Überraschung bei IS-Prozess in Düsseldorf: „Ich habe nicht die Wahrheit gesagt“
Saleh A. war der Kronzeuge im Prozess um ein mutmaßliches IS-Attentat. Nun nahm er seine Aussagen gegen vermeintliche Komplizen zurück.
Als Havliza ihm am Freitag unverblümt Widersprüche zu seinen früheren Aussagen präsentiert, die mit einem Versprecher oder Missverständnis nicht zu erklären seien, wird Saleh A. laut und redet immer schneller. Dabei lässt er einen Teil des Kartenhauses einstürzen, das er zuvor in unzähligen Vernehmungen aufgebaut und das seine beiden Mitangeklagten ins Gefängnis und vor Gericht gebracht hat: „Ich habe nicht die Wahrheit gesagt. Sie haben überhaupt nichts damit zu tun.“
Gemeint ist sein Auftrag, in Düsseldorf ein zehnköpfiges Terrorkommando des Islamischen Staates wüten zu lassen. Den Auftrag für den Anschlag habe er zwar bekommen, er habe ihn aber mit ganz anderen Leuten begehen sollen. Die habe er bis heute nicht kennengelernt.
Die französische Polizei habe ihm versprochen, seine Frau und sein Kind nachzuholen und ihn freizulassen. Weil sich die Polizei daran nicht gehalten habe, habe er falsche Details aufgetischt. „Ich wollte der Lüge der Polizei eine Lüge entgegensetzen“, sagt er vor Gericht.
„Ich habe Dankbarkeit erwartet, aber dieses Wort gibt es in Europa nicht. Ich habe mein Volk verraten, um die deutsche Bevölkerung zu schützen und zum Dank steckt man mich ins Gefängnis.“
Muss ein Verdächtiger nun freigelassen werden?
Richterin Havliza hält dagegen: „Sie haben sich schlicht verzockt. Ihr Freund Mahood sitzt seit einem Jahr deswegen im Gefängnis. Haben sie kein schlechtes Gewissen?“, fragt sie. „Doch ja, deswegen erzähle ich das ja“, sagt der Arztsohn.
Aber Mahood B. habe sich schließlich selbst den Tarnnamen „Der Krieger“ gegeben. „Wenn ich mich Winnetou nenne, bin ich deswegen noch nicht auf dem Kriegspfad“, kontert Havliza.
Der Syrer Saleh A. hatte sich in Paris der Polizei gestellt, als Kopf einer IS-Terrorzelle zu erkennen gegeben und ein umfassendes Geständnis abgelegt. Dabei belastet er seine beiden Mitangeklagten schwer. Vor Ermittlern des Bundeskriminalamts und Ermittlungsrichtern bekräftigt er seine Vorwürfe.
„Das Leben in Deutschland hat mir gefallen. Vorher war ich nur im Gefängnis und im Krieg, habe nur Zerstörung erlebt“, sagt Saleh A. In Deutschland Menschen zu töten, habe er schließlich als Unrecht empfunden.
Mit der neuen Version des Hauptangeklagten und Kronzeugen gerät das Gericht in Zugzwang: Zumindest für Mahood B. gibt es nun vermutlich kaum noch Gründe, ihn weiter einzusperren. Lediglich am Versuch, den Vatikan um eine größere Geldsumme zu erleichtern, sei er beteiligt gewesen, sagt Saleh A.. Hamza C. soll sich immerhin zusätzlich noch als Menschenschleuser betätigt haben.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Trump und Putin
Bei Anruf Frieden
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen