Ukrainischer Botschafter in der Kritik: Melnyk wird der Ukraine unangenehm
Der ukrainische Botschafter könnte zurückberufen werden. Zuletzt hatte er den Nazi-Kollaborateur Stepan Bandera verharmlost.
Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk soll von seinem Posten in Berlin abgezogen und künftig im Außenministerium in Kiew tätig werden. Das berichten die Süddeutsche Zeitung und die Bild. Sie beziehen sich dabei auf ukrainische Regierungskreise in Kiew. Eine Bestätigung dafür gab es am Dienstag nicht, aber auch kein Dementi. Das Außenministerium in Kiew verwies lediglich auf eine frühere Erklärung, eine Botschaftssprecherin in Berlin sagte der taz, eine solche Nachricht liege ihr nicht vor. Nach Informationen von Bild gibt es den Plan, dass der in Deutschland umstrittene Botschafter zum stellvertretenden Außenminister ernannt wird.
Die Berichte folgen einer Äußerung Melnyks in einem Interview im Podcast „Jung & naiv“, in der er den ukrainischen Nationalistenführer Stepan Bandera (1909–1959) verteidigte. „Bandera war kein Massenmörder von Juden und Polen“, hatte er erklärt. Bandera sei vielmehr von den Sowjets diffamiert worden, deutsche, polnische und israelische Historiker hätten dabei mitgespielt.
Bandera war ein Anführer der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN), die sich, so die einhellige Meinung von Wissenschaftlern, an Massenmorden an Juden und Polen in der Ukraine im 2. Weltkrieg beteiligten. Der Berliner Historiker Götz Aly nennt Bandera den „größten ukrainischen Nazi-Kollaborateur und Antisemiten“. Weil er einen ukrainischen Nationalstaat errichten wollte, kam er 1942 als „Ehrenhäftling“ ins KZ Sachsenhausen. 1959 wurde Bandera in München vom sowjetischen Geheimdienst ermordet. Schon zu Beginn seiner Amtszeit 2015 hatte Botschafter Melnyk Blumen an Banderas Grab niederlegt und ihn als „Held“ bezeichnet.
Auf Melnyks jüngste Äußerungen reagierte Polen, einer der größten Unterstützer der Ukraine im Krieg mit Russland, erbost. Vize-Außenminister Marcin Przydacz nannte die Worte „absolut inakzeptabel“. Die israelische Botschaft in Berlin warf Melnyk eine „Verharmlosung des Holocaust“ vor. Daraufhin erklärte das ukrainische Außenministerium, die Meinung des Botschafters entspreche nicht der Auffassung des Ministeriums. Eine höchst ungewöhnliche Distanzierung. Zugleich dankte es Polen für seine „beispiellose Hilfe“. Polen gab sich damit zufrieden.
Götz Aly, Historiker
Am Dienstag wies Melnyk die Vorwürfe, er verharmlose den Holocaust, zurück. In einem auch an die „lieben jüdischen Mitbürger“ adressierten Tweet erklärte der Botschafter, die Vorwürfe gegen ihn seien „absurd“. „Jeder, der mich kennt, weiß: Immer habe ich den Holocaust auf das Schärfste verurteilt“, schrieb Melnyk. Auf die Berichte zu seiner möglichen Abberufung ging er nicht ein. An einer Reise von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit etwa 150 in Deutschland akkreditierten Botschaftern nach Franken nahm Melnyk am Dienstag nicht teil.
Schon vor zwei Jahren hatte Melnyk die Errichtung eines eigenen Denkmals in Berlin in Erinnerung an die Ermordung der ukrainischen Juden durch die Nazis verlangt, ähnlich des geplanten „Polen-Denkmals“ für die Opfer des deutschen Nachbarstaats im 2. Weltkrieg. Melnyk begründete diese Forderung damit, dass in der Ukraine die meisten Juden ums Leben gekommen seien. Allerdings zählten weite Gebiete der heutigen Westukraine damals völkerrechtlich zu Polen. 2021 boykottierte Melnyk eine Gedenkveranstaltung zum 8. Mai, weil diese im „Deutsch-Russischen-Museum“ in Berlin-Karlshorst stattfand und daher die ukrainischen Opfer nicht ausreichend gewürdigt würden.
Seit Kriegsbeginn in der Ukraine wirft Melnyk Deutschland eine unzureichende militärische Unterstützung vor. Zudem monierte er bei Politikern eine zu große Nähe zu Russland. Kanzler Olaf Scholz nannte er eine „beleidigte Leberwurst“. Sollte Melnyks Abberufung in die Tat umgesetzt werden, dürfte dies in Berlin nicht nur auf Bedauern stoßen.
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