Umstrittene Hauptstadtrepräsentanz: Berliner Senat beschenkte Siemens
Der Verkauf des barocken Magnus-Hauses an den Konzern könnte gegen EU-Recht verstoßen: Laut Gutachten wurde das Grundstück weit unter Wert veräußert.
Der Verkauf des barocken Magnus-Hauses in Mitte an Siemens könnte die EU-Kommission beschäftigen. Laut einem Gutachten des prominenten Berliner Rechtsanwalts Peter Raue hat der Senat das Haus am Kupfergraben weit unter Wert verkauft: 2001 ging es für umgerechnet 3 Millionen Euro an den Konzern, der dort nun seine Hauptstadtrepräsentanz errichten will. Der Verkehrswert des 4.000 Quadratmeter großen Grundstücks betrug damals laut Gutachten indes 10 Millionen Euro. Der Verkauf erfülle damit vermutlich den Tatbestand der „rechtswidrigen Beihilfe“. Nun erwägen die Links- wie auch die Grünenfraktion eine Beschwerde in Brüssel.
Die Linksfraktion hat nun beantragt, mit Siemens über einen Rückkauf des Grundstücks zu verhandeln und den umstrittenen Bauvorbescheid für einen Neubau im Barockgarten zurückzunehmen. Der Antrag wird am heutigen Donnerstag im Abgeordnetenhaus diskutiert.
Das Haus mit der Adresse Am Kupfergraben 7 wurde um 1760 errichtet. Es gilt als letztes Beispiel eines barocken bürgerlichen Stadtpalais in Mitte. Die Siemens-Gründer Werner von Siemens und Johann Georg Halske sollen sich erstmals dort begegnet sein. Siemens will im Garten einen modernen Firmensitz bauen. Dass der Konzern dafür in diesem Jahr trotz des Vetos von Denkmalschützern grünes Licht bekam, geschah auf Anweisung des früheren Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD). Die Entscheidung löste Empörung aus (taz berichtete).
Dass das Barockjuwel auch noch zum Schleuderpreis verhökert wurde, setzt nach Ansicht des grünen Bauexperten Andreas Otto dem Ganzen die Krone auf. „Eine politische Baugenehmigung ist immer unappetitlich“, sagte Otto der taz. „Aber ein Preisnachlass von mehreren Millionen als Geschenk an einen Privatkonzern stinkt zum Himmel.“
Die Anfang 2001 getroffene Entscheidung geht noch auf die Ära Eberhard Diepgen zurück. Wowereit folgte dem CDU-Regierenden erst Mitte 2001 nach. Die Genehmigung des Neubaus geht hingegen auf Wowereits Wunsch zurück. Das zeigt die Antwort der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Katrin Lompscher und Klaus Lederer vom Mai. Darin heißt es: „In einem Schreiben des ehem. Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit an den ehem. Senator für Stadtentwicklung und Umwelt Michael Müller bat der ehem. Regierende Bürgermeister darum, das Vorhaben unterstützend zu begleiten und Fragen in engem Kontakt mit dem Bezirk einer einvernehmlichen Klärung zuzuführen.“ Wowereits Druck auf die Behörden könnte dem Senat auf die Füße fallen. Allerdings ist die „Beihilfe“ verjährt. Doch durch den Bauvorbescheid ist der Vorgang wieder aktuell – und kann von der Kommission angegriffen werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen