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Umgang mit „Problembären“Einige Tiere müssen sterben

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Für die Bärin, die einen Jogger in Italien getötet hat, gibt es Platz in einem Gehege. Aber nicht für alle Bären, die auffällig geworden sind.

Im Bärenwald Müritz leben Braunbären, die gerettet wurden Foto: Philipp Brandstädter/dpa

D ie Braunbärin JJ4, die im April einen Jogger in Norditalien getötet hat, muss wohl wirklich nicht umgebracht werden. Sie ist gefangen worden und lebt jetzt in einem Gehege in der Region Trentino. Das Oberste Verwaltungsgericht in Rom hat nun bestätigt, dass sie vorerst nicht getötet werden darf. Auch weil es eine praktikable Alternative gibt: Tierschützer haben angeboten, JJ4 auf eigene Kosten in ein Bärenreservat in Rumänien umzusiedeln.

Doch auf die Dauer wird man im Trentino nicht umhinkommen, einige Bären nicht nur zu fangen, sondern auch zu töten. Wildbiologen kritisieren, dass in der Region zu wenige auffällige Bären „entnommen“ worden seien, obwohl die Population mit rund 100 Tieren dafür groß genug sei. Auch JJ4 hätte schon viel früher aus der freien Wildbahn entfernt werden müssen. Das Tier hat nach Angaben der Staatsanwaltschaft unter anderem bereits im Sommer 2020 zwei Menschen angegriffen.

„Entnommen“ werden müssen vor allem Bären, die angreifen, wenn man sie aus kurzer Distanz überrascht. Alles andere ist zu gefährlich für Menschen, wie der Fall des Joggers zeigt. Natürlich muss die Bevölkerung stärker als im Trentino darüber aufgeklärt werden, dass man sich bei einem Bärenangriff nicht wehren darf, sondern auf den Boden legen muss. Aber das Risiko ist einfach zu groß, wenn Tiere so angriffsbereit sind wie JJ4.

Aggressive Bären in Gehege einzusperren, ist langfristig keine Lösung. Zum einen gibt es nicht genügend geeignete Gehege. Zum anderen sind die Kosten für die Unterbringung nicht zu rechtfertigen. Der höhere Aufwand könnte dazu beitragen, dass Behörden nicht rechtzeitig Tiere entnehmen lassen. Und artgerecht ist es auch nicht, so große Beutegreifer auf im Vergleich zu ihren natürlichen Lebensräumen winzigen Flächen zu halten.

Gefährliche Bären zu entnehmen, ist auch im Interesse des Naturschutzes. Denn tödliche Bärenangriffe reduzieren die Akzeptanz der Tierart in der Bevölkerung. Dann könnte schnell eine gesamte Population in Gefahr geraten.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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6 Kommentare

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  • Zunächst wünsche ich mir, dass die Schreibenden der taz nicht länger solche unsäglichen Begriffe wie Problem-Bär oder -Wolf verwenden, auch nicht mit Anführungszeichen. Sie können sich auch das "entnehmen" sparen und schlicht töten schreiben.

    Zudem verwundert mich, dass nicht etwas kritischer beleuchtet wird, in welchen Situationen es zu Zwischenfällen mit Bären kommt. Es wurde im Bericht "Bärenangriffe in Europa" nicht erläutert, ob der Spaziergänger überhaupt von dem sich nähendern Bären angegriffen wurde. Es wird auch nicht hinterfragt, warum ein Spaziergänger mit scharfer Munition in einer Pistole unterwegs ist und warum er elf mal schießen musste, um das Tier tödlich zu treffen. Ich hätte weit mehr Angst vor diesem Spaziergänger denn vor irgendeinem Tier und ja, ich habe zwei Jahrzehnte in einer Gegend gelebt, in der es sowohl Braunbären als auch Wölfe gibt.

    Das Problem mit der Forderung nach Abschuss ist, dass es zunächst sehr schwierig sein dürfte das betreffende Tier zu identifizieren und zudem festzustellen, ob es wirklich dauerhaft verhaltensauffällig ist. Das Argument, mit der Tötung gefährlicher Bären erhöhe sich die Gesamtakzeptanz, erschließt sich mir nicht. Jedes Tier - es muss noch nicht mal ein Wildtier sein - kann Menschen gefährlich werden. Akzeptanz schafft man duch Aufklärung, Schulung und die Liebe zur und den Respekt vor der Natur.

    • @Frau Sperling:

      Sehr gut und richtig gesprochen, Frau Sperling. Nur etwas Mühe muß man sich geben, Taz ...



      Alle Tiere und Pflanzen haben ihr ureigenes Recht auf Existenz. Dieses erfolgt nicht aus menschlicher Gnade, sondern gilt uneingeschränkt. Das ist ein planetarisches Weltenrecht.



      Die Menschheit verhält sich wie ein Schimmelpilz, indem sie die ganze Erde befällt. Aber während ersterer danach seine Sporen in die Luft abgibt, ist hier alles totgemenscht. Da ist derSchimmel tatsächlich sympatischer und wohl auch intelligenter in Summe.



      Ich werde diese praktizierte "Menschlichkeit" nie verstehen.



      Grund für diese Mensch-zentrierte Denke könnten die institutionalisierten Religionen sein, die ihre jeweiligen Anhänger als etwas Auserwähltes bezeichen ... da gehen friedlichere und harmlosere Gattungen schnell verloren.

  • Auf kurze Distanz überraschte Bären verhalten sich völlig normal, wenn sie angreifen. Der Mensch ist in der Pflicht, solche Begegnungen zu vermeiden, was nicht heißen soll, dass man überhaupt keine Bären schießen soll.

    • @Axel Donning:

      Herr Kieling hatte doch mitgeteilt, dass er sich dem Bären genähert hat, weil er meinte, dass der ihn mittlerweile " kennen" würde.

      Zudem würde doch berichtet, dass festgestellt wurde, dass nicht die Bärin den Jogger angegriffen hatte, sondern, dass es ein Bärenmännchen gewesen sein soll!?!

    • @Axel Donning:

      Völlig richtig, ist aber selbst einem Andreas Kieling kürzlich nicht gelungen!

      • @dites-mois:

        Bei dem Kieling bin ich nicht ganz sicher, ob seine Version der Geschichte so stimmt, oder ob er sich nicht doch ungebührlich angenähert hat, was ihm nicht ganz unähnlich sähe.