Umstrittene Bürotürme in Kreuzberg: Die Drohgebärden des Bausenators
Der Streit zwischen Senat und Friedrichshain-Kreuzberg um das Büroprojekt „Urbane Mitte“ am Gleisdreieckpark geht in die nächste Konfrontationsrunde.
„Wir haben den zuständigen Bezirk aufgefordert, die Planungen weiter voranzutreiben“, sagt Gaeblers Sprecher Martin Pallgen zur taz. Für den Fall weiterer Verzögerungen behalte sich der Senat vor, das Verfahren auch im Nordfeld an sich zu ziehen. „Der Bezirk muss jetzt in die Pötte kommen“, sagt Pallgen.
Bei der „Urbanen Mitte“ handelt es sich um ein rund 34.000 Quadratmeter großes Areal am U-Bahnhof Gleisdreieck, auf dem ein Investor sieben bis zu 90 Meter hohe Türme hochziehen will, vorgesehen vor allem für Büros und sonstiges Gewerbe. Das Projekt geht noch auf einen Vertrag zwischen dem Land Berlin, Friedrichshain-Kreuzberg und einem anderen Investor aus dem Jahr 2005 zurück.
Dass es faktisch nie wirklich vorangekommen ist, hat einen einfachen Grund: Anders als der schwarz-rote Senat hat der Bezirk überhaupt kein Interesse mehr an der Parkrandbebauung. Zumindest nicht in dieser klotzigen Form und schon gar nicht für Büroflächen. Insbesondere die in Friedrichshain-Kreuzberg dominierenden Grünen und Linken laufen seit langem Sturm gegen das Mammutprojekt.
Aus der Zeit gefallene Planungen
Die riesigen Bürotürme seien restlos „aus der Zeit gefallen“, sowohl in klima- als auch in stadtentwicklungspolitischer Hinsicht, sagt die Grünen-Abgeordnete Katrin Schmidberger zur taz. „Da wir schon genug Büroleerstand in der Stadt haben, hat Berlin keinen Vorteil – es würden nur die Investoren noch reicher“, so die Mietenexpertin, die in Friedrichshain-Kreuzberg als Direktkandidatin der Grünen für die Bundestagswahl antritt.
Dass der Bezirk aufgefordert werde, endlich mal Tempo zu machen, sei Schmidberger zufolge im Fall der „Urbanen Mitte Nord“ noch absurder als bei der gleichlautenden Forderung für das kleinere Südfeld im vergangenen Jahr. Schließlich hänge jegliche Planung im Nordabschnitt von einem ganz anderen Akteur ab: der Deutschen Bahn, die ihrerseits nicht in die Pötte komme.
Denn mitten durch das Baufeld mit den Bürogebäuden soll irgendwann die S-Bahnlinie S21 führen. Allerdings gibt es für den betreffenden Streckenabschnitt der neuen Nord-Süd-Linie noch nicht einmal eine Entwurfsplanung, die die DB dem Eisenbahnbundesamt (EBA) zwecks Zustimmung vorlegen könnte.
Für das Bezirksamt ist die Sache daher klar: Eine Weiterführung des Bebauungsplanverfahrens für die „Urbane Mitte Nord“ sei „erst dann sinnvoll, wenn die Bahn eine ausreichend konkrete und mit dem EBA abgestimmte Planung vorlegt“. Bausenator Gaebler könne noch so drängeln und drohen – „diesen begrenzenden Faktor wird auch der Senat nicht beschleunigen können.“
Auch deshalb halte man den angekündigten Entzug der Zuständigkeit für „unverhältnismäßig“. Ein entsprechendes Schreiben an Gaebler werde gerade vorbereitet, teilt das Bezirksamt auf taz-Nachfrage mit.
Bauverwaltung wiegelt ab
Das könne sich der Bezirk sparen, heißt es sinngemäß aus Gaeblers Verwaltung. Die „Planung der S21 und die Vorbereitung des Planfeststellungsverfahren“ für die Trasse „laufen“. Und „selbstverständlich“ würden das Bau- und das Bürovorhaben „im weiteren Verfahren aufeinander abgestimmt“. Kurzum: Die vorgetragenen Bedenken seien unbegründet.
Der Ausschuss für Stadtentwicklung der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg hat unterdessen am Donnerstag Gaebler aufgefordert, seine Anweisung, das Verfahren zu beschleunigen und bis Ende 2026 zum Abschluss zu bringen, wieder zu kassieren.
Die Drohgebärden des Bausenators werden entschieden zurückgewiesen, zumal sie „sachgrundlos die Planungshoheit des Bezirks und die BVV als demokratisch legitimiertes Gremium“ missachteten. Was auch die Bezirksverordneten wissen: Der Senatsbauverwaltung ist das im Zweifelsfall egal, wie sie bei der „Urbanen Mitte Süd“ unter Beweis gestellt hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!