piwik no script img

Umstrittener AntisemitismusbeauftragterSchnöder Amtsmissbrauch

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Felix Klein warnt vor linksliberalen „Antisemiten“, darunter auch Juden. Seine KritikerInnen mit rechter Gewalt zu vergleichen, ist schamlos.

Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung Foto: Stefan Boness

F elix Klein, Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung, ist ein meinungsfreudiger Mann. In der Debatte um den Philosophen Achille Mbembe hatte er den Anti­semi­tis­­musvorwurf schnell parat. Dabei ist die Aufgabe des Regierungsbeauftragten weniger, den Diskurs-Schiedsrichter in Debatten zu geben als, so die Jobbeschreibung, „die Antisemitismus-Bekämpfung der Bundesregierung ressortübergreifend zu koordinieren“.

Klein scheint aus der heftig ausgetragenen Mbembe-Debatte, in der es auch Rücktrittsforderungen gegen ihn gab, gelernt zu haben – und zwar das Falsche. Anstatt umsichtig sein Kerngeschäft zu bearbeiten, stempelt er noch großflächiger KritikerInnen zu Antisemiten und hat eine neue Spezies entdeckt: den linksliberalen Antisemiten. „Der Antisemitismus aus dem linksliberalen Milieu“ sei nicht zu unterschätzen, „auch wenn rechte Erzählungen zurzeit höheres Gewaltpotential haben“, so seine jüngste Erkenntnis.

Nun sind die linksliberalen KritikerInnen, die seinen Rücktritt forderten, überwiegend jüdisch. Es wäre schon in einer Kneipe ein Unding, wenn nichtjüdische Deutsche so fahrlässig Juden mit dem Antisemitismus-Label bekleben. Bei einem Repräsentanten der Bundesregierung, der auch noch Antisemitismusbeauftragter ist, ist dies ein Offenbarungseid – und ein Fall von Amtsmissbrauch.

Es ist kläglich, honorige jüdische Intellektuelle, die es sich erlauben, den Begriff Antisemitismus nicht so grobschlächtig zu handhaben wie Klein, als Antisemiten zu denunzieren. Dies zeigt eine hemdsärmelige Unfähigkeit zu minimaler Selbstreflexion und eine frostige Abwesenheit von diskursiver Fairness. Nicht anders als infam ist der Vergleich mit rechter Gewalt, die hier in einem Atemzug mit Debattenbeiträgen über Postkolonialismus assoziiert wird.

Hier ist jedes Maß verloren gegangen. Dies ist ja nebenbei auch eine Verharmlosung der realen, rechtsextremen Gewalt gegen Juden. Der Kampf gegen Antisemitismus ist zu ernst, um ihn Leuten zu überlassen, die das Etikett „antisemitisch“ für private Rachefeldzüge missbrauchen.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!