piwik no script img

Umstrittene GesundheitskarteFDP winkt Probelauf durch

Gesundheitsminister Rösler hält die elektronische Gesundheitskarte mit ihren bislang vorgesehenen Funktionen für unbedenklich - und pocht auf die testweise Einführung.

Bis Jahresende sollen 100.000 Exemplare der Gesundheitskarte in Nordrhein ausgegeben werden. Bild: dpa

BERLIN taz Die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte in der Testregion Nordrhein soll nach dem Willen des neuen Gesundheitsministers Philipp Rösler (FDP) weiter gehen. In einem Brief an seinen nordrhein-westfälischen Amtskollegen Karl-Josef Laumann (CDU) erklärt Rösler, die Bundesregierung halte die Karte mit ihren bislang vorgesehenen Funktionen für unbedenklich. Damit tritt Rösler Erwartungen entgegen, die Koalition wolle die deutschlandweite Einführung der umstrittene Gesundheitskarte stoppen.

In seinem Schreiben äußert Rösler Verständnis dafür, dass Laumann jede Verunsicherung im Pilotbezirk vermeiden wolle. "Deshalb waren wir uns von Anfang an auch darin einig, dass die Funktionen der bisherigen Krankenversichertenkarte von uns in keinerlei Hinsicht kritisch gesehen werden müssen." Er hoffe, mit diesen Klarstellungen dazu beigetragen zu haben, dass die notwendigen Maßnahmen ohne weitere Verunsicherung fortgesetzt werden könnten. Notwendig geworden war Röslers Intervention, weil mehrere gesetzliche Krankenkassen die Verteilung der neuartigen Karten gestoppt hatten. Bis Jahresende sollen 100.000 Exemplare in Nordrhein ausgegeben werden.

Die Kassen sind verunsichert, wie es mit der Einführung der Karte unter der neuen Bundesregierung weiter geht. Im Koalitionsvertrag heißt es: "Vor einer weitergehenden Umsetzung", also der deutschlandweiten Einführung der Gesundheitskarte, "werden wir eine Bestandsaufnahme vornehmen". Dabei sollten "Geschäftsmodell und Organisationsstrukturen" der Betreiberfirma Gematik überprüft werden, ebenso ihre Zusammenarbeit mit Ärzteverbänden, Krankenkassen und Gesundheitsministerium sowie die "bisherigen Erfahrungen in den Testregionen". Erst "danach" wolle die Koalition entscheiden, "ob eine Weiterarbeit auf Grundlage der Strukturen möglich und sinnvoll ist".

Mit seinem Schreiben hält sich der neue Gesundheitsminister alle Möglichkeiten offen. Rösler erklärt lediglich, die Koalition halte die "Funktionen der bisherigen Krankenversichertenkarte" für unstrittig. Zu diesen Funktionen zählen unter anderem der Name und das Geburtsdatum des Versicherten. Diese Informationen sollen auch in der ersten Version der sogenannten "e-Card" gespeichert werden. Nach und nach soll diese jedoch mehr Daten fassen und zu einer elektronischen Patientenakte werden. Dies war das Ziel des bereits unter Rot-Grün 2004 beschlossenen Gesetzes.

Ärzteverbände protestieren, die Patientendaten seien nicht sicher. Befürworter halten dagegen, ein Missbrauch der Karten sei dank PIN-Code, aufgedrucktem Foto und doppelter Zugangskontrolle kaum möglich.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

6 Kommentare

 / 
  • JD
    Johannes Döh

    ""Befürworter halten dagegen, ein Missbrauch der Karten sei dank PIN-Code, aufgedrucktem Foto und doppelter Zugangskontrolle kaum möglich."

     

    Das Foto macht es für jemanden, der eine solche Karte in die Finger bekommt, um Missbrauch damit zu treiben, eher leichter. Der Missbrauch wird ja wohl kaum in einer Arztpraxis betrieben, es sei denn, die Praxisangestellten/Arzt wären daran beteiligt.

    Leider weiß ich nicht, was hier mit "doppelter Zugangskontrolle" gemeint ist. Tatsache ist doch, dass die Karte in Arztpraxen per Lesegerät eingelesen werden muss (manchmal auch per mobilem Gerät, dass fast jeder Arzt bei Hausbesuchen usw. mit sich führt). Dieser Datenspeicher des mobilen Gerätes muss später mit dem Praxiscomputer abgeglichen werden. Wenn dazu eine PIN benötigt würde, könnte man diese Einsatzfälle vergessen. Mich würde einmal eine präzise technische Aufklärung dazu interessieren, denn so wie es sich derzeit darstellt, ist eine Datensicherheit wie bei einer eC- Card nicht möglich, wobei selbst diese schon mehrfach durch Trickbetrug ihrer Scheinsicherheit beraubt wurde. Die FDP disqualifiziert sich gerade selbst als selbsternannte Bürgerrechtspartei. Offensichtlich wurde doch nur aus wahltaktischen Gründen bei der Piratenpartei abgekupfert, aber das technische KnowHow scheint doch zu fehlen...?

  • T
    TinaI

    Diese Art der Totalüberwachung haben wir schon mit der Vorratsdatenspeicherung und mit der lebenslangen Steuer Identifikationsnummer!

     

    Jetzt also auch noch unsere Krankendaten auf zentralen UNSICHEREN Servern...

     

    Warten wir mal gespannt auf den Verlust der ersten intimsten krankheits -Datensätze der Bundebürger..

     

    Die Privaten Krankenversicherer lecken sich schon die Finger danach und wenn sie die Daten einmal haben, möchte ich sehen, welcher AIDS-infizierte noch versichert wird!

    Oder die Prämien auf einmal auf 1000,- Euro im Monat steigen! Wegen dem erhöhten Risiko für die Versicherer natürlich.. Und man dem Datamining das zwischen den Versicherungen heute schon illegal abläuft, hilflos ausgeliefert ist..

    (so wie bei der Schwarzen Liste der Versicherungen, die auch illegal betrieben wird, oder dem Schufa-scoring...).

  • F
    feelbad

    Die Bedenken vieler Datenschützer werden ignoriert, weil es für die Herstellerfirma Gematik und deren Zulieferer um viel Geld geht, nämlich um die Beiträge von zahlenden Kassenpatienten, die hier augenscheinlich gewollt zweckentfremdet werden. Am Ende wird die eGK durch die Speicherung der Krankendaten auf zentralen Servern ein Instrument der totalen Überwachung sein.

  • N
    Noqbert2

    Tja, die Neoliberale, marktradikale FDP, die die Bürger durch immer mehr Privatisierung ausrauben..

     

    Vor ein paar Monaten habe ich zum Thema Gesundheitwesen einen vernünftigen Standpunkt gelesen, der die Menschen und nicht den Profit in den Vordergrund stellt..

    Zitat: "... an den USA sollte sich Deutschland wirklich nicht orientieren. Deren System ist neoliberal und pervers, da der Mensch schon eher sterben gelassen wird, nur um Profite einzufahren.

    Die US Versicherungen haben dort die alleinige Kontrolle über das Gesundheitswesen.

    Michael Moores Film Sicko zeigt schonungslos die ganze, unglaublich traurige Wahrheit über das US Gesundheitssystem".

     

    Der link:

    www.derwesten.de/nachrichten/wp/2009/4/1/news-116067564/detail.html

  • DT
    der Totalerfassungszentrale

    Die Diskussion um die elektronische Gesundheitskarte dient als Ablenkungsmanöver. Das Problem ist die zentrale Erfassung aller Patientendaten, die jetzt eingeführt wird. Offensichtlich funktioniert die Strategie.

  • V
    vic

    "Befürworter halten dagegen, ein Missbrauch der Karten sei dank PIN-Code, aufgedrucktem Foto und doppelter Zugangskontrolle kaum möglich."

     

    In welchem abgelegenen Regenwalddorf haben diese Befürworter die letzten Jahrzehnte verbracht?