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Hetze gegen Schwarzkopf­regenwurmWürmer shamen ist Niedertracht pur

Der Schwarzkopfregenwurm hat viel Verdauung. Das mag den Bauern nicht passen. Deshalb aber unsere Probleme auf ihn abzuwälzen, zeugt von Verrohung.

Mit ein Hauptgrund für den aufgestachelten Hass gegen ist, dass der Wurm zu viel kackt Foto: Farina Graßmann/imago

E rschreckend: Kürzlich wurde in der Süddeutschen Zeitung der invasive Schwarzkopf­regenwurm doch tatsächlich als „Schadwurm“ bezeichnet. Das geht entschieden zu weit. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der „Schwachkopf“-Affäre um Robert Habeck sollten die ­Medien ihre Verantwortung reflektieren, wenn es um eine allgemeine Verrohung des Tonfalls geht. Was ist denn, wenn der Wurm das liest? Der wurmt sich doch zu Tode.

Kein Wunder, dass ich mich zunächst gleich zweimal verlese. Einmal lese ich „Schandwurm“ und einmal „Schuldwurm“. Der schändliche Wurm, der an allem schuld ist. Der Sündenwurm. Zumindest in Bayern und den östlichen Bundesländern denkt man da automatisch an die Grünen.

Was ist denn bloß los mit euch?, möchte man den Verfassern solcher Hetzschriften zurufen, wie frustriert muss man sein, um gedankenlos auf einen Schwächeren einzuprügeln? Nicht, weil er ihnen irgendwas getan hätte, sondern schlicht, weil man es kann. Weil er klein ist und ein Wurm. Das ist die verquere Logik dahinter.

Menschen kommen mit ihrem Leben nicht klar, haben ihre Ängste, ihre Finanzen, ihre Sexualität nicht im Griff und sind permanent mit sich und der Welt unzufrieden? Gemach, projizieren wir doch einfach all unsere Probleme auf den Schwarzkopfregenwurm. Da wird der „Schadwurm“ in der öffentlichen Meinung schnell zum gefährlichen Lindwurm aufgeblasen.

Die Legende vom Kühe vergiften

Mit ein Hauptgrund für den aufgestachelten Hass ist, dass der Wurm zu viel kackt. Und zwar imaginäre Riesenhaufen, die die Kühe vergiften, die Milch verderben und auf denen Trecker ausrutschen. Ihn wegen dieses zutiefst verständlichen Grundbedürfnisses wurmzu­shamen ist Niedertracht pur.

Angesichts solcher Gemeinheiten braucht es niemanden zu erstaunen, dass sich die Natur nun wiederum massiv gegen uns kehrt. So ist es nur folge­richtig, dass jeder Shitstorm (sic!) gegen einen wehrlosen Wurm im Nu einen echten Wirbelstorm irgendwo auf der Welt nach sich zieht.

Tiere sind übrigens viel solidarischer als die Medien. So sah ich jüngst, wie eine Krähe eine überfahrene Taube von der Fahrbahn zog. Die Krähe wirkte dabei wie eine Sanitäterin. Das rührte mich gerade auch in all seiner Vergeblichkeit an. Lasst uns daran ein Beispiel nehmen und dem Schwarzkopfregenwurm zeigen, dass wir ihn lieben und dass er nicht allein ist.

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Uli Hannemann
Seit 2001 freier Schreibmann für verschiedene Ressorts. Mitglied der Berliner Lesebühne "LSD - Liebe statt Drogen" und Autor zahlreicher Bücher.
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4 Kommentare

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  • Ui. Jeder Wurm hier produziert ja mehr Kacke als jeder Politiker !

  • Die Krähe dürfte eher ihre nächste Mahlzeit (und die ihres Krähenschwarms) in Sicherheit gebracht haben.

  • Herr Hannemann, hätten sie noch 2 Minuten die Krähe nach der "Rettungsaktion" der Taube beobachtet dann hätten Sie gesehen wie sie diese genüsslich verspeist hat. Der Krähe war es nur zu gefährlich auf der Straße für ihr Mahl.

  • Was ist denn ein Lindnerwurm? Oder hab ich mich jetzt verlesen...