Ukrainischer Boxer Oleksandr Usyk: Kämpfen, egal wo

Der ukrainische Box-Weltmeister im Schwergewicht, Oleksandr Usyk, ist im Krieg. Doch er trainiert auch für den Rückkampf gegen Anthony Joshua.

Usyk im Ring.

September 2021: Oleksandr Usyk feiert den WM-Erfolg gegen Anthony Joshua Foto: ap

Oleksandr Usyk ist, sportlich betrachtet, der neue Klitschko: Der Ukrainer ist Schwergewichtsweltmeister von vier Verbänden, drei davon gelten sogar als seriös. Im September 2021 schlug Usyk den bisherigen Titelträger Anthony Joshua aus Großbritannien. Ein Rückkampf Usyk/Joshua ist mehr oder weniger fest vereinbart, die Verhandlungen laufen zwar noch, aber avisiert ist bislang: im Juni, ursprünglich war sogar von Kiew die Rede.

Ende Februar unterbrach Usyk sein Training in London und reiste zurück in die Ukraine. Ein Foto zeigt ihn in Militäruniform, umringt von Soldaten. Auf Instagram wandte er sich per Video an die russische Bevölkerung: „Guten Morgen, mein Name ist Oleksandr Usyk“, sagt er dort. „Wenn ihr uns als Brüder bezeichnet, lasst euer Militär und eure Kinder nicht in unser Land.“ Auch zu Wladimir Putin spricht er: „Setzen Sie sich an den Tisch und verhandeln Sie mit uns ohne Bedingungen.“

In Russland ist Oleksandr Usyk populär, sein Wort dürfte dort mehr wiegen als das der Klitschkos. Sein WM-Kampf gegen Anthony Joshua wurde nicht im ukrainischen Fernsehen gezeigt; wer ihn dort sehen wollte, musste ein russisches Programm einschalten. Usyk stammt aus der Krim, aus der Stadt Simferopol. Nach der russischen Okkupation der Krim sprach er von Russen und Ukrainern als „einem Volk“, er gab sich als frommer Orthodoxer, der auf den Moskauer Patriarchen hört, und als frisch gebackener Weltmeister kündigte er an, seinen WM-Gürtel auf die Krim bringen zu wollen. Das sorgte in der Ukraine für Unmut, und Usyks nachgeschobene Erklärung, er wolle ihn doch bloß seinem alten Trainer zeigen, beruhigte nicht.

Im Verteidigungskrieg gegen Russland präsentiert sich Usyk jedoch nun als Patriot, auch wenn er nirgends mitteilt, wo genau er dient. Sein guter Freund Wasyll Lomachenko, einer der besten Leichtgewichtsboxer der Welt, zweifacher Olympiasieger, ist aktiv in der ukrainischen Territorialverteidigung. Lomachenkos Familie lebt in Odessa, er hielt sich zu Kriegsbeginn in Griechenland auf, wo er für einen WM-Kampf gegen den australischen Weltmeister George Kambosos jr. trainierte.

Aber ja

Nun ist zu hören, dass trotz des Krieges und trotz des militärischen Engagements der zwei Weltklasseboxer die anstehenden Titelkämpfe stattfinden können. Der US-Promoter Bob Arum sagte: „Die ukrainische Regierung, die großartig ist, arbeitet mit uns zusammen, was Lomachenko und auch Usyk angeht.“ Anthony Jo­shua erklärte: „Ich möchte nicht zu viel verraten, aber ja, der Kampf wird stattfinden.“ Oleksandr Usyk selbst bestätigte, dass er in Kampfvorbereitungen stecke. „So helfe ich meinem Land mehr, als wenn ich in der Territorialverteidigung wäre und mit einem Maschinengewehr durch Kiew liefe“, sagt er.

Es scheint eine Freigabe der ukrainischen Regierung für Usyk und Lomachenko zu geben, denn eigentlich dürfen alle ukrainischen Männer zwischen 18 und 60 Jahren das Land nicht verlassen. Ob Oleksandr Usyk wirklich, wie ein Gerücht am Mittwoch lautete, die Ukraine bereits über Polen verlassen hat und nach London zurückkehrte, ist unklar, vermutlich noch nicht.

Nach dem ersten Kampf hatte Usyk gesagt: „Ihr habt nicht den besten Usyk gesehen, ich kann es noch viel besser.“ Dass der Kampf im ukrainischen Fernsehen gezeigt werden wird, ist wahrscheinlich. Dass er in Kiew stattfindet und die Klitschkos am Ring sitzen werden, eher nicht.

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