Ulrich Schulte über das Bauchgrimmen der SPD-Basis bei TTIP: Papierkäfig für den Gabriel-Tiger
Sagen wir es mal so: Wer das Freihandelsabkommen TTIP unbedingt verhindern möchte, sollte sich lieber nicht auf seine SPD-Mitgliedschaft verlassen. Wenn kritische Aktivisten jetzt verlangen, die Sozialdemokraten mögen den verhassten Deal mit den USA stoppen, hat das etwas ungewollt Komisches. Würde SPD-Chef Sigmar Gabriel ernsthaft gegen TTIP, Ceta und Co. eintreten? Das, mit Verlaub, liebe KritikerInnen, ist undenkbar.
Gabriels Jobdefinition lässt das auch nicht zu. Er ist nicht nur Vorsitzender einer Partei, die ordentlich Bauchgrimmen hat, sondern eben auch Wirtschaftsminister. Als solcher kämpft er zwar tapfer für Änderungen, die den Verbrauchern nutzen. Aber er hat auch das Wohl der Unternehmen im Blick. Ihm liegt die Prosperität der Gesellschaft am Herzen, er weiß um die Chancen eines gemeinsamen Wirtschaftsraums mit den USA. Aus Gabriels Sicht schlagen solche Argumente Bedenken der Verbraucherschützer und der Opposition. Kurz: Auch wenn Gabriel aus Rücksicht auf die SPD rote Linien betont, ist er nicht bereit, ein Scheitern der Verhandlungen zu riskieren.
Und die SPD-Basis? Sie ist skeptisch, sehr skeptisch. Viele Anträge zum Parteitag lesen sich wie verzweifelte Versuche der Genossen, Gabriel in einen Käfig zu sperren. Als ob Gitterstäbe auf Papier jemals SPD-Bosse von ungeliebten Entscheidungen abgehalten hätten. Es ist einfach und ein bisschen traurig: Die Mitbestimmung stößt bei diesem Thema an ihre Grenzen, die Bedenken der Genossen zählen nicht. Gabriel weiß, dass die SPD sofort als Vernichter des bundesdeutschen Wohlstands angefeindet würde. Ein Nein zu TTIP wäre aus seiner Sicht Irrsinn, zumal schon bald die nächste Bundestagswahl ansteht.
Für die SPD gilt das Gleiche wie für die meisten Parteien. Nicht das Programm gibt den Kurs vor – das tun die Köpfe in Verantwortung. TTIP-Kritiker, die auf die SPD setzen, werden deshalb enttäuscht werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen