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ÜberwachungLive-Übertragung ins Präsidium

Beschluss im Innenausschuss: Die Polizei soll ab dem 1. Mai auch ohne Anlass Demos filmen dürfen.

Achtung, Kamera läuft! Bild: dpa

Die Stimmung im Innenausschuss ist angespannt. Die Regierung will ein umstrittenes Gesetz auf den Weg bringen, das der Polizei erlaubt, von Versammlungen Übersichtsaufnahmen zu machen. Gefilmt werden soll vom Hubschrauber aus oder von Hausdächern.

Vor ein paar Wochen war der Entwurf im Ausschuss durchgefallen. An diesem Montag soll es klappen: SPD und CDU drängen auf Eile. Warum, fragen die Abgeordneten von Grünen, Linken und Piraten. „Es ist nicht vorgeschrieben, einen Dringlichkeitsantrag zu begründen“, antwortet der innenpolitische Sprecher der SPD, Thomas Kleineidam. Es klingt, als wolle er die Opposition verarschen. „Noch vor dem 1. Mai soll ein Gesetz durchgepeitscht werden, das verfassungswidrig ist“, sagt Udo Wolf (Linke).

Das Gesetz soll am 1. Mai in Kraft sein, räumt der CDU-Abgeordnete Stefan Lenz nach dem Ende der Sitzung gegenüber der taz ein. Am Donnerstag erfolgt im Parlament die letzte Abstimmung. Sobald das Gesetz im Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Berlin veröffentlich ist, heißt es pünktlich zum 1. Mai: Film ab für die Polizei.

Für die Polizei ist die Welt damit wieder in Ordnung: Der Einsatzleiter kann im Polizeipräsidium sitzen und auf dem Monitor die vom Hubschrauber und sonstigen Polizeikameras gelieferten Bilder von den Demonstrationen verfolgen. Das sogenannte Polizeifernsehen war 2010 vom Berliner Verwaltungsgericht verboten worden. Nur wenn eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bestehe, dürften Polizisten filmen, so die Rechtsprechung.

In dem Gesetz, das am Donnerstag verabschiedet werden soll, heißt es dagegen: „Die Übersichtsaufnahmen sind offen anzufertigen und dürfen weder aufgezeichnet noch zur Identifikation der Demonstrationsteilnehmer genutzt werden. Die Versammlungsleitung ist unverzüglich über die Anfertigung der Übersichtsaufnahmen in Kenntnis zu setzen.“ Polizeipräsident Klaus Kandt argumentierte am Montag damit, man brauche die Übersichtsaufnahmen zur Arbeitserleichterung. „Wir müssen noch Erfahrung sammeln, wie man das organisatorisch und rechtlich sinnvoll einsetzt.“ Man werde die Übersichtsaufnahmen so sparsam wie möglich einsetzen. Denkbar sei auch, das Ganze vorher in der Presse anzukündigen.

Die Übersichtsaufnahmen seien überflüssig und zudem verfassungswidrig, meint die Opposition. „Man kann keine Bild- und Tondaten übertragen, ohne sie zwischenzuspeichern“, warnte Oliver Höfinghoff von den Piraten. Sein Parteifreund Christopher Lauer warnte davor, dass die Daten von Dritten abgefangen werden und im Internet auftauchen: „Das ist ein Minenfeld mit einem beachtlichen Kollateralschaden.“ Grüne und Linke kündigten eine Klage vor dem Verfassungsgericht an.

Die Abgrenzung zwischen Filmaufnahmen aus Übersichtsgründen und Aufnahmen mit der Begründung, dass eine Gefahr für Sicherheit oder Ordnung bestehe, sei nicht klar, gibt Udo Wolf zu bedenken. „Die Leute wissen nicht, aufgrund welcher Rechtsgrundlage gefilmt wird.“ Der friedliche Bürger fühle sich beobachtet – eine Einschränkung des Demonstrationsrechts.

Die Opposition baue einen Popanz auf und kultiviere ihr Misstrauen gegen die Polizei, sagt Innensenator Frank Henkel (CDU). „Wir misstrauen nicht der Polizei, sondern Ihnen, Herr Innensenator“, gibt Benedikt Lux (Grüne) zurück.

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15 Kommentare

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  • H
    @Hans

    ... das ergebnis ist das gleiche, wahrscheinlich bei privaten filmaufnahmen noch schlimmer. die gefahr, dass filmaufnahmen von mir, gedreht von einem fremden mitdemonstranten, im internet landen oder anders missbraucht werden ist viel höher als die gefahr, dass sowas mit polizeiaufnahmen passiert. pure heuchelei also diese aufregung.

  • H
    Hans

    Wer hat uns verraten...

    http://www.youtube.com/watch?v=8vFL0QWxugI

     

    @Claudia, @KommentatorIn 16.04.2013 13:47 Uhr

    Sie haben leider den Unterschied von Privatpersonen und Vertretern staatlicher Exekutivorgane nicht verstanden.

  • L
    loop

    Mit dem Gesetz soll schlicht rechtliche Klarheit geschaffen werden. Die Polizei hat sich in den letzten Jahren nicht um die Gesetzeslage gescherrt und trotzdem unverholen komplette Demonstrationen abgefilmt. Sie wissen genau was sie tun und haben zu allem Überfluss einen rechten Innenminister auf ihrer Seite dem ebenso klar ist, dass es oberste Ministerpflicht ist, politisch informierte Bürger zu diffamieren. Die Pauschalkriminialisierung wird massiv vereinfacht wenn Raum und Bild unter Kontrolle sind. Für die Polizei vereinfacht sich die Arbeit natürlich ungemein wenn diese lästigen Grundrechte nicht mehr gelten.

     

    Verwundernd sind zudem diese schwachsinnnigen Kommentare, dass es auf diesen Demonstrationen ach so gewalttätig zuginge. Wer so etwas von sich gibt hat wohl als Kind ein wenig zu viel Spiegel Online und Bild abbekommen.

  • FR
    Frau Runzel

    ...ist einfach scheiße, wenn Einzelne versuchen mit Wurfgeschossen ihr Gegenüber schwer zu verletzen- Dazu nutzen sie die Anonymität der Masse...übel...

  • T
    Timchen

    @ Revoluzzer:

     

    aus diesem Grund ist auch jedes Jahr die Polizei anwesend; da man aber nicht in die Zukunft schauen kann, kann man nicht wissen, ob dieses Jahr etwas passieren wird; wenn was passiert, hat die Polizei (auch jetzt schon) das Recht (und die Pflicht) einzugreifen. Das rechtfertigt aber keine anlasslose Videoaufzeichnung von Anfang an.

  • T
    Timchen

    @ "von @Timchen" (13:47):

     

    Sie reden von Demo, ich bewusst von Versammlung; das Gesetz kennt nämlich keine "Demo" o.ä. (wer will entscheiden, was eine Demo ist, womöglich eine potentiell gefährliche, was ncht?!).

     

    Jede Zusammenkunft unter freiem Himmel ist eine Versammlung. Ganz egal, was da geschieht. Und es geht darum, ob wir wollen, dass der Staat jederzeit das Recht hat, da reinzugehen und alles zu filmen (und da hilft es auch nicht, zu sagen, ach, eine Grillparty werden die schon nicht filmen wollen o.ä.).

     

    Und nochmal: bei akuter Gefährdungslage in oder im Umfeld einer Versammlung gibt es auch jetzt schon das Recht des Staates, einzugreifen und/oder zu filmen. Es geht um anlassloses Filmen jedweder Art von Versammlung.

  • R
    Revoluzzer

    Wo liegt das Problem. Ich muss kein Hellseher sein, um bei der revolutionären 1. Mai Demo in Berlin "Gefahr für Sicherheit oder Ordnung" zu prognostizieren. Dazu genügen die Erfahrungen der vergangenen Jahre und gesunder Menschenverstand. Schon der Titel sagt doch alles. Revolution is nunmal kein Ringelpietz mit Anfassen. Die Leute wollen den Kapitalismus bekämpfen und der lässt sich halt nicht mit rosa Wattebällchen bekämpfen.

  • K
    Kamera

    Es geht der Polizei ganz klar darum, die Berliner einzuschüchtern. Erst wird gefilmt, dann wird ermittelt, wer an den Demos teilgenommen hat und dann schlägt die Stunde des polizeilichen Staatsschutzes. Was der dann macht, kann mir hier gar nicht mehr schreiben, ohne nicht sofort die Rache der Staatsschützer auf sich zu lenken.

  • U
    Ultra

    @Claudia

     

    Die müssen sich auch keine Sorgen machen. Im Internet landen nur prügelnde Polizisten. Bei Straftaten von Autonomen wird die Kamera ausgeschaltet bzw. die Bilder landen ausreichend verpixelt mit solider Mucke unterlegt im Netz.

     

    Solange die Beamten nicht wie die Autonomen aus sicherer Distanz heraus aktiv werden können wie die Autonomen (Steine, Flaschen, Mollis etc.) herrscht bei solchen Events nie Gleichheit. Das ist ne feige Veranstaltung, bei der eine der beiden Seiten den starken Max macht, weil sie sich immer in sicherer Weglaufdistanz aufhält. Ich plädiere für "Waffengleichheit", also nehmt den Beamten die Kameras weg und gebt ihnen Steine oder Gummigeschosse oder noch besser: nehmt allen alles weg und lasst blanke Fäuste sprechen. Das wäre sportlich. Dazu würde den Kids allerdings der Mut fehlen.

  • T
    @Timchen

    Da irrst du. Eine Demo ist halt eben kein netter Tanz- und Grillnachmittag unter Freunden. Wenn ich dort hingehe, habe ich keinen Bock von wildfremden Menschen gefilmt zu werden und später im Internet zu landen. Ob nun hinter der Kamera jemand mit schwarzer NorthFace Kapuzenjacke oder mit grüner Uniform steht, macht für mich da keinen Unterschied. Insofern hat @Claudia nicht unrecht, hinter der Aufregung angesichts der Kameradichte auf solchen Demos ein klein wenig Heuchelei zu vermuten.

  • MP
    Matthias Pfahl

    Wehret den Anfängen!

     

    Einmal geschaffene Möglichkeiten der Überwachung werden genutzt werden. Zunächst punktuell, dann immer mehr und schlussendlich werden sie zur Routine!

     

    Mißtrauen ist mehr als angebracht (und ist, ganz nebenbei, ja auch der Grund der Polizei für die Filmerei). Es ist angebracht, nicht, weil Polizisten alle böse wären, sondern weil auch nette Menschen in bester Absicht die Freiheit anderer beschneiden.

  • T
    Timchen

    @ Claudia:

     

    eine Versammlung ist zunächst mal eine privat-öffentliche Veranstaltung und ausnahmslos Angelegenheit der Teilnehmer; was diese da machen, singen, tanzen, reden, filmen, grillen, spazieren... geht nur sie was an und ist nicht Sache des Staates (oder wie würden Sie es finden, die Polizei filmte ihre privat-öffentliche Grillparty?!).

     

    Wenn es in oder im Umfeld der Versammlung Gefahrpotentiale und/oder Gewalt gibt hat die Polizei (auch jetzt schon) das Recht und die Pflicht, einzuschreiten und ggf. zu filmen, aber eben nicht anlasslos.

  • C
    Claudia

    Ich verstehe die Aufregung nicht. Hier wird doch nur ein wenig Gleichheit beim Kräfteverhältnis geschaffen. Auf jeder autonomen Demo filmen überall und ununterbrochen jede Menge Freizeitrevolutionäre mit ihren iPhones etc. (unter anderem auch Polizist_Innen beim Einsatz). Ich habe noch nie Piraten oder SED/PDS/Linke Politiker gehört, die sich Sorgen über den Missbrauch solcher Aufnahmen oder das Auftauchen dieser Aufnahmen im Internet machen.

  • AN
    Arno Nym

    Wenn der Polizeistaat filmt, werden sich die, die potentiell vom Staat bzw. von staatlichen Entscheidungsträgern abhängig sind, von Demos zurückhalten.

     

    Genauso, wie jetzt schon viele Krankenschwestern trotz ihrer (ggf. gewachsenen) Ablehnung der katholischen Kirche davor zurückschrecken, aus der Kirche auszutreten.

     

    So wächst ein Volk heran, dass entgegen eigener Überzeugungen handelt...

  • DR
    Dr. rer. nat. Harald Wenk

    REPRESSION MARSCHIERT!!!!!!!!!!!!!