piwik no script img

Uigurische Fackelträgerin in PekingUnglaubwürdige Symbolik

Sven Hansen
Kommentar von Sven Hansen

Die Uigurin Dinigeer Yilamujiang durfte bei den Winterspielen in Peking das olympische Feuer entzünden. Diese Instrumentalisierung ist einfach zynisch.

Trügerische Schneeflöckchen-Idylle in Peking mit Uigurin Yilamujiang Dinigeer (rechts) Foto: dpa

O lympische Eröffnungsfeiern sind stets voller Symbolik, mit der sich die Gastgeber im besten Licht zeigen wollen. Eben auch beim Entzünden der Flamme durch die Schluss­läu­fe­r*in­nen des Fackellaufes. Sie spielen die prominenteste Rolle beim erstmals von den Nazis 1936 in Berlin propagandistisch wiederbelebten antiken Ritual.

Fa­ckel­läu­fe­r*in­nen werden dabei als Sym­pa­thie­trä­ge­r*in­nen instrumentalisiert. Wenn China dafür jetzt die uigurische Skilängläuferin Dinigeer Yilamujiang bestimmte, ist das auf den ersten Blick nicht anders als 1996, als die USA in Atlanta den Boxer Muhammad Ali losschickten – und Australien 2000 in Sydney die Aborigines-Sprinterin Cathy Freeman.

Doch bei näherem Blick sind die Unterschiede deutlich: Die Instrumentalisierung der Uigurin ist einfach nur zynisch. Niemand kann ernsthaft bestreiten, dass in den USA und Australien Schwarze und Aborigines unterdrückt und diskriminiert wurden. Auch heute gibt es noch massive Rassismusprobleme. Trotzdem hat sich die Situation tendenziell verbessert, wie dies eben auch die Auswahl von Ali und Freeman symbolisiert.

Beide zeichnete aus, dass sie schon davor jeweils auf ihre Art Kritik an den Verhältnissen geäußert haben. Freeman trug schon vor 2000 bei einem Siegeslauf neben der australischen selbstbewusst die Flagge der Aborigines. Das wiederholte sie nach ihrem Goldlauf in Sydney, obwohl das IOC die Aborigines-Flagge eigentlich nicht erlaubt.

Dass Peking Dinigeer Yilamujiang eine Uiguren-Flagge durchgehen lässt, ist unvorstellbar. Auch die Situation der Uiguren ist eine ganz andere, was die jetzige Symbolik so unglaubwürdig macht. Denn die Unterdrückung der Uiguren wurde in den letzten Jahren massiv verschärft. Dinigeer Yilamujiang wird nicht als kritische Stimme geehrt (dann säße sie im Lager), sondern dient Peking beim Leugnen der Unterdrückung. Wie auch das IOC.

Das bügelt Kritik an der Rolle der Uigurin mit dem Hinweis ab, sie dürfe als Olympionikin doch nicht diskriminiert werden. Natürlich nicht. Doch hier geht es um eine unglaubwürdige Inszenierung, bei der das IOC mitspielt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Sven Hansen
Auslandsredakteur (Asien)
Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin
Mehr zum Thema

0 Kommentare