Umstrittener Paragraf 219a: Ändern oder abschaffen?
Der Bundestag diskutiert zum ersten Mal über die Streichung des Paragrafen §219a, der Werbung für Abtreibungen verbietet.
Ob es eine Mehrheit für die Abschaffung des Paragrafen geben wird, ist noch unklar. Union und AfD sind dagegen, Grüne und Linkspartei, die entsprechende Gesetzentwürfe bereits eingebracht haben, dafür. Die SPD hat einen Entwurf erarbeitet, der die Streichung vorsieht, ringt aber mit ihrem Koalitionspartner um eine Einigung.
Die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Eva Högl sagte nun, sie halte auch eine „Kompromisslösung“ für möglich, nach der der Paragraf 219a zwar nicht gestrichen, aber das Recht auf sachliche Information über Schwangerschaftsabbrüche für betroffene Frauen gewährleistet würde.
Auch die FDP plädiert für einen Kompromiss: Änderung statt Abschaffung. Noch am Montag hatte die Fraktion zum Fachgespräch geladen, um sich über ihre Position klar zu werden. Danach habe eine deutliche Mehrheit zugestimmt, den von ihm vorgeschlagenen Gesetzentwurf einzubringen, so Vize-Fraktionschef Stephan Thomae.
SPD und FDP erwägen Kompromiss
Demnach verbliebe der Paragraf zwar im Strafgesetzbuch, ÄrztInnen dürften aber künftig für Abbrüche werben, sofern dies nicht in grob anstößiger Weise passiert. Die Liberalen Frauen hatten noch Anfang der Woche gefordert, den 219a komplett zu streichen. „Die Fraktionsentscheidung hat bei mir persönlich zu erheblichen Irritationen geführt“, sagte die Bundesvorsitzende der Liberalen Frauen, Katja Grosch, der taz.
„Ich werde massiv dafür argumentieren, das außerhalb des Strafgesetzbuchs zu regeln“, meint auch Ulle Schauws, die frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. „Sonst können ÄrztInnen weiter angezeigt werden.“
Die frauenpolitische Sprecherin und stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Cornelia Möhring, sagte, sie finde es „bedauerlich“, dass die SPD den eigenen Gesetzesantrag nicht einbringe. Sie gehe dennoch davon aus, dass die SPD sich nicht der „rückwärtsgewandten Position“ von Union und AfD anschließen und man zusammen mit Grünen und FDP zu einer gemeinsamen Lösung kommen werde, an deren Ende „hoffentlich die Abschaffung dieses überalterten Paragrafen stehen wird“.
Kurz vor dem Bundestagstermin meldeten sich zudem mehrere Berufs- und Interessenverbände zu Wort, darunter der der Frauenärzte, der sich in der bisherigen Debatte auffällig zurückgehalten hatte. Nun fordert auch der Verband eine Streichung des Paragrafen. „Wir stehen Frauen in allen Lebenslagen bei, von Geburt bis Tod“, sagte Matthias Bloechle, Vorsitzender des Berliner Regionalverbands. „Das schließt auch ungewollte Schwangerschaften mit ein.“
Verbände solidarisieren sich
Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin erklärte sich solidarisch mit der verurteilten Ärztin Kristina Hänel und fordert „die politischen Entscheidungsträger auf, dafür zu sorgen, dass die sachliche Information über die Tatsache, dass Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden, nicht mehr strafbewehrt ist.
Und auch der Verband Evangelischer Frauen in Deutschland forderte am Montag das Ende des Paragrafen. „Das Selbstbestimmungsrecht und das Recht auf freie Arztwahl werden damit eingeschränkt. Mit Blick auf unser freiheitlich-demokratisches Grundgesetz halte ich das für verfassungswidrig“, sagte die Verbandsvorsitzende Susanne Kahl-Passoth. Auch hier entspricht die Position der Frauen im Verband allerdings nicht der Verbandsposition: Die Evangelische Kirche in Deutschland hatte sich im Januar gegen eine Streichung von 219a ausgesprochen.
Nach der Plenumsdebatte im Bundestag werden sich vorerst die Ausschüsse mit dem Thema beschäftigen. Parallel dazu soll es auch weiter interfraktionelle Gespräche geben. Möglich ist, dass es schließlich einen interfraktionellen Entwurf gibt – oder einen Gruppenantrag, bei dem die Abgeordneten nicht nach Fraktion, sondern nach Gewissen abstimmen.
Die Grüne Schauws hofft, dass die zweite und dritte Lesung im Bundestag noch vor dem Sommer stattfinden. Das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung ruft am 22. Februar zu einer Kundgebung vor dem Bundestag auf, um Solidarität mit den betroffenen ÄrztInnen zu zeigen und für das Informationsrecht von Frauen einzustehen.
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