piwik no script img

Ukraine und die USARohstoffabkommen umstritten

Das ukrainische Parlament könnte in dieser Woche das Rohstoffabkommen mit den USA ratifizieren. Ein Umweltschützer warnt vor den ökologischen Risiken

Ein LKW transportiert eine Ladung in einem Ilmenit-Tagebau in ukrainischen Region Kirowohrad Foto: Efrem Lukatsky/AP/dpa

Kiew taz | Dem ukrainischen Parlament steht in dieser Woche eine wegweisende Entscheidung bevor. Die Abgeordneten der Rada müssen abstimmen, ob sie das Rohstoffabkommen zwischen ihrem Land und den USA ratifizieren wollen, das beide Staaten am 1. Mai unterzeichnet hatten.

Darin ist unter anderem geregelt, dass die USA und die Ukraine gemeinsam über zehn Jahre ukrainische Rohstoffvorkommen erschließen und fördern und sich die Gewinne teilen. Dafür wollen beide Staaten einen gemeinsamen Investitionsfonds aufsetzen. Sicherheitsgarantien, welche die Ukraine lange von den USA gefordert hatte, sind in dem Abkommen nicht verbindlich geregelt. Die Ukraine hingegen ist um die Regelung umhergekommen, Mittel für die militärische Hilfe seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges an die USA zurückzahlen zu müssen.

Die öffentliche Debatte darum, ob das Abkommen der Ukraine tatsächlich nützt, läuft wenige Tage vor der Entscheidung um die Ratifizierung dennoch heiß. An die ukrainischen Abgeordneten gewandt appellierte Präsident Wolodymyr Selenskyj, dem Abkommen zuzustimmen: „für die Zukunft und dafür, was wir heute zur Verteidigung brauchen“. Der Ukrajinska Prawda zufolge forderte Selenskyj zudem, dass die USA die Visa Abgeordneter einziehen sollten, die gegen die Rohstoffvereinbarungen stimmen.

Irina Heraschtschenko, die langjährige politische Weggefährtin des früheren Präsidenten Petro Poroschenko und derzeit Abgeordnete der Oppositionspartei „Europäische Solidarität“ kritisiert auf dem Portal ihrer Partei „die Intransparenz rund um die Vereinbarungen“. Neben dem veröffentlichten Rahmenmemorandum, so Heraschtschenko, existierten zwei weitere Dokumente zur Umsetzung des Abkommens, die nicht einmal den Abgeordneten bekannt seien.

„Abgeordnete sollten sich nicht von der Aussicht auf ein US-Visum leiten lassen“

Ohne den vollständigen Text eines Abkommens zu kennen, sei es nicht möglich, darüber abzustimmen, argumentiert sie. Die zentrale Aufgabe eines Abgeordneten sei es schließlich, über Gesetzesvorhaben in voller Kenntnis ihrer Inhalte abzustimmen.

Weiter kritisiert Heraschtschenko, im Parlament von Selenskyj, sei es die Norm bei Abstimmungen den Knopf zu drücken, ohne das entsprechende Dokument gelesen zu haben. Das betreffe die Abgeordneten der Parteien „Diener des Volkes“ und „Oppositionsplattform für das Leben“.

Mit Blick auf das Abkommen zwischen der Ukraine und den USA mahnt sie zudem, „Abgeordnete sollten sich bei ihrer Entscheidung von nationalen Interessen und den Anliegen ihrer Wähler leiten lassen – nicht von der Aussicht auf ein US-Visum.“

In der ukrainischen Umweltbewegung ist die Haltung zu dem Rohstoffabkommen geteilt. „Solange wir im Krieg mit Russland stehen, werde ich die ukrainische Regierung nicht kritisieren“, begründete eine Umweltschützerin, weshalb sie kein Interview zum Thema mit der taz führen wollte.

„Politisch gesehen war dieser Vertrag allerdings notwendig.“

Der in Charkiw aktive Umweltschützer Vitali Zatenko, Direktor der seit 1993 aktiven Umweltgruppe „Pechenegy“, sagt, es sei schwierig, die ukrainisch-amerikanische Vereinbarung zum Abbau der Rohstoffe als gut oder schlecht einzuordnen. Schließlich sei auch nur ein Teil des Vertrages öffentlich. „Politisch gesehen war dieser Vertrag allerdings notwendig.“

Gleichwohl, so Zatenko, ändere die Notwendigkeit dieses Vertrages nichts an der Tatsache, dass der Abbau von Rohstoffen eine umweltschädliche Tätigkeit ist. In Zukunft gelte es, die Projekte des ukrainisch-amerikanischen Investitionsfonds genau auf ihre Umweltverträglichkeit zu untersuchen und dann von Fall zu Fall zu entscheiden, ob man dieses oder jenes Projekt als Umweltgruppe unterstützt oder ablehnt.

Da der Fonds zur Rohstoffförderung in den USA registriert sein wird, sei es zudem wichtig, darauf zu achten, dass die ukrainische Umweltgesetzgebung eingehalten wird, so Zatenko.

Der ukrainische Politiker und Diplomat Pawel Klimkin hält das Abkommen vor allem für einen Sieg Donald Trumps, zitiert ihn die ukrainische Nachrichtenagentur unian.net. Ungefähr 80 Prozent von Trumps Unterstützern seien gegen Hilfen an die Ukraine. Und nun könne Trump auf die Frage seiner Unterstützer, warum man die Ukraine unterstütze, antworten, dass die Hilfe nicht einseitig sei. Letztendlich bekämen die USA mehr zurück, als sie gegeben habe. Die Beziehungen zu den USA hätten sich demnach verbessert, weil die Ukraine Trump diesen Sieg ermöglicht habe.

Wie die ukrainischen Abgeordneten schließlich über die Ratifierzung abstimmen, ist offen. Der ukrainische Premier Denys Schmyhal zeigte sich laut Ukrajinska Prawda jedoch zuversichtlich, dass das Rohstoffabkommen noch in dieser Woche, vor dem 8. Mai, ratifiziert werde.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!