Umbenennung von Berliner U-Bahnhöfen: Eiserne Regel außer Kraft gesetzt
Die BVG tut sich schwer, U-Bahnhöfen einen neuen Namen zu geben. Warum? Und warum wurden gerade zwei Haltestellen umbenannt?
„Rühr einen Bahnhofsnamen nicht an“ – so laute eine interne eiserne Regel der BVG, sagt deren Pressesprecherin Petra Reetz. Trotzdem heißt seit dem Wochenende der U-Bahnhof „Thielplatz“ in Zehlendorf nun „Freie Universität“ und die „Neue Grottkauer Straße“ in Marzahn „Kienberg (Gärten der Welt)“. Was ist passiert?
Zunächst gilt es zu verstehen, warum ein Bahnhofsname so unantastbar scheint: Mit einer Umbenennung sind meist Kosten von mehreren hunderttausend Euro verbunden. Der neue Name muss in allen Infomaterialien korrekt verzeichnet sein – von den Abfahrtsplänen auf den Bahnhöfen bis zu Liniennetzkarten in Reiseführern. Zudem müsse man die interne Software umprogrammieren. „Wir sind ja wie eine unterirdische Autobahn, da muss jede Ausfahrt korrekt beschriftet sein“, sagt Reetz.
So viel Aufwand. In diesem Fall in Marzahn ist er einem besonderen Event geschuldet: Denn die Neue Grottkauer Straße grenzt an die Gärten der Welt, und diese riesige Grünfläche wird 2017 zur Bühne der Internationalen Gartenausstellung. Das Land Berlin investiere viel in die Ausstellung, so Reetz: „Der Bezirk wünschte sich, das entsprechend zu würdigen.“
Von der Politik angestoßen bricht die BVG also ihre eiserne Regel und nimmt die Gartenschau als Anlass für die Sanierung des Bahnhofs – und die Sanierung als Anlass für die Umbenennung. Wobei die konkreten Kosten für die Namensänderung mit denen der Sanierung verschwimmen. Die Sanierung kostet die BVG jedenfalls sieben Millionen Euro. Aus EU-Fördergeldern gab es noch Geld dazu.
Die Freie Universität wird ebenfalls gewürdigt. Seit Jahren kämpft sie für die Umbenennung des Bahnhofs, nun bekommt sie ihre Chance: „Eigentlich wäre die Umbenennung des Thielplatzes in Freie Universität ein Riesenaufwand gewesen“, so Reetz: „Aber wir ändern sowieso die Fahrpläne wegen den Gärten der Welt.“ Ob dann mehrere Namen geändert werden müssten, würde keinen Unterschied machen.
Was heißt, dass Bahnhofsnamen doch dem Wandel unterliegen. An die „eiserne Regel“ hat man sich schon bei den vergangenen Umbenennungen wie denen des Bahnhofs „Zinnowitzer Straße“ in „Naturkundemuseum“ oder „Seidelstraße“ in „Otisstraße“ vor ein paar Jahren nicht gehalten.
Bei der Mohrenstraße in Mitte hingegen tobt ein jahrelanger Streit, Bürgerinitiativen fordern aufgrund der rassistischen Bezeichnung die Umbenennung des Bahnhofs. Steht uns nun ein weiterer Regelbruch bevor?
Reetz aber weist darauf hin, dass hier die Politik handeln müsse. Bahnhofsnamen böten immer eine Orientierungshilfe, und eine Änderung würde eine große Umstellung für viele Menschen bedeuten. Aber „wenn das Land Berlin die Mohrenstraße in Maiglöckchenstraße umbenennen würde, müsste auch der U-Bahnhof Mohrenstraße umbenannt werden“, meint Reetz.
Ohne den Anstoß aus der Politik wird das landeseigene Unternehmen BVG also nicht zur Regelbrecherin. Verständlich. Aber schade.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung
Serpil Temiz-Unvar
„Seine Angriffe werden weitergehen“