Umgestaltung der Bergmannstraße: Begegnungen der besonderen Art
Die „Parklets“ stehen – sonst funktioniert noch nicht soviel in der neuen temporären Begegnungszone auf der Kreuzberger Bergmannstraße.
Optimal ist der Zeitpunkt offenbar nicht gewählt. Als Florian Schmidt, grüner Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, und Dirk Bartel, Fußverkehrsexperte bei der Senatsverwaltung, der Presse die Testbegegnungszone in der Kreuzberger Bergmannstraße vorführen, ist die noch gar nicht fertig. Zwar sind schon die „Parklets“ montiert – ein gutes Dutzend fancy Sitzmöbel aus dottergelbem Blech und skandinavischer Kiefer.
Aber sonst fehlt noch viel: Die Straßenmarkierungen sind unvollständig, die Lieferzonen für Lkws nicht ausgewiesen und darum zugeparkt, die Tempo-20-Schilder glänzen durch Abwesenheit, und die Parkraumbewirtschaftung im Kiez, von der sich die Behörden eine Entspannung des Verkehrs erhoffen, ist aufgrund organisatorischer Pannen immer noch nicht angelaufen.
Es herrscht also das übliche Chaos, nein: mehr als sonst, denn Parklets und Markierungen machen die Fahrbahn faktisch 2 bis 3 Meter schmaler. Weil in Ermangelung der Lieferzonen immer noch alle Transporter in zweiter Reihe halten, kommt es zu Staus, es wird gehupt, Lkw-Fahrer brüllen Nichtzitierfähiges, und überhaupt ist es brutal laut. Auf den Parklets fehlt noch die Bepflanzung, und die dafür vorgesehenen Kästen werden als Mülleimer missbraucht, was das Gesamtbild nicht besser macht.
Dass Florian Schmidt ab und zu theatralisch die Augen verdreht, liegt aber an den Reaktionen derer, die im Vorbeigehen ihrer Abneigung gegen das Experiment Audruck geben. Bevor es überhaupt losgehen kann, gesellt sich schon ein älterer Anwohner zu den Journalisten und erklärt ihnen, wie viel Geld hier verschwendet wird. Wenig später schiebt eine Frau ihr Fahrrad vorbei, lacht dreckig und ruft: „Sieht schrecklich aus!“ Ein anderer rotzt ein „Die lügen doch!“ in die Gruppe. Ganz offensichtlich hat die Akzeptanz der Zone noch Luft nach oben.
„Am liebsten Autoverkehr besteuern“
Aber Schmidt bleibt tapfer und macht klar, worum es seiner Meinung nach geht: um „nichtkommerzielle Aufenthaltsmöglichkeiten“ und Verringerung der Dominanz des Autoverkehrs, um mehr Sicherheit und Übersichtlichkeit, sprich: das „Leben und Überleben von Menschen“. Mit dem Wegfall von rund zwei Dritteln der Parkplätze für private Pkw-NutzerInnen hat er entsprechend kein Problem: „Wenn ich die entsprechende Hoheit hätte, die ich natürlich nicht habe, würde ich sofort damit anfangen, die Einfahrt von Autos in den Bezirk zu besteuern.“
Dass AnwohnerInnen fürchten, auf den Parklets werde nur Party gemacht, weiß der Stadrat. „Aber dafür gibt es ja den Test.“ Am 19. November starte die Onlinebeteiligung, bis Anfang 2020 werde entschieden, alles sei reversibel. Dirk Bartel von der Verkehrsverwaltung fügt hinzu, die gelb-hölzernen Module könnten dann auch auf anderen Straßen in anderen Bezirken zum temporären Einsatz kommen: „Man kann sich das vorstellen wie einen Wanderzirkus.“
Leser*innenkommentare
finches
„Man kann sich das vorstellen wie einen Wanderzirkus.“. Stimmt, mehr ist es nicht. Dafür Steuergelder zu verbraten, ist schon eine Frechheit. Aber man kann ja eine Re-Finaznierung starten: "... die Einfahrt von Autos in den Bezirk zu besteuern.“ Tolle Idee und jeder Bezirksheini darf mal wieder die Sau durchs Dorf treiben.
Andi S
Ein schlechter Start macht auch die beste Idee kaputt. Wobei mir das Konzept nicht ganz klar ist: Fahrbahnverengung mit Sitzgelegenheiten? Die Befürchtung der Anwohner vor Lärm an wärmeren Abenden kann schon angebracht sein.
Und bevor hier Sprüche kommen wie: „In einer Innenstadt muss man...“.
Find ich auch, solange es nicht unter meinem Fenster passiert oder ich früh raus muss.