Umstrittenes Einkaufszentrum: „Wir fühlen uns irregeführt“
Wegen Autolärms und Luftverschmutzung: Einige Anwohner in der Hamburger Hafencity klagen gegen die Stadt.
Wie die Architektin und Entwicklerin des Projekts, Iris Neitmann, in Erinnerung rief, sei man einst ausdrücklich auf Drängen der Stadt in die Hafencity gekommen – umso größer ist heute der Ärger über die geänderten Planungen mit deutlich höheren Gebäuden. „Wir fühlen uns irregeführt“, sagte die Klägerin Solveig Binroth.
Im südlichen Teil des „Überseequartiers“ will der französische Einkaufs- und Messezentren-Riese Unibail-Rodamco nach eigenen Angaben etwas über eine Milliarde Euro investieren. Eine Sorge nahm der Konzern damit nicht zuletzt der Stadt: Die war in Folge der Immobilienkrise eines ursprünglichen Investors verlustig gegangen und brauchte nicht noch mehr schlechte Nachrichten aus dem Vorzeige-Quartier: Am anderen Ende wurde ja die Elbphilharmonie partout nicht fertig, dafür immer teurer. Ende 2014 konnte der Senat dann mit Unibail-Rodamco eine Lösung präsentieren: „Alle anderen Investoren sind nicht bereit, eine solche Konzeption weiterzuverfolgen“, sagte damals Bürgermeister Olaf Scholz (SPD).
Herzstück der Unternehmung ist ein Einkaufszentrum, das aber ganz anders werden solle als andere, das betonen Bauherr und Stadt: kein geschlossener Kosmos, sondern ein offenes Konzept mit einer Mischung von Marken, die es so noch nicht gebe.
Von einem Rückfall in die „autogerechte Stadt“, in Konzepte der 1960er-Jahre, sprach dagegen am Dienstag der Architekt Bruno Brandi. Er erinnerte an die Sanierung der Hamburger Fleetinsel in den frühen 90er-Jahren, an der er freilich selbst beteiligt war: Diese Qualität, so Brandi, verdiene auch die Hafencity. Stattdessen aber drohen aus Sicht der Initiative abweisende Erdgeschosse ohne Ladenflächen, verbauter Blick, aber vor allem ein Mehr an Verkehr mit all den Folgen, gegen die die Stadt an anderer Stelle ja gerade mit Diesel-Fahrverboten vorgeht. Die Initiative rechnet mit bis zu 25.000 Fahrzeugen täglich – in einem Stadtteil, der wegen seiner Lage und den Abgasen der Kreuzfahrtschiffe schon heute bemerkenswert schlechte Luftreinheitswerte aufweist.
Dass man nun klage, sei doch eigentlich auch im Sinne der Stadt und des Investors, fanden die am Dienstag Versammelten: Könnte man nun noch mal das Gespräch darüber eröffnen, wie dieses städtische Filetstück einmal aussehen soll, würden am Ende doch alle profitieren.
Zunächst aber liegt die Klage beim Oberverwaltungsgericht. Geprüft werden soll damit, ob die genehmigende Behörde höherrangige Rechtsgüter verletzt hat. Weil so eine „Normenkontrolle“ aber keine aufschiebende Wirkung habe, wollen Günther und seine MandantInnen obendrein Eilantrag gegen die Teilbaugenehmigung für die geplante Tiefgarage stellen.
Die dafür beantragte Akteneinsicht könnte der Anwalt schon in der kommenden Woche erhalten: Er rechne mit bis zu 17 Kartons von der Stadtentwicklungsbehörde, sagte Günther jetzt – und zeigte sich zuversichtlich, darin weitere Argumente zu entdecken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!