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Umstrittene Tötung in DetroitMitten ins Gesicht geschossen

Eine junge schwarze Frau hat in der US-Großstadt Detroit nachts einen Unfall. Sie klopft bei einem Mann in der Nähe. Der erschießt sie. Angeblich aus Furcht.

Für die Demonstranten ist der Fall klar: Proteste in Detroit nach dem Tod Renisha McBrides. Bild: ap

Renisha McBride war unbewaffnet. Sie war 19. Zwei Stunden vor ihrem Tod hatte sie einen Autounfall gehabt, das war gegen halb zwei Uhr nachts im Detroiter Vorort Dearborn Heights. Ein Anwohner hatte die Polizei gerufen, als Renisha McBride aus unbekanntem Grund mit dem Wagen ihres Vaters gegen ein parkendes Auto geprallt war.

Es war nicht ihr erster Unfall – Renisha, die als Cheerleaderin an der Highschool beliebt war, hatte schon drei Autos kaputt gefahren. Ihr Vater weigerte sich stets, ihr ein neues zu kaufen, und tat es dann doch.

Der Anrufer berichtete nicht von Verletzten, so räumte die Polizei dem Unfall keine Priorität ein. Erst eine Dreiviertelstunde später kam ein Streifenwagen zur Unfallstelle. Da war Renisha McBride nicht mehr da. Ob sie kein Handy dabei hatte oder ob der Akku leer war, darüber gibt es unterschiedliche Darstellungen – jedenfalls konnte sie wohl keine Hilfe herbeitelefonieren.

Offenbar, sagt ihre Familie, versuchte sie, in der Nähe Unterstützung zu bekommen. Es war kalt und regnete in dieser Nacht vom 2. auf den 3. November. Gegen halb vier Uhr früh klopfte sie an die Tür eines 54-jährigen Hausbesitzers, etwa sechs Blocks entfernt von dem Ort, wo nach dem Unfall ihr Auto stand.

„Das war Rassismus“

Was dann geschah, ist Gegenstand polizeilicher Ermittlungen. Sicher ist: Die jugendliche Schwarze Renisha McBride, 19, wurde auf der Terrasse dieses Hauses erschossen. Der Schuss traf mitten ins Gesicht. Der Schütze war der Hausbesitzer, die Waffe ein Gewehr mit einem 12-Schuss-Magazin. McBride war unbewaffnet.

Der Schütze selbst ruft die Polizei – unklar ist bislang, ob vor oder nach dem Schuss. Er wird auf dem Revier vernommen und noch in der Nacht wieder nach Hause geschickt. Er habe Angst um sein Leben gehabt, sagt er. Der Schuss habe sich aber versehentlich gelöst. Die Staatsanwaltschaft prüft. Bis heute.

„Das war Rassismus“, sagt Renishas Tante. „Gerechtigkeit für Renisha McBride!“ fordert die Bürgerrechtsorganisation National Action Network. „Wenn ein Schwarzer unter diesen Umständen eine weiße Jugendliche erschossen hätte, säße er längst im Gefängnis“, sagten Demonstranten auf einer Mahnwache in Detroit.

Erinnerungen kommen hoch. Vor allem an Trayvon Martin, den 17-jährigen Schwarzen, der am 26. Februar 2012 in Florida vom Wachmann George Zimmerman erschossen wurde. Auch Martin war unbewaffnet – Zimmerman wurde erst nach Protesten festgenommen, schließlich freigesprochen.

„Stand Your Ground“-Gesetz

Wie in Florida gibt es auch in Michigan ein sogenanntes „Stand Your Ground“-Gesetz, ein Freibrief für die Anwendung tödlicher Gewalt, falls sich jemand bedroht fühlt. Die Anwältin des bislang nicht öffentlich identifizierten Schützen – der in den meisten Medien als Weißer beschrieben wird – hat das Gesetz bislang nicht zur Verteidigung ins Feld geführt. Doch für viele, die den Fall in sozialen Netzwerken kommentieren, ist es ein weiterer Beweis dafür, wie „Stand Your Ground“ dazu führt, dass Schwarze straflos von Weißen umgebracht werden können.

Vieles ist unklar im Fall Renisha McBride. Hat sie wirklich an die Tür geklopft, wie die Familie sagt, oder hat sie so dagegen gedonnert, dass der allein lebende 54-Jährige einen Einbruch fürchten musste? War sie betrunken, wie manche Kommentatoren im Netz vermuten? War sie verletzt, im Schock nach dem Unfall, verwirrt, wie die Familie glaubt? Warum hat der 54-Jährige überhaupt die Tür geöffnet, wenn er sich bedroht fühlte? Wie kann sich der Schuss „aus Versehen“ gelöst haben? Es gab keine Augenzeugen, es wird schwer sein, diese Fragen zu klären.

Sicher ist: Renisha McBride, 19, schwarz, ist tot. Der Mann, der sie tötete, wahrscheinlich ein Weißer, ist frei. Und eine ganze Bevölkerungsgruppe hat das sichere Gefühl, dass das andersherum ganz anders wäre.

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19 Kommentare

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  • Ist das eine rethorische Frage?

     

    Jder der schonmal als Kind mit einem Blasrohr (meist große Eigenpräzision) geschossen hat, weiß das Zielen und Treffen nicht unbedingt am gleichen Punkt (Abkommpunkt) zustandekommen.

     

    Das gilt für alle Schusswaffen größerer Leistung genau so.

     

    Wenn der Beschossene nicht still steht und überrascht wird, ist ein Kopftreffer durchaus Zufall. Hier erleichtert die Kenntnis der aktuellen pathologischen Fachliteratur das Verständnis!

     

    War die Lage so stationär, das der Täter auf den Kopf der Geschädigten zielen (Licht!) und diesen auch treffen konnte, so stellt sich schon die Frage ob er nicht auch den tatsächlichen Zustand der hilfsbedürftigen Person hätte erkennen können!

     

    Und wer einfach durch die Tür schießt ohne ein Ziel erkenen zukönnen ist ein krimineller Idiot!

     

    Glück auf!

     

    Karl

  • H
    Holzer

    Wie wäre es wenn ihr Taz'ler nicht immer die Rassismuskarte spielt!Und wenn schon dann schwarz und weiß...!

     

    http://edition.cnn.com/2013/03/22/us/georgia-baby-killed/

    • G
      gast
      @Holzer:

      Schwarz erschießt weis, bedeutet sofortiger Knast und evtl. Todesstrafe.

       

      Erschießt Weißer Schwarz war es Notwehr, angeblich, wie in dem Fall er fühlte sich durch das Klingeln bedroht.

       

      Das ist der klare Fall von schwarz UND weiß, Sie wollen es nur nicht erkennen

  • freunde von mir, weisse, besuchten die u.s.a, wollten öffentliche telefonzelle benutzen, weisser aus haus neben telefonzelle hatte was dagegen, bedrohte freunde mit pumpgun...

  • Mit Abstand eine der unbrauchbarsten Sachverhaltsschilderungen zu SW-Delikten seit langem.

     

    Welche Relevanz haben die möglicherweise begrenzten Fahrkünste der Geschädigten?

     

    Warum ist es deliktrelevant das das Gewehr ein 12-schüssiges Magazin gehabt haben soll (stimmt das überhaupt?)

     

    Wie war die Schussdistanz? Hat der Schütze wirklich durch die Tür oder eine Öffnung geschossen?

     

    "12 Schuss" legt einen sogen. Unterhebelrepetierer nahe, bauartbedingt eigentlich sehr funktionssicher; d.h. der Schütze muss schon bewußt abziehen (ggf. auch noch den Ladehebel bewußt an den Schaft drücken [sicherung] um einen Schuss auszulösen.

     

    Was sagt der KT-Befund?

     

    Hat der Schütze überhaupt erkennen können auf wen er da schoss (Lichtverhältnisse)?

     

    Ein Kopftreffer ist allgemein bei einer dynamischen Entwicklung ungewöhnlich, weil recht unwahrscheinlich. Je nach Körpergröße des Schützen legt die Orientierung des Schussdefektes zumindest nahe, ob sich fahrlässig ein Schuss gelöst haben kann(etwa schräg aufwärts-halte ich aber für unwahrscheinlich-) oder waagrecht was eher für einen gezielten Schuss spräche.

     

    Glück auf!

     

    Karl

    • G
      gast
      @KarlM:

      Diese seltsame Bemerkung Glück auf, find ich wenig passend zu diesem Thema.

       

      Nun Frage an Sie, alles ist unwichtig was Sie hier an Fragen stellen, relevant ist, ein Weisser hat eine Schwarze erschossen und kann heimgehen, als wär nichts passiert.

    • @KarlM:

      wieso sollte ein Kopftreffer unwahrscheinlich sein?

  • Ja, manchmal löst sich ein Schuss, wenn man den Abzug betätigt.

    Und natürlich bleibt "weißer Täter-schwarzes Opfer" straflos und ohne Konsequenzen.

    Und natürlich wär`s andersrum anders.

    • B
      beat
      @vic:

      und woher wissen sie, dass der "Täter" weiß war? im Text wird dies nicht eindeutig gesagt.

       

      Außerdem: Detroit eine Stadt mit hoher Kriminalität (kann man gerne im bekannten online Lexikon nachlesen), dazu um halb vier Nachts.

       

      Ich finde es schlimm, dass man in diesem Land abgeschossen werden kann, weil jeder Waffen hat, dass selbst alltägliche Situationen schnell lebensgefährlich werden, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie ausgerechnet bei einem Mann klopft, der Schwarze so sehr hasst, dass er sie einfach erschießt. Das kann ich mir einfach nicht vorstellen.

      • G
        gast
        @beat:

        War doch vor ein paar Wochen die Situation die, das ein Weißer sich bedroht fühlte, so seine Behauptung und darum hat er einen schwarzen auch unbewaffnteten Schwarzen erschossen, und ging wie könnte es anders sein, straffrei heim

  • B
    Brandt

    Anstatt die längst notwendige Kritische Weißsein Debatte zu unterdrücken, sollte man anfangen die angelsächsischen Theorie-Stränge nachholend zu rezipieren. Critical Whiteness gibt es auch in den visuell culture studies, die Bild-Diskurse in der Werbung, Cartoons, Kinofilmen, Talkshows, Nachrichtensendungen, Sportsendungen, Pornographie und Musik Clips untersucht. Massenmedien verbreiten typische Stereotype von schwarzen und weißen Frauen.

  • F R E I W I L D. bemerken wir noch, das für mit schusswafen ausgerüstweten und in ihrer handhabung geübten die "tötungshemmung" wie ein kleineres schlagloch "wirkt" - "war was"??

    sicher trifft es rassistisch. aber assoziierte demokraten und linke komen gleich mit in die tödliche HASS schusslinie. der hass geht ziemlich direkt auf vernichtung des "gegners". sowas "wissen" offensichtlicghnur spinozisten. spinoza hatte ja auch mordanschläge hinter sich - ex officio.. kein mordanschlagopfer glaubt an den "zufall".

    • G
      Gast
      @Dr. rer. nat. Harald Wenk:

      Gibt es eine übersetzte Version von dem was Sie sagen wollten oder wollten Sie gar nichts sagen und die Finger sind nur aus Versehen über die Tastatur gehuscht?

      • 7G
        774 (Profil gelöscht)
        @Gast:

        Ich dachte schon, nur ich glaube, der spinnt.

  • S
    Sokrates

    Ist es verwunderlich das solche Dinge in Amerika passieren? Jeder muss damit rechnen, dass sein Gegenüber eine Waffe besitzt und bereit ist diese zu benutzen. Wenn dann jemand nachts an fremden Türen klopft ist es eben wie russisch Roulette, für beide Seiten. Und es überlebt der mit den schwächsten Nerven.

    Diese Geschehen hat also nichts mit Rassismus zu tun sondern ist logische Folge eines Klimas aus Angst vor jeden Unbekannten. Und diese Angst wird nun schon seit Gründung der USA immer weiter ausgebaut und gefestigt, zieht sich durch alle Schichten, bis hoch zu den Regierenden und mündet dort in diesen paranoiden Überwachungswahn und dem Zwang alle Welt statt sich in die Augen, ins gezückte Messer blicken zu lassen.

    Ein sich selbst verstärkender Teufelskreis, der entweder in einen grossen Konflikt endet oder von vernünftigen Teilen der US-Bevölkerung endlich durchbrochen wird.

    Dieses Gefühl, "alle wollen uns nur bösses", hat auch ein Stück weit Berechtigung, bedenkt man wie europäische Einwanderer das Land besetzt haben und wie die ursprüngliche Bevölkerung behandelt wurde und wird. Und genauso gehen die Nachfahren weiter vor und glauben, dass es unabdingbar ist die eigene Meinung, mit Waffen- und anderen Formen von Gewalt auf der ganzen Welt durchsetzen zu müssen.

    Leider stehen sie damit nicht alleine da, jedes Volk erlag in der Vergangenheit oder erliegt momentan diesem Irrglauben.

    Und dass legt den Schluss nahe, entweder entwickeln wir uns endlich weiter oder gehen unter und machen Platz für einen neuen Versuch intelligenten Lebens.

    • S
      Spottdrossel
      @Sokrates:

      "... machen Platz für einen neuen Versuch intelligenten Lebens."

      Müßte gehen : Die Menschheit bekommt endlich das Große Kotzen über sich selbst - und erstickt am Erbrochenen .

  • G
    Gast

    Unglaublich ... "Der Schuss traf mitten ins Gesicht ... Der Schuss habe sich aber versehentlich gelöst"

    Wie kann man den jemanden versehentlich mitten ins Gesicht schießen? Und noch unglaublicher finde ich "Er wird auf dem Revier vernommen und noch in der Nacht wieder nach Hause geschickt." Warum wird der nicht festgehalten, bis das vollständig aufgeklärt ist ...

    • A
      Almöhi
      @Gast:

      Gibt's denn in Detroit wieder eine funktionierende Polizei und regulär entlohntes Knastpersonal?

      • G
        gast
        @Almöhi:

        In den USA scheint es nie genug Polizei zu geben und überbesetzter sind die Gefängnisse, nicht nur von Gefangenen sondern auch von massig Personal.

         

        Schaut man sich Berichte an, so sind möchte ich sagen mehr als 75 % Schwarze. Da sollte die USA mal nachdenken warum das so ist.