Unter Jüngeren besonders viele Vegetarier*innen

Anteil laut Umfrage doppelt so groß wie bei Älteren. Tierquälerei in Schlachthof, der auch Biovieh tötet

Umweltverband BUND unterstützt Bauernproteste gegen niedrige Fleischpreise

Von Jost Maurin

Im Vergleich mit der Gesamtbevölkerung Deutschlands ernähren sich einer Umfrage zufolge doppelt so viele 15- bis 29-Jährige vegetarisch oder vegan. Knapp 13 Prozent verzichteten auf Fleisch, heißt es in der Untersuchung der Universität Göttingen, die im „Fleisch­atlas 2021“ der Heinrich-Böll-Stiftung, des Umweltverbands BUND und der deutschen Ausgabe von Le Monde diplomatique (taz-Verlag) zitiert ist. BUND-Vorsitzender Olaf Bandt unterstützte bei der Präsentation des Hefts am Mittwoch ausdrücklich die derzeitigen Proteste von Bauern beim Lebensmittelhandel gegen zu geringe Erzeugerpreise etwa für Schweine und Milch.

Die Tierhaltung verursacht laut „Fleischatlas“ 14,5 Prozent der globalen Treibhaus­gas­emissionen. Die Fleischproduktion trage auch zum Aussterben von Tier- und Pflanzenarten bei. Zudem gibt es immer wieder Skandale ­wegen Tierquälerei wie aktuell in einem Schlachthof in Brandenburg, der auch Ökoschweine für die Supermarktkette Bio Company getötet hat.

75 Prozent der jungen Veganer*innen, aber nur 15 Prozent der Allesesser*innen sehen sich laut Umfrage als Teil der Klimaschutzbewegung. 92 Prozent der Vegetarier und 64 Prozent der Omnivoren lehnten die Arbeitsbedingungen in der Fleischwirtschaft ab. Rund ein Drittel derjenigen, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, hätten erst im vergangenen Jahr auf fleischfrei umgestellt. Ab 2019 wurde die Klimaschutzbewegung Fridays for Future populär, 2020 gab es mehrere große Corona-Ausbrüche in Schlachthöfen.

Eine Spaltung zwischen Stadt und Land oder Westen und Osten habe die Umfrage nicht ergeben. Kleine Unterschiede zeigten sich nur bei den Flexitariern, die lediglich manchmal Fleisch essen – sie seien in den Metropolen etwas stärker vertreten. Für die Analyse wurden laut Fleischatlas rund 1.200 Personen online interviewt, die nach Geschlecht, Region und Bildung repräsentativ ausgewählt wurden.

Böll-Stiftung und BUND forderten von der Politik Kampagnen und eine Haltungskennzeichnung, um den Fleischverbrauch um mindestens die Hälfte zu reduzieren. Wegen der niedrigen Preise falle es den Landwirten schwer, mehr für Umwelt- und Tierschutz zu tun, sagte Bandt. „Daher sind die derzeitigen Proteste der Bäuerinnen und Bauern gegen die Preispolitik des Lebensmitteleinzelhandels vollkommen richtig“, so der Umweltschützer. Auch deshalb müsse Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) eine Tierwohlabgabe auf Fleisch einführen lassen, die Höfen zugutekommt. Gleichzeitig solle die EU ihre Landwirtschaft wie von der Welthandelsorganisation WTO erlaubt gegen Sozial- und Umweltdumping durch Importe schützen. „Wir werden es nicht schaffen, in Europa und in Deutschland zu den Bedingungen zu produzieren, wie das in der Ukraine, in China oder sonst wo möglich sein wird“, sagte der BUND-Chef. Die Landwirte der EU müssten sich mit höheren Standards, nicht immer billigeren Produkten durchsetzen. Viele Bauern wehren sich gegen höhere Anforderungen, weil diese ihre Produktion verteuern.

Ein nun vom Deutschen Tierschutzbüro veröffentlichtes Video aus einem Schlachthof in Neuruppin zeigt, dass dort Schweine getreten, geworfen und mit Haken geschlagen wurden. Viele Tiere seien vor ihrer Tötung unzureichend betäubt worden, so die Organisation.

„Unstreitig ist hier eine Vielzahl von Verstößen zu sehen“, schrieb die zuständige Amtstierärztin des Kreises Ostprignitz-Ruppin, Simone Heiland, der taz. Bei einer Kontrolle habe ausgerechnet einer der beschuldigten Arbeiter Schweine tierschutzgerecht betäubt. Das Amt habe „zwei Hauptakteuren“ das Schlachten verboten.

Die Bio Company erklärte, sie habe ihre Belieferung aus dem Schlachthof „sofort nach Bekanntwerden der Vorfälle im Dezember“ gestoppt. Die Kette sei nicht Hauptabnehmer gewesen, sondern habe „weniger als zehn Prozent des dort verarbeiteten Volumens“ gekauft.