Überpünktliche Hotelgäste: Der frühe Vogel nervt den Wirt
Check-out-Zeiten stecken im Biorhythmus jedes Hotelgastes, hat unser Autor festgestellt. Bei Check-in-Zeiten aber, da herrscht Anarchie.
E lf Uhr. Im Frühstückszimmer sitzen zwar noch ein paar Hochzeitsgäste um eine Pfanne Rührei, doch eigentlich ist jetzt die Uhrzeit, zu der alle auschecken wollen. Spätestens. Ich habe die Rechnungen bereit, im EC-Gerät ist eine frische Rolle Thermopapier eingelegt, und zehn Minuten später stehen dann auch die letzten Gäste vor mir und übergeben die Schlüssel von Zimmer Nr. 6.
Mein Hirn schaltet in den gästefreien Modus. To-do-Liste: Frühstück abdecken, Mr Hobart (die Spülmaschine) füttern, Müll und Leergut rausbringen, Flure saugen, Eingang wischen und, und, und … Doch die Gäste aus Zimmer 6 haben Probleme, das Gasthaus zu verlassen. Zwei große Rollkoffer kommen ihnen entgegen und deren Besitzer. „Hallo, Speckhäuer mein Name. Wir hatten reserviert.“
Wie gerne würde ich jetzt sagen: „Ach endlich. Wir hatten Sie schon früher erwartet.“ Stattdessen frage ich: „Was wollen Sie denn jetzt schon hier?“ „Na, einchecken“, sagt Herr Speckhäuer. Und setzt in mein verdutztes Gesicht nach. „Damit wir dann den Tag beginnen können.“ Nun haben wir beide ein Problem.
Es ist wirklich interessant: Check-out-Zeiten stecken im Biorhythmus jedes Gastes, wenigstens meiner Erfahrung nach. Bei Check-in-Zeiten ist es genau andersherum, entweder ist ihre Existenz nicht bekannt oder sie werden ignoriert. Die meisten Gäste kommen letztlich trotzdem zur rechten Zeit, aber eine signifikante Minderheit eben nicht. Und die reagiert dann auch durchaus mal angesäuert wie Herr Speckhäuer, als ich ihm nun die Hochzeitsgäste vorstelle, die noch mal auf „sein“ Zimmer müssen, weil sie dort etwas vergessen haben. Wir einigen uns, dass Herr und Frau Speckhäuer einfach die Koffer im Gasthaus abstellen und mit zwei Cappuccino den Tag beginnen.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Kurze Zeit später kann mein Kopf wieder auf „gästefrei“ arbeiten. Es beginnen zwei bis drei Stunden, in denen das Haus nicht mehr von Stimmen erfüllt ist. Stattdessen brummt irgendwo ein Staubsauger, schleudert die Waschmaschine, prasselt das Spülwasser unter der Haube von Mr Hobart, klirren Teller und Gläser.
Wir betreiben unser Gasthaus in einem Gebäude, das über 200 Jahre alt ist und einiges mitgemacht hat. Gerade deswegen haben wir oft das Gefühl, das alte Haus entspannt sich in dieser Geräuschkulisse wieder. Als ob die Reinigung wie ein entspannendes Fußbad wirkt. Am frühen Nachmittag, wenn die nächsten Gäste wieder eintreffen, haben die alten Mauern wieder ihren ganzen Charme aufgeladen – und die Gastgeber mit ihnen.
Am Abend haben die Speckhäuers noch eine Bitte. Ob es möglich wäre, früher zu frühstücken, „so um halb 7“? Bis zu ihrer nächsten Herberge sind es nämlich drei Stunden.
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