmittel mit Hilfe der Gentechnik hergestellt worden sind. Bisher können Konsumenten nur bei Ökoprodukten sicher sein, dass keine Gentechnik drin ist.

Von dem neuen Label würden auch Landwirte und Lebensmittelproduzenten profitieren, die gentechfrei wirtschaften wollen. "Denn nur wenn sie ihre Waren auch mit den Label ,ohne Gentechnik' anpreisen können, werden viele von ihnen auch bereit sein, die Mehrkosten für die gentechfreie Produktion zu bezahlen", erklärt Thomas Gutberlet, Vorstandsmitglied bei der Lebesmittelkette Tegut. Dazu kommt, dass es künftig schwieriger werden könnte, gentechfreie Futtermittel, Lebensmittelzutaten und Zusatzstoffe zu bekommen, wenn die Nachfrage danach nicht groß genug ist.

Die Lebensmittelkette Tegut mit ihren über 300 Filialen gehört zu den wenigen Vorreitern in Deutschland, die derzeit schon Produkte mit dem Label "ohne Gentechnik" in ihren Läden anbieten. "Es handelt sich dabei ausschließlich um Milchprodukte", so Gutberlet. Denn die Produktion von Milch sei im Unterschied zu manch anderen Waren noch überschaubar.

Das Projekt "gentechfrei gekennzeichnete Milch" hat Tegut mit der Upländer Molkerei durchgeführt. Gutberlet hat dabei die Tücken von Seehofers NLV kennengelernt. Gut ein Jahr brauchten die Projektteilnehmer, um herauszufinden, welche Tierarzneimittel im Kuhstall überhaupt noch angewendet werden dürfen, wenn die Milch als gentechfrei gekennzeichnet werden soll. "Die Tierarzneimittel waren das Hauptproblem", sagt die Geschäftsführerin der Upländer Molkerei, Karin Artzt-Steinbrink. "Denn nach der NVL dürfen auch keine gentechnisch hergestellten Arzneimittel verabreicht worden sein." Die Informationen, wie die Medikamente hergestellt wurden, mussten daher mühsam ermittelt werden. "Wir haben alle Pharmafirmen einzeln angeschrieben", erläutert, Artzt-Steinbrink. Ihr Wunsch ist daher, dass die Arzneimittel als Kriterium aus der Verordnung herausgenommen werden.

Vorbild ist Österreich: "Wir haben schon seit längerem praktikable Kennzeichnungsvorschriften", sagt Florian Faber von der Österreichischen ARGE Gentechnikfrei. "Etwa 400 Produkte tragen bei uns das grüne Kontrollzeichen 'Gentechnik-frei erzeugt'." Auch sei etwa 50 Prozent der Frischmilch so erzeugt worden. Die Produkte werden zum Teil auch in Deutschland verkauft - mit dem Label. Paradox ist: Wären sie hierzulande hergestellt worden, dürften sie nicht als gentechfrei gekennzeichnet sein.

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