Umstieg auf Erneuerbare: Schweden streiten über Vattenfall
Der Staatskonzern soll seine deutschen Atom- und Kohlekraftwerke verkaufen und in Erneuerbare investieren, fordern schwedische Politiker. Das ist nicht nur Wahlkampfgeklingel.
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STOCKHOLM taz | Die deutsche Vattenfall-Tochter mit ihren umstrittenen AKWs und Braunkohlekraftwerken verkaufen und mit dem Erlös in erneuerbare Energieproduktion investieren – wenn es nach dem schwedischen Umweltminister Andreas Carlgren von der Zentrumspartei geht, sollte dieser Schritt so schnell wie möglich gemacht werden. "Ich frage mich, warum der schwedische Staat in Europa langfristig Eigentümer von Kern- und Kohlekraftwerken sein soll und die Gelder der Steuerzahler für solche Aktivitäten riskiert."
Carlgren steht mit dieser Frage nicht allein. Seine Parteikollegin und Wirtschaftsministerin Maud Olofsson, im Kabinett formal zuständig für Staatsunternehmen, hatte schon vor ihm eine ähnliche Debatte angeregt und vorgeschlagen, durch einen Teilverkauf von Vattenfall Gelder für ein künftiges Hightechunternehmen "Zukunftsenergie AG" freizusetzen. Mit diesem könnten neue einheimische Arbeitsplätze geschaffen werden und könnte sich Schweden, was zukunftsträchtige Energiekonzepte angeht, an die Spitze setzen.
Nun gehören die Wirtschaftsministerin, die gleichzeitig stellvertretende Regierungschefin ist, und der Umweltminister mit dem "Zentrum" einer Partei an, die im Meinungstief dümpelt und mit solch einem Vorstoß ausgerechnet sechs Wochen vor den Parlamentswahlen auf zusätzliche WählerInnenstimmen hofft. Was die Debatte dennoch interessant macht: Schwedens oppositionelle Grüne haben ebenfalls einen Ausstieg Vattenfalls aus deutscher Atom- und Kohleverstromung vorgeschlagen, und die Sozialdemokraten, die zusammen mit Grünen und Linken nach den Wahlen eine Koalition bilden wollen, reagierten auf Carlgrens Vorstoß mit einer Kehrtwendung.
Schlossen die Sozialdemokraten bislang einen auch nur teilweisen Verkauf des "Kronjuwels" Vattenfall aus, wollen sie den Verkauf der Auslandsteile jetzt mittragen. Vattenfall, so der sozialdemokratische Schattenwirtschaftsminister Thomas Östros, habe sich mit seinem Deutschland-Engagement "verkalkuliert". Womit sich über die Blöcke hinweg eine parlamentarische Mehrheit für den Verkauf der deutschen Tochter abzeichnet.
Ein solcher Schritt sei auch ökonomisch sinnvoll, rechnete am Freitag in der Stockholmer Dagens Nyheter ein namentlich nicht genannter "Experte des europäischen Energiemarkts" vor: Die Deutschlandtochter sei relativ leicht zu verkaufen. Die deutsche Eon und die französische EdF stünden als Interessenten bereit. Fraglich sei nur der Preis. Und mit der Perspektive auf eine eventuelle Privatisierung sei das Staatsunternehmen ohne seine atomaren und fossilen kontinentalen Lasten sogar attraktiver.
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