Umstrittene „Transitzonen“ in Ungarn: EU verklagt Budapest
Die EU zieht gegen Ungarn vor den Europäischen Gerichtshof. Die Asylregelung der rechtskonservativen Regierung verstoße gegen EU-Recht.
Ungarn hatte im März 2017 begonnen, Flüchtlinge in durch Stacheldrahtzäune gesicherten Container-Lagern nahe der Grenze unterzubringen. Sie sind dort unter ständiger Aufsicht durch bewaffnete Wächter. Die Flüchtlinge müssen in den Transitzonen bleiben, bis über ihren Asylantrag entschieden ist.
Die Kommission verwies auf mehrere Verstöße gegen die EU-Asylverfahrensrichtlinie. Demnach können in Ungarn Asylanträge „nur innerhalb solcher Transitzonen gestellt werden“ und nirgendwo anders. In diese Zonen werde der Zugang aber „nur einer begrenzten Zahl von Personen und erst nach übermäßig langen Wartezeiten“ gewährt.
Zudem verstoße das Grenzverfahren gegen EU-Recht, „da die Höchstdauer von vier Wochen nicht eingehalten wird, während der eine Person in einem Transitzentrum festgehalten werden kann“. Die Kommission sei der Auffassung, „dass die unbeschränkte Inhaftnahme von Asylbewerbern in Transitzonen ohne Beachtung der geltenden Verfahrensgarantien“ gegen die EU-Vorschriften verstoße.
Ungarn drohen hohe Geldbußen
Weiterhin seien keine besonderen Garantien für schutzbedürftige Antragsteller vorgesehen, erklärte die Kommission weiter. Im April hatte der Europarat insbesondere die Lage Minderjähriger in den Transitzonen kritisiert. Demnach werden Flüchtlinge in Ungarn aufgrund der Verschärfung des Ausländerrechts bereits ab 14 Jahren als Erwachsene eingestuft werden – und nicht ab 18 Jahren, wie im internationalen Recht üblich.
Darüber hinaus sei das ungarische Recht nicht mit der EU-Rückführungsrichtlinie vereinbar, erklärte die Kommission. Denn es gewährleiste nicht, „dass Rückkehrentscheidungen einzeln erlassen werden und Informationen über Rechtsbehelfe enthalten“. Daher bestehe „die Gefahr, dass Migranten ohne die entsprechenden Garantien und unter Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung rückgeführt werden“.
Das Vertragsverletzungsverfahren der Kommission wegen der Lage in den Transitzonen läuft seit Dezember 2017. Wird Ungarn vor dem Europäischen Gerichtshof verurteilt, können Budapest hohe Geldbußen drohen.
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