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Umstrittener Stifter Kurt A. KörberDer Menschenfreund als Nazi-Helfer

Weil der Unternehmer und Stifter Kurt A. Körber KZ-Häftlinge beschäftigte, diskutiert der Bezirk Hamburg-Bergedorf, ob eine Straße umbenannt werden muss

Stifter überlebensgroß: Festakt zu Körbers 100. Geburtstag 2009 im Hamburger Rathaus Foto: dpa

Hamburg taz | Mit ihren jährlich rund 18 Millionen Euro an Vergabemitteln gehört die Körber-Stiftung wohl zu den Schwergewichten der deutschen Zivilgesellschaft. Doch nun ist ihr Ruf in Gefahr – wegen Diskussionen über die NS-Vergangenheit ihres Stifters Kurt A. Körber in der Bezirksversammlung in Hamburg-Bergedorf. Dort hatte man die Straßennamen des Bezirks untersuchen lassen. Ergebnis: Der Name Körber ist belastet. Am Donnerstag wollen die Lokalpolitiker darüber beraten, ob die Kurt-A.-Körber-Chaussee umbenannt werden soll.

Der Vorwurf: Während der Nazizeit war Körber in der Führungsebene des Unternehmens „Die Universelle“, an das ein KZ-Außenlager angegliedert war. Laut einer Experten-Kommission, die im Frühjahr 2016 von der Bergedorfer Bezirksversammlung eingesetzt wurde, lässt sich für ihn daraus „mindestens eine moralische Mitverantwortung“ ableiten. Die Kommission empfiehlt, die Straße umzubenennen.

Körber war „involviert“

„Als Prokurist war Körber Teil der Unternehmensführung und damit auch involviert in die Angelegenheiten der KZ-Außenstelle“, sagte Alyn Beßmann, Archivarin der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und Mitglied der Kommission.

Die Körber-Stiftung

1981 wurden alle Stiftungsaktivitäten des Bergedorfer Maschinenbau-Unternehmers Kurt A. Körber unter der Körber-Stiftung zusammengefasst.

Über 563 Millionen Euro Kapital verfügte die Stiftung mit Hauptsitz in Hamburg 2015 laut dem Bundesverband Deutscher Stiftungen.

In fünf Bereichen ist die Stiftung national und international organisiert: Bildung, Gesellschaft, Internationale Politik, Kultur und Wissenschaft.

Der Schwerpunkt der Stiftungsarbeit liegt derzeit auf den Themen „Digitale Mündigkeit“, „Russland und Europa“ und „Neue Lebensarbeitszeit“.

Der Großunternehmer Körber war schon zu Lebzeiten bekannt. Im Jahr 1959 gründete er seine Stiftung mit Sitz in Hamburg. 1991, ein Jahr vor seinem Tod, wurde er Ehrenbürger Hamburgs. 1998 wurde im Osten der Stadt die Kurt-A.-Körber-Chaussee zu seinen Ehren umbenannt.

Dass Körber ab 1940 NSDAP-Mitglied war, schreibt die Stiftung selbst auf ihrer Website. Und ebenso, dass die Dresdner Zigarettenmaschinenfabrik die Universelle, in der er von 1935 bis 1944 in die Führungsetage aufstieg, „als kriegswichtiger Betrieb in die Produktion von Rüstungsgütern“ einstieg und „ca. 3.000 Fremd- und Zwangsarbeiter“ einsetzte.

700 von ihnen lebten im KZ-Außenlager der Fabrik. Wer genau in dem Unternehmen für sie zuständig war, ist bisher nicht geklärt. Viele Firmenunterlagen fehlen. Doch Beßmann verweist auf „feste Standards“ für die Zusammenarbeit zwischen Firmen und der SS: Verantwortlich für die Unterbringung der KZ-Häftlinge waren die Unternehmen. Das sei auch bei der Universellen der Fall gewesen.

Hamburger Datenbank listet Mittäter auf

Begonnen hatte die Diskussion um Körber in Hamburg 2016 mit der Veröffentlichung der Datenbank der „Dabeigewesenen“ durch die Landeszentrale für politische Bildung. Das virtuelle Archiv listet Hamburger Bürger auf, die unterschiedlich stark an NS-Gewaltverbrechen beteiligt waren. Ein Anlass für den Bezirk Bergedorf, zu prüfen, wie es um die Namensgeber der eigenen Straßen steht. Körber und neun weitere Namen tauchten auf, die Expertenkommission sollte nachforschen.

Deren Ergebnisse stoßen bei der Körber-Stiftung auf Kritik: „Da es keinerlei Belege für eine persönliche Verantwortung beziehungsweise Schuld von Kurt A. Körber gibt, sehen wir auch keinen Anlass für eine Umbenennung“, heißt es in einer Stellungnahme. Die Stiftung kritisiert die Rückschlüsse der Gutachter, dass die Universelle und ihre Unternehmensführung mit ihrem KZ-Außenlager den Ausbau des KZ-Systems aktiv vorangetrieben hätten.

Die Stiftung beruft sich auf Berichte von Zeitzeugen, die Körber entlasten und verweist unter anderem auf einen Artikel des Historikers Josef Schmid und des Holocaust-Forschers Frank Bajohr: Darin wird erwähnt, dass der Kommunist Rudolf Thiersch und der Sozialdemokrat Alfred Krill nach dem Krieg Körber eine „antifaschistische Betätigung“ bescheinigt hätten. Die Forscher bewerten deren Aussagen allerdings eher als eine Schutzbehauptung, „um einem geschätzten Kollegen die Weiterarbeit in der sowjetischen Besatzungszone sichern zu helfen“.

Schmid sagte der taz, Körber sei eine „ambivalente Person“. Ihm „moralische Mitschuld“ zu attestieren, hält er aber für falsch: „Dann gäbe es kein Ende mehr, alle wären Täter.“

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2 Kommentare

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  • Es ist sehr verwirrend, alle wichtigen Persönlichkeiten, die in der Zeit des Nationalsozialismus ein Mitglied in der NSDAP waren, als Anhänger der Hitler-Diktatur zu verunglimpfen. Vor allem Kurt A. Körber hat nach dem schlimmsten Krieg der Menschheit seine Arbeit als Aufklärer und sozialer Unternehmer bewiesen und das Vermögen der Stiftung übertragen, damit es eine gesellschaftliche Neustrukturierung gibt. Wichtig war die Ausschreibung des Schülerwettbewerbes zur Geschichte.

    Hierzu gebe ich die Erfahrung aus meiner Familie weiter:

    Im 2. Weltkrieg wurden alle Fabriken den -"Wehrwirtschafts-Führern"- unterstellt. Wer sich an der Produktion von Militärgütern nicht beteiligen wollte, wurde als Soldat eingezogen und an die verschiedenen Fronten kommandiert. Beispielsweise wollte Heinrich Focke keine Kriegs-Flugzeuge bauen und wurde aus der Unternehmensführung abgezogen. Mein Grossonkel Herbert Polter leitete das Leipziger Druck-Maschinenwerk Hogenforst und musste Werkzeugmaschinen für den Waffenbau produzieren. Seine Belegschaft wurde durch "Zwangsarbeiter" erweitert und viele Mitarbeiter zur Wehrmacht eingezogen. Er sorgte allerdings mit Engagement für Verpflegung und Unterstützung z.B für "Ost-Arbeiter". Die Sowjets brachten ihn in ihr GULAG-Lager in Sachsenhausen, wo er und sein Bruder 1946 an Typhus starben. Das Unternehmen wurde "enteignet". In den 70er Jahren schrieb ein polnischer "Zwangsarbeiter" - als studierter Historiker an meine Tante über seine damalige Arbeit und entlastete ihren Ehemann.

    Wenn Kurt A. Körber nach dem Krieg so viel Engagement für die freie Gesellschaft der Bundesrepublik entwickelte, so ist er heute ein Vorbild für Unternehmer und kein Ausbeuter, die heute mit ihrem Reichtum der Gesellschaft immer grösseren Schaden zufügen.

     

    Johannes Spark, Hannover und Bremen

  • Alle waren Täter! Frei nach dem Motto: "Wer schweigt, stimmt zu."