Umgang mit armeekritischer NGO in Israel: Maulkorb in den Schulen
Die NGO „Das Schweigen brechen“ darf keine Schul-Veranstaltungen mehr durchführen. Das sieht ein Gesetz vor, das jetzt verabschiedet wurde.
Das Gesetz hält fest, dass der Bildungsminister „die Regeln macht, um Aktivitäten von Personen oder Organisationen an Bildungseinrichtungen zu unterbinden, die nicht Teil des Bildungssystems sind“. Den Posten des Bildungsministers hat Naftali Bennett inne, Chef der Siedlerpartei „Das jüdische Haus“.
Jehuda Schaul, Mitgründer von „Das Schweigen brechen“, kommentierte die Gesetzreform besorgt. „Das ist der Anfang vom Ende Israels als offene Gesellschaft“, erklärte Schaul am Telefon gegenüber der taz. „Das Gesetz zielt darauf ab, die Besatzung fortzusetzen.“
Die Nichtregierungsorganisation (NGO) „Das Schweigen brechen“ konfrontiert Israels Zivilbevölkerung mit dem Alltag in den Palästinensergebieten, ähnlich wie die Menschenrechtsorganisation B'tselem, die sich mit ihrem Projekt „Shooting back“, gemeint sind Videoaufnahmen, unter anderem die Dokumentation von Fehlverhalten der Armee oder israelischen Siedlern zum Ziel setzt.
Die regierungs- und besatzungs-kritischen Gruppen geraten seit Jahren zunehmend unter Druck von Seiten der Regierung und rechts-religiöser Siedler. Schaul berichtete in der Vergangenheit über Drohanrufe und Cyberangriffe.
Aktuell liegt ein Gesetzentwurf auf dem Tisch der Knesset, der Videoaufnahmen von Soldaten, die im besetzten Palästinensergebiet ihren Dienst tun, verbietet und Haftstrafen bis zu fünf Jahren vorsieht. „Dieses Gesetz verletzt das Recht freier Meinungsäußerung und journalistischer Freiheit“, kommentierte die liberale Tageszeitung Haaretz. Es entstehe der Eindruck, „die Armee habe etwas zu verbergen“.
Die Öffentlichkeitsarbeit von „Das Schweigen brechen“ richtet sich zentral an Abiturienten kurz vor ihrer Rekrutierung zum Militär. Das neue Gesetz „könnte die pädagogische Arbeit von Menschenrechtsorganisationen ersticken“, heißt es in einer Erklärung der NGO.
Die sozialdemokratische Abgeordnete Scheli Jechimowitsch nannte die Initiatoren des Gesetzes „Feiglinge“. Die angehenden Soldaten sollten „pluralistische Weltanschauungen“ zu hören bekommen. „Das Schweigen brechen“, so rechtfertigte hingegen die Mitinitiatorin der Reform und Parlamentarierin Schuli Mualem-Refaeli von der Siedlerpartei, „verleumdet die Soldaten der Verteidigungsarmee in Israel und im Rest der Welt“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht macht BND für Irrtum verantwortlich
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Studie zum Tempolimit
Es könnte so einfach sein